Paris 2024 und Barrierefreiheit: Problem ist die Metro

    100 Tage vor den Paralympics:Problem Metro: Wie barrierefrei ist Paris?

    von Lukas Nickel, Paris
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    Paris soll langfristig von den Sommerspielen profitieren und endlich barrierefrei werden. Ein Blick in den Stadtverkehr 100 Tage vor den Paralympics zeigt: Es ist kompliziert.

    Ein Rollstuhlfahrer nutzt eine Klappe um aus einer Metro in Paris auszusteigen
    Franck Maille nimmt Olympia 2024 zum Anlass, um auf die mangelhafte Barrierefreiheit in Paris aufmerksam zu machen. Insbesondere die Metro sei oftmals nicht barrierefrei.

    Zum Treffpunkt kommt Franck Maille gut 20 Minuten zu spät. Probleme mit dem öffentlichen Transport. Denn wer in Paris den Regionalzug RER mit dem Rollstuhl nehmen möchte, braucht eine Rampe, um hereinfahren zu können. Dafür aber muss erst einmal jemand der Verkehrsbetriebe ans Gleis kommen und die Rampe ausklappen. Das kann dauern.
    Maille nimmt die Verspätung sportlich. In Paris müsse man immer einen Plan A, B und auch C haben. Der 53-Jährige lebt seit über 20 Jahren in Paris, setzt sich für Rechte für Menschen mit Behinderung bei der Organisation APF France Handicap ein. Wie die Situation derzeit aussehe? "Es geht voran, aber sehr langsam", sagt Maille.
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    Olympische Spiele als "Booster" für Barrierefreiheit in Paris

    Im Sommer werden allein 350.000 Zuschauerinnen und Zuschauer mit Behinderung während der Olympischen und Paralympischen Spiele erwartet. Die Herausforderung ist groß, vor allem für die Verkehrsbetriebe. Um dieser gerecht zu werden, sei in letzter Zeit viel getan worden, erklärt Pierre Deniziot, Abgeordneter der Region Ile-de-France und Sonderbeauftragter für Behinderung und Barrierefreiheit. Die Spiele seien ein regelrechter "Booster".
    Deniziot verweist etwa auf ein Investitionsprogramm über 1,5 Milliarden Euro, um vor allem die RER-Bahnhöfe zugänglicher für Menschen mit Behinderung zu machen.

    Paris erwartet 4.000 Rollstuhlfahrer täglich

    Die Verkehrsbetriebe rechnen mit bis zu 4.000 Rollstuhlfahrern und Rollstuhlfahrerinnen täglich während der Sommerspiele.
    Damit diese leichter zu den Spielstätten kommen, werden Shuttlebusse an den großen Bahnhöfen in der Stadt zur Verfügung gestellt. Eine Fahrt muss mindestens zwei Tage vorher reserviert werden.
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    Auch Macron erkennt Rückstand in der Barrierefreiheit

    Auch viele Sportstätten seien angepasst worden. Und von dem angeschafften Material und den baulichen Maßnahmen könne auch noch nach den Spielen profitiert werden, so Deniziot weiter.
    Trotz dieser Fortschritte: Dass es einen Rückstand bei der Barrierefreiheit im Transport gibt, hat Mitte April sogar der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in einem TV-Interview beim französischen Nachrichtensender BFMTV zugegeben. Probleme bereitet dabei vor allem die Metro. Denn die wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, und da habe man noch nicht über Barrierefreiheit nachgedacht, erklärt Urbanismus-Forscher Chems Hacini von der Université Catholique de Lille.
    Gesamtansicht der Gebäude des Olympischen Dorfes Paris 2024 am Tag seiner Einweihung in Saint-Denis im Norden von Paris.
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    Für teuren Metro-Umbau in Paris fehlt der Wille

    Jetzt auch noch die Metro umzurüsten, würde viel Geld kosten. Doch dafür fehle der Wille, so der Forscher. Auch wenn es Fortschritte beim RER und den Bussen gebe, innerhalb von Paris bewege man sich vor allem mit der Metro fort. Und die ist fast gar nicht barrierefrei - bisher ist das nur die neue Linie 14.
    Was auch nicht vergessen werden darf: Viele Behinderungen sind nicht sichtbar, und trotzdem brauchen die Menschen Unterstützung beim Weg zur Bahn oder bei der Orientierung in den teilweise sehr weitläufigen Stationen. Außerdem kommen bei einer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen hinzu, die auf Hilfe angewiesen sind. Ein weiteres Problem: Junge Familien haben mit ihren Kinderwägen ohnehin kaum die Möglichkeit, die Metro zu nehmen.

    Bei Rollstuhlfahrer Maille macht sich Frust breit

    Wenn Franck Maille durch Paris fährt, muss er immer mindestens zwei, eher drei Mal mehr Zeit einplanen als jemand, der nicht im Rollstuhl sitzt. All das frustriere ihn schon, gibt er zu, wenn auch erst auf Nachfrage:

    Wir müssen uns immer an die Situation anpassen. Aber die Situation soll sich auch mal an uns anpassen.

    Franck Maille

    1988 hat er selbst an den Paralympics teilgenommen. In Seoul, beim Schwimmen. Auch diesen Sommer wird er sich wohl zumindest einen Wettkampf ansehen. Und zuversichtlich bleiben will er ohnehin, trotz der Kritik. Es sei auch nicht alles schlecht: "Die Olympischen Spiele können ein Zeichen sein. Dass wir vielleicht anders sind, aber auch, dass wir Sportler sind - und Menschen."

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