Sanieren ohne Zerstörung: Denkmal Plattenbau?

    Sanieren ohne Zerstörung:Denkmal Plattenbau?

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    Erst Inbegriff der DDR-Moderne, dann architektonische Tristesse: Jetzt werden immer mehr Plattenbauten unter Denkmalschutz gestellt. Bleibt dabei die Sanierung auf der Strecke?

    "ZDF-History: Mythen der Gegenwart – Von der Platte bis zur Autobahn": Eine junge Frau und ein junger Mann, der ein kleines Mädchen auf dem Arm hält, stehen vor einem Plattenbau in Ostberlin 1963. Sie schauen an der Fassade nach oben, die mit DDR-Fahnen geschmückt ist.
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    So richtig verstehen will Angela Langwald das Schreiben noch nicht, das ihrer Wohnungsbaugenossenschaft jüngst ins Haus flatterte. Sechs Millionen Euro waren für die Sanierung von 150 Wohnungen in Gera eingeplant. Ein Außenaufzug, Südbalkons, moderne Grundrisse, solche Dinge.
    Doch seit Anfang des Jahres stehen die beiden Häuser in der thüringischen Stadt unter Denkmalschutz. Eines davon sei ein Rundbau, das sei noch eher verständlich, so die Chefin der Genossenschaft. Aber das angrenzende Haus? "Das ist eine typisch graue Waschbetonplatte. Wir wollten sie eigentlich anmalen. Aber jetzt bleibt sie so."

    Großer Sanierungsbedarf

    Alleine zwischen 1970 und 1990 sind auf dem Gebiet der ehemaligen DDR laut Statistischem Bundesamt 1,9 Millionen Wohnungen neu gebaut worden. Der Großteil davon in typisierter Plattenbauweise in großen Wohnsiedlungen an den Stadträndern. Die Platte erfreute sich damals großer Beliebtheit. Heute sind viele Wohnungen nicht mehr auf der Höhe der Zeit und - wenn nicht schon passiert - sanierungsbedürftig.
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    Für Denkmalschützer bedeutet das auch: Der Originalbestand, der auch Zeugnis der DDR-Alltagskultur ist, droht zu verschwinden. In den vergangenen Jahren sind daher immer wieder Wohnkomplexe oder Gebäude in Plattenbauweise unter Denkmalschutz gestellt worden: in Rostock etwa ein Terrassenhaus, eine Hochhaussiedlung in Neubrandenburg, ein Eckhaus in Bernau bei Berlin und andere.

    Original-Platte ist selten geworden

    Dass industrialisierte Alltagsarchitektur aus DDR-Zeiten unter Denkmalschutz gestellt wird, ist zwar kein neues Phänomen, wie der Bauhistoriker Mark Escherich erklärt. Der zweite Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee in Berlin sei etwa schon 1990 - damals noch auf DDR-Initiative - als Ensemble unter Schutz gestellt worden.
    junger Mann sitzt auf einer Tischtennisplatte, im Hintergrund sieht man die Fassade der langen Lene.
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    Nach der Wende hätten sich die Denkmalschützer aber zunächst auf die Rettung der Altstädte fokussiert. Lange Zeit seien nur ikonische Bauwerke aus der Nachkriegszeit in die Denkmallisten eingetragen worden. Aber jetzt sei eine Verknappung an Plattenbauten im Originalzustand eingetreten.

    Jetzt geht es um die letzten Exemplare.

    Mark Escherich, Bauhistoriker

    Kritischer sieht das Frank Emrich, der Geschäftsführer des Verbands Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Er könne verstehen, dass man historische Entwicklungen für künftige Generationen sichtbar machen wolle.

    Es gibt auch Fassadengestaltungen, die das wirklich wert sind.

    Frank Emrich, Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

    Ein Beispiel sei eine Giebelfassade mit einer aufgehenden Sonne in Gera. Insgesamt stünden etwa fünf Prozent der 265.000 Wohnungen, für die der Verband steht, unter Denkmalschutz.

    Wärmedämmung und Denkmalschutz - geht das?

    Emrich spricht von einem Zielkonflikt: zum einen werde Klimaneutralität gefordert, energetische Sanierungen, Wärmedämmung, Barrierefreiheit und vieles mehr. "Aber wie sollen wir das machen, wenn jetzt auch noch der Denkmalschutz kommt?" Am Ende litten auch die Mieter, wenn sie etwa höhere Heizkosten als eigentlich nötig bezahlen müssten.
    Nahaufnahme des Goethe-Schiller-Denkmals
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    Denkmalpfleger Escherich möchte solche Bedenken ein Stück weit ausräumen. Eine äußere Wärmedämmung sei oft noch machbar, sofern die Außenansicht nicht zu sehr leide. In seltenen Fällen gehe es um Einzeldenkmale, bei denen auch die Innengestaltung unter Schutz steht.
    Auch bei den beiden Wohnblöcken in Gera, die eigentlich saniert werden sollten, geht es laut Landesdenkmalamt vor allem um die Außenansichten. Ein Innenaufzug sei denkbar, veränderte Grundrisse - bis auf in einer Musterwohnung - auch. Den plant nun auch die Genossenschaft vor Ort. Wärmedämmung sei ohnehin kein Thema, weil die Platten noch eine gute Kerndämmung hätten, so Chefin Langwald.
    Aber in Städten wie Gera, wo alles andere als Wohnungsnot herrscht, gehe es auch um Wohnkomfort. Schon jetzt stehe die Hälfte der Wohnungen leer. "Wenn wir gar nichts machen, haben wir ein leeres Denkmal da stehen."
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    Quelle: dpa
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