Die Spitzen der Ampel-Koalition - SPD, Grüne und FDP - wollen nicht nur einen Regierungswechsel vollziehen. Bundeskanzler Scholz will mehr Fortschritt wagen. Dass Olaf Scholz mit der SPD tatsächlich die Bundestagswahl gewinnen wird, hatte noch im Sommer kaum jemand für möglich gehalten.
Sommer 2021: In der Corona-Pandemie generiert der Finanzminister schier unglaubliche Summen. Deutschland kommt lange Zeit besser durch die Krise als andere Länder. Dafür wird auch die heilige Kuh der schwarzen Null geschlachtet. Er nutzt aber auch die Zeit, um die Finanzpolitik auf europäischer Ebene grundsätzlich zu verändern: Europa nimmt in der Pandemie gemeinsame Schulden auf und gibt Zuschüsse an bedürftige Staaten.
Zum Parteivorsitzenden wählte ihn die SPD nicht, Kanzlerkandidat wird er trotzdem. Seine Kür entspringt einem rationalen Kalkül. Scholz ist in Umfragen stets der beliebteste Politiker, und keiner sagt so deutlich: "Ich will Kanzler werden".
Auffällig im Unauffälligsein
Scholz' Stärke resultiert vor allem aus den Fehlern der anderen Kandidat*innen. Annalena Baerbock muss sich rechtfertigen für ihre Biografie und ein Buch, Armin Laschet für ein Lachen im Hochwassergebiet. "Auffällig unauffällig" könnte eine Überschrift sein, die Olaf Scholz und seinen Wahlkampf umschreibt.
Dazu passt sein wohl größter politischer Erfolg der letzten Monate: Jahrelang hat er als Finanzminister daran gearbeitet, dass es eine weltweite Mindeststeuer gibt. Anfang Juli 2021 ist das Ziel auf dem G20-Treffen in Venedig erreicht. Steueroasen sollen ausgetrocknet werden, Tech-Giganten wie facebook oder amazon können sich nicht mehr kleinrechnen.
Das Ringen um eine weltweite Mindeststeuer zeigt, wie das System Scholz funktioniert: beharrlich sein, Ausdauer zeigen, Tiefschläge bis zur Selbstverleugnung wegstecken. Und darauf bauen, dass man von der politischen Konkurrenz unterschätzt wird. Damit hat es Olaf Scholz geschafft, Bundeskanzler zu werden.