Gendern ohne Umerziehung und Sprachpolizei | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Gendern: Weder Umerziehung noch Sprachpolizei

    von Henning Lobin
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    Das Gendern erregt alle, auch in der Sprachwissenschaft ist man sich nicht einig. Aber "abschaffen" lassen sich Gendersternchen und Co nicht. Was in dem Streit helfen könnte.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Henning Lobin

    Ärgert Sie das Gendern auch so sehr? Stören Sie auch die Sterne und die Doppelpunkte, die mitten im Wort erscheinen? Und halten Sie auch die Doppelnennung wie in "Bürgerinnen und Bürger" und Umschreibungen wie "Radfahrende" für überflüssig und gestelzt? Dann heiße ich Sie herzlich willkommen mitten in der Auseinandersetzung zur geschlechtergerechten Sprache!

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Aber halt: Warum regen Sie sich so darüber auf? Weil sich etwas verändert? Bestimmt nicht, denn andere Dinge ändern sich ja auch. Weil Sie das Gefühl haben, dass Sie jemand umerziehen will? Das vielleicht schon eher, denn die, die diesen Sprachgebrauch befürworten, wollen tatsächlich eine Änderung herbeiführen. Eine Präzisierung nämlich in der Bezeichnung von Personen, um in der Sprache die Änderungen nachzuzeichnen, die sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft vollzogen haben.
    Gendern – wie geht das?
    Die verschieden Formen der gendergerechten Sprache sind verwirrend und irritierend. Terra Xplore zeigt eine gerechte Lösung, bei der wir das Gendern einfach weglassen - zugegeben die Lösung klingt absurd, aber originell.11.01.2022 | 14:19 min

    Sprache als Uhrwerk oder Gewässer

    Das Thema spaltet nicht nur die Gesellschaft - auch in der Sprachwissenschaft prallen die Auffassungen aufeinander. Die einen sehen die Sprache als ein System an, das fein wie ein Uhrwerk austariert ist und uns nur dann zu den kommunikativen Leistungen befähigt, die wir benötigen. Gendern ist nach dieser Auffassung so, als ob jemand mit einem Schraubenzieher grob einzelne Rädchen in dieser Mechanik verbiegt - und am Ende ist das ganze Uhrwerk dahin.
    Die anderen verstehen die Sprache eher als ein Gewässer, das sich den Umgebungsbedingungen anpasst und sich einen neuen Verlauf sucht, wenn am Ufer irgendwo ein Durchbruch entsteht. Das ist die Perspektive des Sprachgebrauchs, und das Gendern ist ein neuer Kanal, der von einigen gegraben wird.
    moma duell: Gendern - ja oder nein?
    Ist es richtig, zu gendern? Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) hält das für wichtig, Bundestagsabgeordneter Philipp Amthor (CDU) spricht sich dagegen aus.07.09.2023 | 10:16 min

    Folgt Sprache einem System oder umgekehrt?

    Die einen sagen, das System bestimmt den Sprachgebrauch, dieser unterliegt den Regeln des Sprachsystems - und so soll es auch bleiben. Die anderen sind der Auffassung, dass der Sprachgebrauch das System erst nach und nach hervorbringt, die grammatischen Regeln also eher Sedimente des Sprachgebrauchs sind als deren Grundlage.
    Und wer hat nun recht? Ich würde sagen, dass beide Sichtweisen zusammengreifen, Regeln also durchaus existieren, sich aber nach und nach im Gebrauch ändern.
    Gert Scobel
    Sprache ist ein wichtiges gesellschaftliches Mittel. Das wusste schon der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein. Trotzdem scheiden sich am Gendern die Geister. Gert Scobel klärt auf.07.01.2021 | 9:16 min

    Rechtschreibrat entscheidet nur über Rechtschreibung

    Die öffentliche Debatte zum Gendern kennt nur noch Schwarz und Weiß. Umerziehung aber will niemand und eine Anti-Gendern-Sprachpolizei auch nicht. Gerade wurden in Hessen und zuvor in Hamburg Volksinitiativen initiiert, die das ganze Dilemma zeigen: Genderzeichen sollen in der Verwaltung verboten werden, aber auch Doppelformen, Partizipien und weiteres.
    In der Wahlbenachrichtigung steht also nur noch "Liebe Wähler", was meine 93-jährige Mutter genauso ärgern dürfte, wie in den 50-er Jahren als "Fräulein" angesprochen worden zu sein. Und was soll mit den armen "Erstgebärenden" und "Vorsitzenden" geschehen? Die Initiative beruft sich mit ihren Forderungen auf den Rat für deutsche Rechtschreibung. Der entscheidet jedoch nur über Rechtschreibung. Zu Wortwahl, grammatischen Konstruktionen und sprachlichem Stil findet man dort nichts.
    Auf dem Bild ist ein offenes Buch zu sehen und im Hintergrund ein Schüler.
    Das Gendern innerhalb der Rechtschreibung sorgt für heftige Debatten. In Sachsen-Anhalt werden jetzt Genderzeichen an weiterführenden Schulen als Rechtschreibfehler gewertet.31.08.2023 | 2:01 min

    Duden kann Streit nicht entscheiden

    Die Debatte ist inzwischen zu einer grundsätzlichen geworden. Was müssen wir ertragen, wieviel Toleranz müssen wir aufbringen, Gendergegner wie Genderbefürworterinnen? Eine klärende Instanz gibt es allenfalls in der Rechtschreibung für die Genderzeichen.
    Doch der Rechtschreibrat hat festgestellt, dass diese zwar nicht zum Kernbestand der Orthografie gehören, aber doch zur Gruppe der Sonderzeichen, deren Gebrauch nicht einfach regellos oder falsch ist. Eine amtliche Grammatik, ein amtliches Wörterbuch gibt es für das Deutsche nicht, die Duden-Reihe erscheint in einem privaten Verlag, der keine Normierungskompetenz besitzt.
    Duden-Chefredakteurin Kunkel-Razum schaut in den Duden
    Auch der Duden ist bei der Genderfrage in die Schusslinie geraten. Hier erzählt die Chefredakteurin, warum sie empörte Briefen und Hassmails bekommt. 18.03.2021 | 13:05 min

    Versuchen wir’s mit Toleranz

    Das einzige, was uns in dieser Lage weiterhilft, ist, einen Schritt zurückzutreten, tief Luft zu holen und sich in gegenseitiger Toleranz zu üben: Du genderst? Mir gefällt das nicht, aber ich akzeptiere, dass Du damit Respekt ausdrücken willst. Du genderst nicht? Das finde ich nicht richtig, aber es ist gut, dass Du Dich um die Integrität der Sprache sorgst. Du machst es mal so oder so? Du bist nicht inkonsequent, sondern stellst Dich auf Dein Gegenüber ein.
    Und mit denjenigen, die auf der ganz linken oder der ganz rechten Seite des politischen Spektrums versuchen, dieses Thema für völlig andere Ziele zu instrumentalisieren, wollen wir bitteschön nichts zu tun haben.

    ... ist Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität und Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung. Über die Sprache kann er immer wieder staunen, aber auch darüber, für was sie alles herhalten muss.

    Fotocollage: Ein Männer- und ein Frauenkopf getrennt durch einen Papieriss, links auf einer Wand als Graffiti die Symbole für männlich und weiblcih sowie ein Genderstern.
    Gendern, kulturelle Aneignung, Veganismus. Und die Sorge, nicht mehr frei sprechen zu können.17.09.2023 | 26:19 min

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