Wie Busse und Lkw klimaneutral werden können

    Interview

    Nutzfahrzeuge mit Elektromotor:Wie Busse und Lkw klimaneutral werden können

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    Emissionen von Bussen und Lkw sollen in den nächsten zwanzig Jahren deutlich sinken. Experte Maximilian Zähringer über den Entwicklungsstand bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb.

    LKW auf der Autobahn im Stau
    Nach langer Debatte haben sich die EU-Umweltminister darauf geeinigt, dass die CO₂-Emissionen von Lkw und Bussen bis 2040 um 90 Prozent sinken sollen. 18.10.2023 | 1:40 min
    In Zukunft sollen Busse und Lkw in der EU deutlich weniger klimaschädliches CO₂ ausstoßen dürfen. 2021 wurden 740 Millionen Tonnen CO₂ im Straßenverkehr ausgestoßen, davon entfallen 27 Prozent auf Lkw und Busse.
    Vergangene Woche haben sich die Umweltminister nach langer Debatte darauf geeinigt, dass der CO₂-Ausstoß dieser Nutzfahrzeuge bis 2040 drastisch sinken soll. Neue Stadtbusse sollen 2030 bereits zu 85 Prozent emissionsfrei sein und bis 2035 zu 100 Prozent. Bei Lkw muss der Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent verringert werden.

    Busse und Lkw mit Elektroantrieb als Lösung?

    Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, sind Elektrobusse. In Hamburg gibt es sie bereits: Stadtbusse, die ausschließlich alternative Antriebe nutzen. Auch für Lastkraftwagen könnte das eine Möglichkeit sein.
    Experte Maximilian Zähringer von der Technischen Universität München forscht seit Jahren zum Thema Elektroantriebe bei Lkw:
    Maximilian Zähringer von der Technischen Universität München im Interview mit der 3sat-Sendung NANO
    Der CO₂-Ausstoß von Bussen und Lkw soll bis 2040 um 90 Prozent verringert werden. Wie realistisch ist dieses Ziel? Wir sprechen mit Maximilian Zähringer von der Technischen Universität München.18.10.2023 | 5:14 min
    ZDFheute: Das sind ambitionierte Ziele, die da vorgegeben werden. Gibt es eine Chance, dass man sie tatsächlich erreicht?
    Maximilian Zähringer: Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es keine Herausforderung ist. Aber ich bin mir relativ sicher, dass wir es schaffen können.
    ZDFheute: Dann stellt sich die große Frage: wasserstoffelektrisch oder batterieelektrisch. Ist denn klar, wer da am Ende die Nase vorn haben wird?
    Zähringer: Wir bewerten das immer aus wissenschaftlicher Sicht.

    Für uns zählt die Effizienz. Und da ist ganz klar: batterieelektrisch hat da die Nase vorn.

    Maximilian Zähringer, Technische Universität München

    Nichtsdestotrotz sehen wir natürlich bei den OEMs (Fahrzeugherstellern), dass gerade parallele Entwicklungen laufen. Aber der Fokus ist auch bei den Herstellern ganz klar auf dem batterieelektrischen Truck.
    ZDFheute: Daimler Truck baut nun eine große Fabrik, um Wasserstoff und Brennstoffzellen für Lkw an den Markt zu bringen. Die rechnen doch auch?
    Zähringer: Aus wissenschaftlicher Sicht ist batterieelektrisch aus Effizenzgründen einfach besser. Es mag Märkte geben, die liegen aus meiner Sicht eher in den USA, wo Wasserstoff eine attraktive Lösung sein kann. Es wird auch Nischenanwendung im europäischen Markt geben, beispielsweise auf der Ultralangstrecke.
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    ZDFheute: Aber gerade die Reichweite scheint das große Thema zu sein. Man sagte immer mit Wasserstoff könne man ebenso weit fahren wir mit jedem herkömmlichen Sprit, während die Batterie noch schnell schwächelt. Ist das nicht mehr so?
    Zähringer: Ich würde sagen: Nein, das ist nicht mehr so. Und das ist auch eine Illusion, die man sich da aufgebaut hat über die Jahre.

