Schmetterlingskrankheit: Wenn sich die Haut überall ablöst
Seltene Schmetterlingskrankheit:Haut, so empfindlich wie Schmetterlingsflügel
von Andrea Schuler
|
Schon kleinste Verletzungen führen zu Blasen auf der Haut. Wunden und starke Schmerzen sind die Folge. Eine junge Frau erzählt, wie sie mit der Schmetterlingskrankheit lebt.
Bei der Schmetterlingskrankheit ist der Körper übersät mit Wunden und Blasen.
Quelle: Imago
Die 23-jährige Studentin Clara Ziegler hat die Schmetterlingskrankheit. Hinter dem poetisch klingenden Namen verbirgt sich eine äußerst schmerzhafte Hauterkrankung. Claras ganzer Körper ist übersät mit Wunden und Blasen. Ein Zustand, der für sie alltäglich ist.
Auch Klamotten könnten reiben oder die Laken beim Schlafen, erklärt Ziegler. Oder sie entstünden durchs viele Laufen zum Beispiel. "Aber manchmal hab' ich auch Blasen, wo man gar nicht weiß, woher die jetzt kommen", erklärt die 23-Jährige.
Clara hat Epidermolysis bullosa. Ihre Haut ist extrem verletzlich. Hier erzählt sie, wie sie ihr Leben mit der schweren Erkrankung meistert.21.02.2023 | 5:07 min
Schmetterlingskrankheit: Selten und genetisch bedingt
Der Begriff Schmetterlingskrankheit ist ein Synonym für Epidermolysis bullosa, kurz EB. Übersetzt bedeutet das "blasenförmige Ablösung der Haut". Es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung der Haut. Laut Schätzungen leben bis zu 5.000 Betroffene in Deutschland.
Epidermolysis bullosa
Ursache der Epidermolysis bullosa (EB) sind Mutationen an den Genen, die im Körper für die Eiweißbildung zuständig sind. Dadurch ist die Zellfunktion gestört, die dafür sorgt, dass die drei Hautschichten, also die Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut, fest miteinander verbunden sind. Bei Betroffenen kann sich deshalb durch Druck oder Berührung die Oberhaut von den unteren Hautschichten ablösen. Es entstehen Hohlräume, die sich mit Körperflüssigkeit füllen, wodurch sich Blasen und Wunden bilden.
Die Erkrankung wird von den Eltern vererbt. Bei der dominanten Variante gibt es bereits Betroffene in der Familie. Meist ist das ein Elternteil. Bei der rezessiven Variante tritt die Erkrankung für die Betroffenen in der Regel überraschend auf. So wie in Claras Fall. Ihre Eltern sind beide zufällig Träger des mutierten Gens, haben aber keine Symptome. Sie wussten nicht, dass gemeinsame Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken würden.
Es gibt verschiedene Subtypen der Epidermolysis bullosa. Bei den leichteren Formen heilen die Blasen ohne dauernde Schädigung ab. Den Betroffenen merkt man die Erkrankung oft gar nicht an. Bei den schwereren Formen kommt es, ähnlich wie bei Verbrennungen, zu starker Narbenbildung. Diese Narben sowie die ständige Neubildung von Blasen und offenen Wunden führen auf Dauer zu erheblichen Funktionsstörungen.
Wunden überall am Körper - und an inneren Schleimhäuten
So ist es auch bei Clara Ziegler. Ihre Haut am ganzen Körper ist betroffen, auch die inneren Schleimhäute der Augen, in Mund und Speiseröhre. Immer wieder bilden sich neue Blasen. Die Studentin hat Probleme beim Schlucken.
Medikamente kann sie nur als Pulver oder in flüssiger Form einnehmen. Essen kann sie nur sehr weich gekochte Speisen oder Suppen, Breie und Püriertes. Auch ihre Hände und Zehen sind betroffen.
Die 23-Jährige lebt im Haus ihrer Eltern. Sie studiert Kommunikationsdesign im Fernstudium. Eine eigene Wohnung oder ein Studium in Präsenz sind nicht möglich, denn sie hat Pflegegrad 5 und braucht täglich Unterstützung: Beim Waschen und Ankleiden, bei der Zubereitung der Nahrung, auch beim Treppensteigen.
Epidermolysis bullosa bisher nicht heilbar
Die EB ist bislang nicht heilbar. Starke Schmerzmittel, zum Beispiel Morphin, sowie eine gute Wundversorgung machen das Leben für die Betroffenen erträglicher.
Eine Krankenschwester helfe beim Verbandswechsel, "sonst würde es noch länger dauern", erklärt Clara Ziegler.
Gesellschaftliches Verständnis für Hauterkrankung fehlt
Die Lebenserwartung ist vom jeweiligen Subtyp der Erkrankung abhängig. Zwei Drittel der Betroffenen mit EB haben eine normale Lebenserwartung, während bei sehr schweren Verlaufsformen die Erkrankung lebensverkürzend sein kann. Doch neuere Forschungsansätze machen Hoffnung.
20.12.2018 | 9:26 min
Einem Expertenteam aus Deutschland, Österreich und Italien ist es 2017 gelungen, einem schwer betroffenen Jungen Stammzellen zu entnehmen, diese genetisch zu verändern und im Labor neu zu züchten. Bei dem Jungen waren bereits 60 Prozent der Hautoberfläche wund und von Bakterien infiziert. Die Haut löste sich ab.
Die Wissenschaftler entnahmen ein kleines, noch intaktes Hautareal und schleusten in einem aufwändigen Laborverfahren gesunde Zellen dort hinein. Anschließend züchteten sie aus dieser kleinen, genetisch umgewandelten Probe gesunde Hautareale. Diese wurde großflächig auf den Körper des Kindes transplantiert.
Seither bilden sich dort keine Blasen und Wunden mehr. Die Behandlung wurde im Rahmen eines individuellen Heilversuchs durchgeführt. Bisher ein Einzelfall, doch das Ergebnis macht Hoffnung auf zukünftige Therapien.
Claras Anblick löst bei anderen Menschen oft Befremden, Mitleid oder sogar Ängste aus. Sie fürchten, die Wunden seien ansteckend oder vermuten, die Hauterkrankung sei ein Zeichen mangelnder Hygiene.
Betroffene will über Schmetterlingskrankheit aufklären
"Wenn ich rausgehe, spüre ich natürlich die Blicke, wenn die Menschen mich anschauen", sagt die 23-Jährige.
Clara Ziegler möchte über die Schmetterlingskrankheit aufklären. In ihrem Instagram-Kanal berichtet sie regelmäßig von ihrem Alltag, um Berührungsängste und Vorurteile abzubauen: "Ich wünsche mir, dass die Menschen mit ehrlichem Interesse auf mich zugehen und mich persönlich fragen, was ich habe, anstatt sich die wildesten Spekulationen auszudenken."