Zivilprozess: Trump wegen sexuellen Übergriffs verurteilt

    Fünf Millionen Schmerzensgeld:Trump wegen sexuellen Übergriffs verurteilt

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    Der frühere US-Präsident Donald Trump ist wegen eines sexuellen Angriffs gegen die Journalistin E. Jean Carroll verurteilt worden. So stehen lassen will er das Urteil nicht.

    Ein ungläubiges Raunen geht durch den Saal im 26. Stock des Gerichtsgebäudes in Downtown Manhattan. Vor den Fenstern glitzert der East River, drinnen - unter einem von zehn massiven Kronleuchtern - wedelt ein Justizangestellter mit einem Zettel der Jury, der so früh nicht erwartet wurde. Darauf geschrieben steht nur ein handschriftliches Wort: "Verdict" - Urteil. Nicht einmal drei Stunden haben die neun Geschworenen in dem Fall gebraucht, um zu dem Schluss zu kommen, dass Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, eine Frau sexuell missbraucht und ihr so viel Leid zugefügt hat, dass er fünf Millionen Dollar Strafe zahlen soll.
    Der ehemalige US-Präsident will gegen seine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs in Berufung gehen. Das kündigte er nach einem verlorenen Zivilprozess am Dienstagabend per Videobotschaft an. Die ganze Sache sei "ein Betrug und (...) eine Schande für unser ganzes Land", wetterte der Republikaner, der 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen will.

    ZDF-Korrespondentin: Juristische Probleme haben Trump bislang nicht geschadet

    Das Urteil gegen Trump ist nur eines aus einer ganzen Reihe von rechtlichen Problemen für den 76-Jährigen. Ob es sich tatsächlich auch auf die Wählergunst auswirkt, sei aber fraglich, sagt ZDF-Korrespondentin Claudia Bates. Bislang hätten "Trumps juristische Probleme ihm politisch nicht geschadet". Zuletzt waren seine Umfragewerte in parteiinternen Befragungen sogar gestiegen.
    Trotz aller Vorwürfe gegen Trump stünden die Republikaner immer noch weitgehend geschlossen hinter ihm. "Trumps unbeirrbare Fanbasis unter den Republikanern kann ihn zur Präsidentschaftskandidatur tragen", erklärt Bates mit Blick auf die republikanischen Vorwahlen.

    Die - angeblich wertkonservativen - Republikaner müssen nun entscheiden, ob sie sich hinter einem Kandidaten, der wegen eines sexuellen Übergriffs verurteilt ist, versammeln können.

    Claudia Bates, ZDF-Korrespondentin

    Einige Parteikollegen äußerten sich nach der Entscheidung allerdings kritisch mit Blick auf die Bewerbung des 76-Jährigen für das höchste Staatsamt. Der Ex-Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, Asa Hutchinson, der sich ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewirbt, sagte:

    Die Republikaner sollten dies nicht abtun und sagen, dass dies nicht von Bedeutung ist.

    Asa Hutchinson, US-Politiker

    Der republikanische Senator Kevin Cramer sagte, das Urteil sei nicht "disqualifizierend", habe aber Auswirkungen auf Trumps Wählbarkeit.
    Trotz der Anklage hielt das Trump-Lager bislang zum Ex-Präsidenten:
    Trumps Anwalt Tacopina kündigte an, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Über seinen Mandanten sagte er: "Er ist stark. Er ist bereit weiterzumachen. Er wird mit einer Berufung dagegen ankämpfen." Tacopina sprach von einem inkonsistenten und "merkwürdigen Urteil". Immerhin sei Trump "nicht als Vergewaltiger gebrandmarkt".

    Trump als "Raubtier" gebrandmarkt

    Doch als "predator" - der Begriff bedeutet wörtlich eigentlich Raubtier und wird in den USA häufig für Sexualstraftäter verwendet - ist Trump trotzdem verurteilt. Als ein Mann, der im Umgang mit Frauen keine Grenzen kennt und aus seiner abschätzigen Haltung ihnen gegenüber im Übrigen auch keinen Hehl macht.
    Trump sagte zwar nicht während der Verhandlungstage vor Gericht aus, stand aber Carrolls Anwältin in dem Verfahren vorab Rede und Antwort. Ein 48-minütiges Video der Vernehmung wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Darin wiederholte Trump verächtliche Aussagen über Carroll und andere Frauen, die ihm in der Vergangenheit sexuelle Übergriffe vorgeworfen haben. Und er verteidigte auf bemerkenswerte Weise seine Äußerung, als Prominenter könne man Frauen überall anfassen, wenn man das wolle - auch an ihren Genitalien.

