Wahlrechtsreform: Was die Expertenkommission empfiehlt

    Frauenquote, Amtszeit, Wahlalter:Wahlrechtsreform: Das sind die Empfehlungen

    Bernd Benthin
    von Bernd Benthin
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    Ein Jahr lang brütete eine Kommission über Umbauten im Wahlrecht. Nun legt sie ihre Empfehlungen vor. Der wichtigste Vorschlag ist schon umgesetzt, die anderen haben es schwer.

    Blick in den leeren Plenarsaal im Bundestag.
    Dem Deutschen Bundestag stehen Reformen bevor.
    Quelle: dpa

    Zum Schluss wird es fast ein bisschen wehmütig. Als die Wahlrechtskommission sich Ende April zu ihrer letzten Sitzung trifft, danken viele überschwänglich für das "besondere Diskussionsklima", den "fruchtbaren und nicht nur politischen Dialog" und für die "beeindruckende" Erfahrung. Ein Jahr Arbeit und 16 Kommissionssitzungen - jeweils mehrere Stunden lang - schweißen zusammen. Dabei ging es um die Antworten auf komplexe Fragen:
    • Ab wann ist man reif für die Wahlentscheidung?
    • Wie schafft man mehr Geschlechter-Gerechtigkeit im Parlament?
    • Und: Wie kriegt der Bundestag es endlich hin, nicht immer weiterzuwachsen?

    Kleinerer Bundestag schon beschlossen

    Letzteren, wohl wichtigsten Punkt hat die Kommission praktisch vorgezogen. Im vergangenen Herbst schon skizziert sie in einem Zwischenbericht, wie der Bundestag sein ewiges Anwachsen stoppen kann. Mittlerweile ist das entsprechende Gesetz vom Bundestag und Bundesrat beschlossen. Teile der Reform allerdings sind hochumstritten. Auch einige, die das neue Modell mit erdacht haben, raten zum nochmaligen Nachjustieren.

    Wählen ab 16?

    Aber nicht nur die Bundestags-Verkleinerung hat die Kommission beschäftigt. Es ging auch ums Wahlalter. Robert Vehrkamp war als Experte mit dabei. Und hat sich dafür eingesetzt, dass bei Bundestagswahlen schon mit 16 gewählt werden darf. ZDFheute sagt er:

    Nicht die Absenkung des Wahlalters ist begründungspflichtig, sondern der Ausschluss junger Menschen von ihrem Grundrecht auf demokratische Partizipation.

    Robert Vehrkamp, Wahlrechtskommission

    Aus seiner Sicht gibt es dafür aber keine ausreichend zwingenden Gründe mehr. "Deshalb halte ich die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre nicht nur für sinnvoll, notwendig und verfassungsrechtlich zulässig, sondern verfassungsrechtlich sogar für geboten."
    Die Empfehlung dafür steht jetzt auch im Abschlussbericht, mit den Stimmen der Koalitionsfraktion und der Linken und gegen das Votum von Union und AfD. Allerdings: Für eine solche Änderung des Wahlrechts bräuchte man im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit - also mindestens auch die Stimmen der Union. Auch wenn eine Kommissionsmehrheit das Wählen ab 16 will - kommen wird es erstmal nicht.
    Bernd Benthin im Inside-PolitiX-Studio
    18, 16, 0: Wählen für Minderjährige, das steht bei den Ampelparteien fest auf dem Zettel. Erst mal ab 16, doch viele fragen auch: Warum nicht gleich ab Geburt?14.11.2021 | 7:46 min

    Kommt das Fünfjahresparlament?

    Deutlich mehr Chancen hat die Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre, wie es zum Beispiel schon in Frankreich oder Großbritannien der Fall ist. Hierfür zeigt sich in der Wahlrechtskommission auch die Union offen und könnte im Bundestag für die nötige Mehrheit sorgen. Nina Warken ist Co-Vorsitzende der Kommission und sitzt für die CDU im Bundestag. Zu ZDFheute sagt sie:

    Eine fünfjährige Wahlperiode hätte den Vorteil, dass die parlamentarische Arbeit stabiler wäre und in geringeren Abständen von Wahlkämpfen unterbrochen wäre.

    Nina Warken (CDU), Co-Vorsitzende der Kommission

    Allerdings weist Warken auch darauf hin, dass dies bislang nur eine Empfehlung der Kommission sei und die Unionsfraktion noch keine abgeschlossene Haltung dazu hat. Bislang ist also nur der Vorschlag in der Welt, immerhin aber mit dem Signal, dass Mehrheiten dafür möglich sind.

    Mehr Frauen im Bundestag gefordert

    Einig ist sich die Kommission darin, dass der Frauenanteil im Bundestag erhöht werden muss. Uneinig ist sie darüber, wie das gelingen soll. SPD und Grüne wollen ein sogenanntes Paritätsgesetz - also eine Quotierung der Mandate zwischen Frauen und Männern. Die FDP hält eine solche Regelung für verfassungswidrig und lehnt sie ab.
    Die Union will auch kein Paritätsgesetz, schlägt stattdessen aber ein Maßnahmenpaket unterhalb der Schwelle einer Quotenregelung vor - konkret: Ein selbstauferlegter Kodex in den Fraktionen und zum Beispiel auch der Anspruch auf Elternzeit und Elterngeld, um den Bundestag familienfreundlicher zu machen. Diesen Anspruch haben Abgeordnete nämlich aktuell nicht.

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    von Petra Riffel
    Debatte im Bundestag
    FAQ
    Über 100 Seiten bekommt die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Freitag von der Wahlrechtskommission in die Hand. Aktuell spannend ist, ob das Bundestags-Verkleinerungsgesetz so bleiben kann, wie es ist, und ob wir vielleicht bald für fünf statt vier Jahre wählen.
    Für viele weitere Fragen wurden zumindest argumentative Grundsteine gesetzt. Die letzte Sitzung der Kommission schließt die Co-Vorsitzende mit vagen Hoffnungen: "Jetzt schauen wir mal, was aus den Themen noch wird."

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