Studie sieht Krebsgefahr: Auf Süßstoff besser verzichten?
FAQ
Krebsrisiko durch Aspartam:Auf Süßstoff komplett verzichten?
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Der Süßstoff Aspartam kann "möglicherweise krebserregend" sein. Das zeigt eine WHO-Studie. Trotzdem sieht die Organisation keinen Grund zur Sorge. Normaler Konsum sei ungefährlich.
Ein häufig in Softdrinks, Joghurt und Kaugummi eingesetzter Süßstoff kann laut einer neuen Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) unter Umständen Krebs auslösen. In den üblichen konsumierten Mengen dürfte er aber kein Problem darstellen.
Es geht um Aspartam, einen von elf in der EU zugelassenen Süßstoffen. Was über den Süßstoff bekannt ist:
Was ist Aspartam?
Aspartam ist ein synthetisch hergestellter kalorienarmer Süßstoff. Er ist laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) etwa 200 Mal süßer als Zucker.
Aspartam ist seit vielen Jahren für den menschlichen Verzehr zugelassen, etwa als Tafelsüßstoff oder in Lebensmitteln wie Erfrischungsgetränken, Kaugummi, Joghurt, Eis, Senf, Soßen, sowie in Zahnpasta, Hustensaft und manchen Vitamintabletten.
Der Süßstoff muss auf dem Etikett angegeben sein, entweder mit Namen oder seiner E-Nummer (E951). Aber wie viel davon im Produkt ist, erfahren Konsumenten in der Regel nicht.
Wer steckt hinter der neuen Einstufung?
Die neue Einstufung als "möglicherweise krebserregend" für Aspartam stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur WHO. Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift "The Lancet Oncology".
Sie sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).
Was bedeutet die Einstufung der IARC?
Die IARC beurteilt, ob eine Substanz generell bei Menschen Krebs verursachen könnte. Sie unterteilt untersuchte Stoffe in drei Kategorien: "möglicherweise krebserregend", "wahrscheinlich krebserregend" und "krebserregend".
Aspartam wurde erstmals untersucht und landete in der Kategorie "möglicherweise krebserregend", unter die auch 320 anderen Substanzen fallen.
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Krebsforscher glauben mehr denn je an einen Durchbruch:
Die IARC berücksichtigt aber nicht, wie viel ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben.
Deshalb ist es möglich, dass ein Stoff zwar als möglicherweise krebserzeugend eingestuft ist, die Menge, die ein Mensch üblicherweise etwa über Lebensmittel aufnimmt, aber so gering ist, dass das Risiko als vernachlässigbar gilt. Genau dies ist bei Aspartam der Fall.
Was sagt die WHO?
Sie macht anders als die IARC eine Risikoanalyse und berücksichtigt die konsumierte Menge. Sie hält die Studien, die die IARC heranzog, für nicht eindeutig genug. Deshalb hält sie den Verzehr im Rahmen ihrer bislang geltenden Tageshöchstempfehlungen für unbedenklich.
Nach Angaben von Fachleuten der IARC und der WHO ist die neue Klassifizierung aber ein Aufruf an die Wissenschaft. Es seien dringend mehr Studien nötig.
Wie viel Aspartam sollten Menschen täglich höchstens zu sich nehmen?
Die akzeptable Aufnahmemenge pro Tag (ADI) liegt laut EFSA und WHO bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Menge kann ein ganzes Leben lang ohne Bedenken eingenommen werden.
Frühstück: Müsli selbst machen; Fertigmüslis und Cerealien enthalten oft viel Zucker. Marmelade mit hohem Fruchtanteil wählen. Kaffee und Tee ohne Zucker trinken. Vorsicht bei Instant-Kaffeegetränken. Hier ist häufig viel Zucker zugefügt.
Tagsüber nur Wasser oder ungesüßte Tees trinken, auf Smoothies und Säfte verzichten oder mit viel Wasser verdünnen. Alternative: Wasser mit Beeren, Zitronen- oder Orangenabrieb, Ingwer oder Gurkenscheiben aromatisieren.
Hauptmahlzeiten: Möglichst selbst kochen, Meal-Prep statt Fast Food. Bei fertigen Salatsoßen unbedingt auf den Zuckergehalt achten.
Snack: Nüsse statt Schokolade, Kuchen & Co seltener und bewusst genießen.
Generell: Nicht auf Süßstoffe zurückgreifen, sondern die Süßschwelle senken. Das gelingt durch Einsatz von Gewürzen wie Vanille, Tonkabohne, Zimt, Koriander oder Rohkakao.
Um diesen Wert zu erreichen, müsste eine 70 Kilogramm schwere Person am Tag beispielsweise 9 bis 14 Dosen herkömmlicher Größe mit stark aspartamhaltigem Diät-Getränk trinken, rechnet die WHO vor.
Allerdings sind die Mengen Süßstoff je nach Getränk und Hersteller unterschiedlich. Coca-Cola Schweiz berichtete 2020, dass in der Schweiz Coca Cola Zero und Coca Cola light etwa 130 Milligramm Aspartam pro Liter enthielten. Davon könnte ein 70-Kilogramm-Mensch theoretisch dann am Tag mehr als 20 Liter trinken, ehe er an die empfohlene Höchstmenge stößt.
Sollte man Lebensmittel mit Aspartam künftig meiden?
Die WHO beruhigt: Dafür bestehe kein Anlass, solange man unter den täglichen Höchstmengen bleibe. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sagt, Aspartam sei eines der am besten untersuchten und von internationalen Expertengremien wiederholt bewerteten Süßungsmittel.
Das BfR hat auch keine Bedenken. Gleichwohl rät die WHO generell, sowohl Zucker als auch Süßstoffe zu reduzieren. Besser sei es, etwa mit Obst zu süßen.
Auch Experten warnen vor voreiligen Konsequenzen. "Es bleibt zu hoffen, dass die neue Einstufung besonnen aufgenommen wird und Konsumenten nicht dazu bringt, von Süßstoffen auf Zucker umzusteigen", sagt Dr. Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung an der Charité in Berlin. Es gebe keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. "Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar."
Wer im Supermarkt überlege, ob er Softdrinks mit Zucker oder mit Süßstoff kaufen soll, ziehe am besten eine dritte Variante in Betracht, empfiehlt Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung und Lebensmittelsicherheit: "Wasser trinken" - oder andere Getränke ohne Süßmittel.
Sind Süßungsmittel gesünder als konventioneller Zucker?
Zum Verhindern von Karies sind Süßungsmittel nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine gute Alternative zu Zucker. Schlank machten Süßungsmittel per se aber nicht. Bei ausgewogener Ernährung und Bewegung könnten sie aber beim Abnehmen helfen, da sie keine Energie lieferten.
Die WHO kam im Mai zu einem anderen Ergebnis. Sie riet davon ab, zuckerfreie Süßstoffe zur Gewichtskontrolle einzusetzen. Das helfe höchstens kurzfristig, um abzunehmen oder nicht weiter zuzunehmen.
Bei Erwachsenen erhöhe der langfristige Konsum nach Studien unter anderem das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu zuckerfreien Süßstoffen zählt die WHO alle synthetischen und natürlichen Süßstoffe, auch Produkte aus der Pflanze Stevia.