    Klägerin: Heute kennt die Welt endlich die Wahrheit

    Der Fall Carroll war kompliziert: Die Autorin E. Jean Carroll wirft Trump vor, er habe sie Mitte der 90er Jahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses vergewaltigt. Trump streitet das seit jeher ab und warf Carroll wiederholt öffentlich vor, aus Gründen der Eigenvermarktung Lügengeschichten zu erfinden. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte die heute 79-Jährige gegen Trump vorgehen. Sie verklagte ihn wegen Körperverletzung und Verleumdung und verlangte eine Entschädigung. Und sie erreichte einen bedeutsamen Erfolg: Die Geschworenen wiesen zwar den Vergewaltigungsvorwurf ab, kamen aber zu der Einschätzung, dass Trump Carroll sexuell missbraucht und verleumdet hat.
    Insgesamt muss Trump fünf Millionen US-Dollar (rund 4,56 Millionen Euro) an Entschädigung und Strafe zahlen. Als sie am Ende das Gerichtsgebäude verlässt, lächelt Carroll. Sie geht schweigend vorbei an den wartenden Reportern und lässt allein ihr Gesicht sprechen. Die Anwältin an ihrer Seite, Roberta Kaplan, sagt im Vorbeigehen: "Wir sind sehr zufrieden."

    Carroll: Meinen Namen reingewaschen

    "Ich habe diese Klage gegen Donald Trump eingereicht, um meinen Namen reinzuwaschen und mein Leben zurückzubekommen", zitierten US-Medien aus einer Stellungnahme Carrolls.

    Heute kennt die Welt endlich die Wahrheit. Dieser Sieg ist nicht nur für mich, sondern für jede Frau, die gelitten hat, weil ihr nicht geglaubt wurde.

    E. Jean Carroll, Klägerin

    Vor den Geschworen in New York bekräftigte E. Jean Carroll ihre Anschuldigungen:

    Donald Trump - erster strafrechtlich angeklagter Ex-US-Präsident

    Trump selbst ist nicht persönlich vor Gericht erschienen. Er machte seinem Zorn aus der Ferne Luft, auf seiner Twitter-Alternative Truth Social. "Dieses Urteil ist eine Schande - eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", schrieb er dort in Großbuchstaben unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung. Und weiter:

    Ich habe absolut keine Ahnung, wer diese Frau ist.

    Donald Trump, US-Republikaner

    Auch im Prozess selbst hatte der Ex-Präsident nicht ausgesagt. Sein Anwalt hatte das damit begründet, dass der ehemalige Präsident den New Yorkern den großen logistischen Aufwand ersparen wolle, der mit einer Reise in die Ostküstenmetropole und den zentralen Bezirk Manhattan verbunden wäre.

    Belästigungsvorwürfe nicht nur von Carroll

    Diverse Frauen haben Trump in der Vergangenheit sexuelle Belästigung vorgeworfen, was dieser stets zurückwies. Während seines Präsidentschaftswahlkampfes 2016 war außerdem eine alte Tonaufnahme publik geworden, in der sich Trump anzüglich und herabwürdigend über Frauen äußerte - und darüber, dass man als Star Frauen auch an ihren Genitalien anfassen könne, wenn man es wolle.
    Anfang April war Trump als erster ehemaliger US-Präsident in einem anderen Verfahren strafrechtlich angeklagt worden. Er selbst stellt das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen ihn als Versuch dar, seine Kandidatur 2024 zu verhindern. Sollte Trump die Kandidatur gelingen und gegen Joe Biden antreten, dürfte erneut ein enges Rennen warten:

    Und sollte er tatsächlich gegen Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl antreten: In der letzten Umfrage lag Trump sechs Prozentpunkte vor Biden.

    Claudia Bates, ZDF-Korrespondentin

    Am Montag war der Zeugenstand erst einmal leer geblieben. So verlief der letzte Prozesstag:
    Quelle: ZDF, Reuters, dpa

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