Software im Auto: Wo deutsche Hersteller umdenken müssen
Analyse
Erinnerungen an Nokia:Deutsche Autoindustrie "erlebt iPhone-Moment"
von Lothar Becker
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Deutschlands Autobauer kämpfen um den Anschluss in Schlüsseltechnologien des E-Autos. Vorstände und Politik haben vor Jahren die Zeichen der Zeit verkannt. Jetzt geht es ums Ganze.
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In China haben renommierte E-Auto-Hersteller in diesem Jahr Tausende Software-Ingenieure eingestellt, um ihre Autos und deren Steuerung bis hin zum autonomen Fahren weiterzuentwickeln - in Hochgeschwindigkeit. Traditionelle Autobauer kämpfen eher um den Anschluss, als dass sie in dem Bereich vorne mit dabei wären. Der Grund: Zu lange hielten Vorstände und Verbände die E-Mobilität für nicht zukunftsfähig - ein Kardinalfehler.
Neue Wege waren nicht vorgesehen
Aus der Annahme, als Technologieführer unerreichbar für eine etwaige Konkurrenz zu sein, entstanden brancheninterne Abhängigkeiten zwischen Herstellern und Zuliefererbetrieben. Über Dekaden entstanden Strukturen, die Abläufe abseits gewohnter Produkte und Geschäftsbeziehungen schlicht nie vorgesehen haben. Doch ausgerechnet solche neuen Wege müssen die deutschen Automobilmarken nun beschreiten, um konkurrenzfähige Elektroautos bauen zu können.
Die EU-Kommission will die europäische Autoindustrie stärken und stützen im Wettbewerb mit Hauptkonkurrent China.28.11.2024 | 2:36 min
"Die Fehler der traditionellen Autohersteller, die zeigen sich vor allem in der Kleinteiligkeit des Autoaufbaus", sagt Tanjeff Schadt, Partner und Softwareexperte bei den Strategieberatern von Strategy& in München.
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Experte: Strukturelle und hausgemachte Probleme
In klassischen Verbrenner-Autos sind Elektronik-Steuergeräte verteilt über das ganze Fahrzeug - insgesamt 150 Steuergeräte und mehr, meist zugekauft von Lieferanten der Bauteile. Dabei bedient jeder Zulieferer mit seinem Steuergerät eine andere Funktion im Auto.
"Es gibt jemanden, der liefert ein Airbag-Steuergerät, der andere liefert eine Getriebe-Box-Steuerung." Das sei nicht etwa aus einer Not entstanden, so Schadt. "Das ist bewusst geschaffen worden, um Kostendruck auf die Lieferanten aufzubauen."
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Das Problem: Auf jedem dieser Steuergeräte läuft eine eigene Software - und die kommuniziert nicht mit den anderen Steuergeräten anderer Zulieferer. "Was aktuell zum großen Problem wird und das ist struktureller Natur und hausgemacht."
Neue Hersteller konnten Elektroautos "komplett von vorne denken"
Die neuen Hersteller haben solche gewachsenen Verbindungen und Abhängigkeiten mit konkurrierenden Zulieferbetrieben nicht. Sie konnten das Elektroauto und seine Herstellung einmal "komplett von vorne denken", so Tanjeff Schadt.
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"Die neuen Automarken gehen das Thema Steuerungssoftware radikal anders an als die traditionellen Hersteller. Sie haben ein weißes Blatt Papier, sie haben keine Evolution", sagt Schadt.
Was BYD, Tesla, Nio und Co. besser machen
Um im Bild zu bleiben: Die Tasten der Nokia-Mobiltelefone sind die über 150 Steuergeräte in Autos klassischer Bauart. Und so wie Apple die 16 Tasten mit einem robusten, intuitiv funktionierenden Touchbildschirm ersetzt hat, setzen beim Auto die neuen Player wie BYD, Nio oder Xiaomi und eben auch Tesla auf einen zentralen Rechner.
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Dessen Software steuert alle Sensoren und elektronischen Geräte oder kann zumindest mit den wenigen anderen Steuergeräten kommunizieren, etwa mit dem Batterie-Management-System. Updates per Handynetz halten die Fahrzeuge ohne Werkstattbesuch aktuell. Neue Features können aufgespielt werden, selbst wenn das Auto schon Jahre alt ist. Das kann zu einer Reichweitenvergrößerung führen oder einer Verkürzung der Ladezeiten.
Können Europas Autobauer noch aufholen?
In diesen sogenannten "Software-definierten Fahrzeugen" kann man bequem mit dem Auto sprechen, ähnlich wie bei ChatGPT, Siri oder Alexa. Ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen können Fahrer und Fahrgäste per Sprache die Sitzheizung einschalten oder die Klimaanlage kälter oder wärmer stellen, ganz intuitiv ohne bestimmte Begriffe verwenden zu müssen.
Mit dem Auto plaudern: Die KI-Sprachassistentin Nomi von Nio soll als digitale Beifahrerin Maßstäbe setzen.
Quelle: ZDF/Lothar Becker
Schadt sieht nur in Partnerschaften zwischen den europäischen Automobilherstellern eine Chance, den Rückstand noch aufzuholen. "Durch solche Partnerschaften entstehen Effekte im Jahr 2035 in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro, die gehoben werden können. Gleichzeitig läuft die europäische Automobilindustrie Gefahr, eben diese Profite an Tech-Unternehmen abzugeben, was gleichzeitig einhergeht mit einer abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit."
Ohne diese Einnahmen dürfte es schwer werden im internationalen Wettstreit. Zum einen, was Arbeitsplätze in Europa angeht, aber eben auch, um künftig in Innovationen investieren zu können und auch im Elektroautozeitalter wieder vorne mit dabei zu sein.
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