Kreatin: Lohnt sich der Hype um das Nahrungsergänzungsmittel
Hype um Nahrungsergänzungsmittel:Warum die Einnahme von Kreatin boomt
von Markus Böhle
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Für mehr Muskeln und Kraft ergänzen manche Leistungssportler ihre Nahrung mit Kreatin. Nun bewerben Influencer das Pulver für jedermann. Was bringt das Nahrungsergänzungsmittel?
Im Internet wird Kreatin gehypt. Präparate sind relativ günstig, eine Wirksamkeit durch Studien belegt. Doch sie helfen nur unter bestimmten Voraussetzungen.02.05.2024 | 4:27 min
Supplements im Sportbereich sind ein großer Markt. Neben Proteinen oder Aminosäuren steht auch Kreatin hoch im Kurs. Das weiße Pulver wird als "Must-Have für jeden", als "Booster für die Muskeln" oder "Game-Changer" für sportliche Leistung beworben. In Videos zeigen Fitness-Influencer dazu ihre Muskeln. Experten sehen den Trend kritisch.
Kreatin als wichtiger Brennstoff für die Muskeln
Kreatin ist eine organische Substanz. Gespeichert wird sie vor allem in der Skelettmuskulatur und hilft dort, umgewandelt in Kreatinphosphat, bei der Energiegewinnung.
Wie Kreatin zur Muskelarbeit beiträgt, sei gut erforscht, sagt Anja Carlsohn, Sprecherin der Arbeitsgruppe Sporternährung von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE). Wie ein Brennstoff helfe es vor allem dabei, viel Energie in kurzer Zeit bereitzustellen.
Ist der Vorrat an Kreatin erschöpft, stellt der Körper auf andere Energieträger wie Kohlenhydrate oder Fette um. Die liefern zwar weniger, aber länger Energie. Wer Kreatin supplementiert, will die Kreatin-Speicher ganz auffüllen, um noch etwas länger von der Energiequelle zu profitieren.
Der Körper eines Erwachsenen enthält etwa 120 bis 150 Gramm Kreatin. Der Körper bildet es mit Hilfe von Aminosäuren selbst, etwa ein bis zwei Gramm täglich. Zusätzliches Kreatin kann über die Nahrung aufgenommen werden. Es steckt vor allem in Fleisch und Fisch. 200 Gramm davon enthalten etwa ein Gramm Kreatin. In Milch sind nur geringe Mengen, in Obst und Gemüse höchstens Spuren von Kreatin enthalten.
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Wem nützt Kreatin als Nahrungsergänzungsmittel?
Da der Körper Kreatin ausreichend selbst bildet und bei Mischkost noch um weiteres ergänzt wird, sei eine Supplementierung für die Allgemeinbevölkerung nach derzeitigem Wissen weder nötig noch sinnvoll, erklärt Carlsohn. Bei leistungsorientiert Sporttreibenden, die hart trainieren, könne dies anders sein, so die Expertin weiter.
Studien belegen einen möglichen Leistungszuwachs im Bereich Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer. Auch die Regeneration könne etwas verbessert werden. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Die Wirkung hängt ab vom Alter, der Sportart, dem Fitnesslevel, der Dosis und weiteren Faktoren. Wer sich vegetarisch ernährt, kann tendenziell stärker profitieren.
Nur bei intensivem Krafttraining, zum Beispiel drei Mal pro Woche über mehrere Wochen, kann es gelingen, die Muskelkraft durch Kreatin zusätzlich zu steigern.
Es gibt aber auch sogenannte Non-Responder, also Personen, denen die zusätzliche Einnahme von Kreatin nichts bringt.
Bei Disziplinen, in denen Maximalkraft und Schnellkraft entscheidend sind, zum Beispiel Gewichtheben, Kugelstoßen und Sprint, ist eine Leistungssteigerung eher möglich. In Team- und Ballsportarten allenfalls indirekt, zum Beispiel beim Training wiederkehrender Sprints und Wurfkraft. Beim Langstreckenlauf wären Vorteile höchstens im Schlussspurt denkbar, weiß Ernährungswissenschaftlerin Anja Carlsohn.
In Studien konnte belegt werden, dass die Kreatin-Speicher durch folgende Behandlungsschemata aufgefüllt werden: Fünf Tage je 20 Gramm Kreatin oder 30 Tage je drei bis fünf Gramm. Allgemein werden eher geringe Dosierungen empfohlen.
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Worauf man beim Kauf achten sollte
Kreatin gibt es in verschiedenen Formen. Viele Präparate bringen nach derzeitigem Wissen keinen Vorteil, möglicherweise aber Risiken. Gut erforscht ist nur Kreatin-Monohydrat. Aber Vorsicht: Viele in Asien produzierte Präparate sind gestreckt oder verunreinigt. Einige enthalten Substanzen, die - anders als Kreatin - auf der Doping-Liste stehen. Die Kölner Liste bietet Sportlern eine Orientierung auf dem intransparenten Markt.
Kreatin nicht für jeden geeignet
Vor der Einnahme wird eine ärztliche Rücksprache empfohlen. Wer zum Beispiel Probleme mit den Nieren hat, dem wird davon abgeraten. Kreatin wird über die Nieren ausgeschieden, was sie zusätzlich belasten kann. Zur Einnahme in der Schwangerschaft und Stillzeit gibt es kaum Untersuchungen. Kindern wird grundsätzlich von Nahrungsergänzungsmitteln abgeraten.
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Nebenwirkungen selten, aber möglich
Nebenwirkungen bei Sporttreibenden sind selten und treten eher bei hohen Dosierungen auf. Möglich sind dann beispielsweise Magen-Darm-Probleme oder Muskelkrämpfe. Häufiger beobachtet wird eine Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen in den Muskeln. Im Kraftsport sei das teils erwünscht, bei vielen anderen Sporttreibenden aber unerwünscht oder nachteilig, so Carlsohn.
Noch gibt es keine Langzeituntersuchungen über mehr als fünf Jahre. Um die körpereigene Synthese nicht herunterzufahren, rät die Ernährungswissenschaftlerin zu Einnahmepausen, also zu keiner dauerhaften Supplementierung mit Kreatin.
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