Nächster Abbruch in Süper Lig:Die Skandalgeschichte des türkischen Fußballs
Bestechung, Chaos, Gewalt: Der Fußball in der Türkei wird immer wieder von Skandalen erschüttert. Der jüngste Spielabbruch ist nur das neueste Kapitel.
Vor allem der brutale Angriff auf Schiedsrichter Halil Umut Meler sorgte im türkischen Fußball zuletzt für Entsetzen.
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"Ich kann das nicht mehr ertragen", tobte Ecmel Faik Sarialioglu und stürmte aufs Spielfeld. Weil der Schiedsrichter seinem Team von Istanbulspor einen angeblich klaren Elfmeter verweigert hatte,
befahl der Vereinspräsident seine Spieler aus Protest in die Kabine. Das Spiel Istanbulspor gegen Trabzonspor musste in der 73. Minute abgebrochen werden.
Vorfälle stürzen Süper Lig ins Chaos
Die türkische Süper Lig hat damit ihren nächsten Skandal. Und das am ersten Spieltag nach der Prügelattacke des Präsidenten von Ankaragücü auf den Schiedsrichter, worauf der türkische Fußballverband den
Spielbetrieb zeitweilig ausgesetzt hatte.
Nach dem Angriff auf einen Schiedsrichter in der Süper Lig ruhte der Ball in der Türkei komplett. 13.12.2023 | 0:35 min
Die Liga taumelt ins Chaos, nicht zum ersten Mal. Aktuell stehen die Schiedsrichter im Mittelpunkt. Am Montag vergangener Woche war Halil Umut Meler mit einem Jochbeinbruch ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der Unparteiische war durch einen
Faustschlag von Faruk Koca, Präsident des Klubs Ankaragücü, niedergestreckt worden, weil dieser seine Mannschaft von Meler benachteiligt sah.
Entsetzen nach Prügelattacke auf Schiedsrichter
Der Vorfall löste international Entsetzen und Kritik aus, Präsident
Recep Tayyip Erdogan meldete sich ebenfalls zu Wort und forderte Konsequenzen. Koca und andere Vorstandsmitglieder von Ankaragücü wurde daraufhin festgenommen,
Koca vom Fußballverband lebenslang gesperrt. Es ist das jüngste dunkle Kapitel in einer Geschichte des türkischen Fußballs, der viele solche Skandale kennt.
Nach dem Angriff auf einen Schiedsrichter wird in der Süper Lig gerade wieder gespielt, da kommt es direkt zum nächsten Zwischenfall. Wieder sorgt ein Klubchef für einen Abbruch.
Gewaltexzesse von Funktionären und Fans, verschobene Spiele, und immer wieder der Verdacht, dass die Verstrickung von Fußball, Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen verantwortlich ist für viel zu laxe Sanktionen. Es ändert sich nichts, seit Jahrzehnten schon, der türkische Fußball scheint nicht reformierbar.
Reformen werden zumeist im Keim erstickt
Beispiele dafür gibt es viele. Am bekanntesten wohl der große Bestechungsskandal von 2011, als Aziz Yildirim, damaliger Präsident des Rekordmeisters Fenerbahce Istanbul, festgenommen wurde, weil er angeblich die Meisterschaft verschoben hatte. Es sollen große Beträge geflossen sein, damit Sivasspor gegen Fenerbahce im letzten Spiel der Saison verliert und den Istanbulern die Meisterschaft sichert.
Im Laufe der Ermittlungen wurden zahlreiche Funktionäre und Spieler festgenommen, bei insgesamt 19 Spielen in der Saison 2010/2011 soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Zwar wurde Yildirim zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, musste diese aber wegen zahlreicher Berufungsklagen nicht absitzen. Geplante Reformen im Kampf gegen Bestechung und Unsportlichkeit im türkischen Fußball wurden abgeschwächt oder nie konsequent umgesetzt.
Immer wieder Gewalt im Fußballstadion
Und immer wieder geht es um Gewalt. Angriffe auf gegnerische Fans, Schiedsrichter oder Pressevertreter gab es unzählige. Wegen der Bestechungsvorwürfe stürmten im Sommer 2011 Fenerbahce-Fans die Pressetribüne und schlugen Journalisten krankenhausreif.
Die folgenden Spiele durften nur Frauen und Kinder ins Stadion, um eine friedliche Atmosphäre zu schaffen, was Testosteron-gesteuerten Fans und Funktionären offenbar regelmäßig schwerfällt. Immer wieder finden Spiele ganz ohne Zuschauer statt - oder Fans müssen bei Auswärtsspielen ihrer Mannschaft zuhause bleiben.
Eklats bleiben ohne Konsequenzen
Vor diesem Hintergrund kommt bei vielen schnell der Verdacht auf, dass Schiedsrichter bestochen wurden, um gegen die eigene Mannschaft zu pfeifen. Und nach dem Motto "Erst schlagen, dann fragen" entlädt sich der Frust in Prügelexzessen, wie kürzlich wieder im Falle des Präsidenten von Ankaragücü.
Nun also ein Spielabbruch, der sicher Folgen haben wird. Es wird Strafen geben, vielleicht wird der Spielbetrieb wieder zeitweise ausgesetzt. Und danach wird es weitergehen, so wie immer - als wäre nichts geschehen.