Experte im Interview: Versehentlich Trimetazidin, geht das?

    Interview mit Doping-Experten:Versehentlich Trimetazidin, geht das?

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    Chinesische Schwimmer sollen in einem Hotel aus Versehen Trimetazidin zu sich genommen haben. Hintergründe zu der Substanz erläutert der Kölner Doping-Analytiker Mario Thevis.

    Dopingkontrolllabor der Sporthochschule Köln am 16.08.2019: Laborleiter Prof. Mario Thevis blickt auf Proberöhrchen.
    Prof. Mario Thevis, Leiter des Dopingkontrolllabors der Sporthochschule Köln (Archivbild).
    Quelle: Imago / Funke Foto Services

    Das Herzmedikament Trimetazidin macht aktuell wieder als potenzielles Dopingmittel Schlagzeilen. 23 chinesische Schwimmer sind damit nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion und der "New York Times" im Vorfeld der Olympischen Spiele von Tokio 2021 aufgefallen.
    Die Chinesische Anti-Doping-Agentur Chinada begründete die positiven Proben mit einer unabsichtlichen Kontamination über das Essen aus einer Hotelküche. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada akzeptierte diese Begründung und verzichtete auf Sanktionen.
    Trimetazidin war auch in einer Probe der russischen Eiskunstläuferin Kamilla Walijewa nachgewiesen worden, das wurde während der Olympischen Winterspiele 2022 bekannt. Sie verlor später rückwirkend ihren EM-Titel und den Team-Olympiasieg und wurde für vier Jahre gesperrt.

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    ZDFheute: Was ist Trimetazidin für ein Medikament? Wie wirkt es und wem hilft es?
    Prof. Mario Thevis: Trimetazidin ist ein Wirkstoff, der in verschiedenen Ländern in Form eines verschreibungspflichtigen Medikaments, beispielsweise bei Angina pectoris zum Einsatz kommt. Es beeinflusst das Verhältnis der Nutzung von Fettsäuren, beziehungsweise Glukose, als Energieträger und kann so in Sauerstoff-Mangelsituationen eine verbesserte zelluläre Energieversorgung ermöglichen.
    ZDFheute: Wie ist Trimetazidin als Dopingmittel einzuordnen?
    Thevis: Die Substanz ist aufgrund der Einflussnahme auf Stoffwechselwege im menschlichen Organismus als metabolischer Modulator durch die Welt-Anti-Doping-Agentur als verboten eingestuft worden und ist damit zu jedem Zeitpunkt, das heißt sowohl im Wettkampf, als auch außerhalb der Wettkampfzeiten, verboten.

    ... ist Chemiker und Sportwissenschaftler. Er ist Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln und des dort integrierten Akkreditierten Labors für Dopinganalytik.

    Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Entwicklung neuer Nachweisverfahren für die Dopinganalytik.

    ZDFheute: Müssen die Athleten keine Nebenwirkungen fürchten?
    Thevis: Wie bei den allermeisten Medikamenten ist auch bei der Einnahme von Trimetazidin mit Risiken von Nebenwirkungen zu rechnen, zu denen in der Literatur unter anderem reversible Parkinson-ähnliche Symptome genannt werden.
    ZDFheute: Wie häufig finden Sie Trimetazidin in Dopingproben von Spitzenathleten?
    Thevis: 2014 wurde erstmals Trimetazidin in Dopingkontrollproben erfasst, und im Laufe des Jahres wurden 18 Funde dokumentiert. Bis 2019 wurde eine stetige Abnahme an Trimetazidin-Funden festgestellt, worauf im Jahr 2021 dann 37 und im Jahr 2022 18 Funde gemeldet wurden. Es handelt sich somit weder um eine sehr häufig, noch um eine sehr selten vorgefundene Substanz.
    ZDFheute: Ist es einfach nachzuweisen?
    Thevis: Ja, vergleichsweise schon. Mit modernen analytischen Geräten, wie sie in weltweit akkreditierten Anti-Doping-Laboratorien zum Einsatz kommen, ist Trimetazidin auch in geringen Mengen gut detektierbar.
    ZDFheute: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es über eine Kontamination unabsichtlich in den Körper gelangt?
    Thevis: Soweit mir bekannt ist, wurden in der Vergangenheit in zwei Fällen Nahrungsergänzungsmittel als Kontaminationsquellen bei positiven Befunden mit Trimetazidin bei Dopingkontrollen nachgewiesen. Kontaminationen mit anderen Substanzen wie zum Beispiel anabolen Wirkstoffen, Stimulanzien oder Diuretika sind dagegen bereits deutlich häufiger genannt und als Erklärung für analytische Funde akzeptiert worden.

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    ZDFheute: Lässt sich in Tests feststellen, ob Trimetazidin schon länger, regelmäßig oder nur einmal eingenommen wurde?
    Thevis: Dies ist mit die schwierigste Aufgabe und Fragestellung in der Dopinganalytik. Hilfreich ist hier insbesondere die regelmäßige Testung von Athletinnen und Athleten, wodurch eine Unterscheidung von Kontaminations- beziehungsweise Dopingszenarien deutlich unterstützt wird. Anhand einer einzelnen Probe nach einer längeren Zeitspanne ohne Dopingkontrolle ist eine Einordnung hinsichtlich eines Einnahmezeitpunkts sowie einer Einnahmemenge sehr schwierig. Eventuell könnten zusätzliche Tests wie beispielsweise Haaranalysen weitere Informationen zur Klärung liefern, aber auch hier ist die Datenlage noch begrenzt.
    Das Gespräch führte Susanne Rohlfing.
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