    Wir sehen heute ähnliche Reichweiten, sowohl bei Wasserstoff-Brennstoffzellen als auch bei den batterieelektrischen Fahrzeugen.

    Maximilian Zähringer, Technische Universität München

    Die Verbräuche bei Brennstoffzellsystemen sind höher. Wir können nur eine gewissen Menge an gekühltem oder unter Druck gesetzten Wasserstoff mit uns führen. Daher schaffen wir heute in beiden Systemen eigentlich um die 600 Kilometer Reichweite.
    ZDFheute: Die Batterien tragen noch einen großen ökologischen Fußabdruck. Es werden knappe und kritische Rohstoffe verbaut. Was tut sich an der Forschungsfront?
    Zähringer: Der Trend geht weg von den seltenen Erden, hin zu anderen Lösungen. Hin zur recyclierbaren Batterien und Chemien. Große Hersteller wie CATL bieten LPF Chemie, also Lithium-Eisenphosphat, die einen deutlich geringeren Anteil seltener Erden haben.
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    ZDFheute: Zu den Batterien brauchen wir ein Ladenetz. Wer wird das aufbauen? Wird das der Staat machen?
    Zähringer: Ich würde nicht sagen, dass es der Staat machen muss, aber der Staat muss es auf jeden Fall fördern, so wie er es auch bei dem Pkw gemacht hat. Und es sollte deutlich schneller gehen als bei den Pkw. Aber wir haben zwei ganz große Themen, die die Ladeinfrastruktur betreffen und das ist zum einen: Das Genehmigungsverfahren für neue Netzanschlüsse, die wir einfach deutlich schneller brauchen. Und das andere Thema ist natürlich: Wir müssen auch die Energie reinbekommen. Das heißt, das Thema Netzausbau wird auch da auf uns zukommen.
    ZDFheute: Was ist denn eigentlich mit den E-Fuels? Das sehen die Umweltminister zwar jetzt nicht vor, aber wäre das nicht ein geschickter Weg, die Bestandsflotte zumindest etwas sauberer zu kriegen?
    Zähringer: Um die Bestandsflotte sauber zu bekommen, sind E-Fuels sicherlich eine Option oder auch der einzige mögliche Weg hier klimaneutral unterwegs sein. Aber gerade im deutschen Markt haben wir eben die Situation, dass Spediteure immer schneller neue Fahrzeuge kaufen, wenn die denn effizienter sind. Die anderen Fahrzeuge wandern dann eher nach Osteuropa. Aber gerade für diese Fahrzeuge - um jetzt den europäischen Markt gesamtheitlich zu betrachten - da ist es eine Option, das Ganze mit E-Fuels klimaneutral bewerkstelligen zu können.
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    ZDFheute: Sie haben auch zur Akzeptanz geforscht, denn wenn die Spediteure am Ende nicht mitziehen, dann wird diese ganze Transformation eben nicht klappen. Wie ist denn da die Einschätzung in der Branche?
    Zähringer: Die Spediteure, die schauen vorrangig auf das Thema Wirtschaftlichkeit. Im Fachjargon sind das die TCO (total cost of ownership), also welches Antriebssystem ist wirtschaftlich am sinnvollsten hier einzusetzen. Und da sind wir heute schon an dem Stand, dass batterieelektrische Antriebssysteme hier einen Vorteil aufweisen.
    Eine mittelgroße Spedition verbraucht täglich etwa 16.000 Liter Diesel. Das blockiert deutlich mehr Lagerfläche als Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach, die den regenerativen Strom direkt in die Fahrzeuge leiten.
    Das Interview führte NANO-Moderator Ingolf Baur.
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    Quelle: ZDF

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