FAQ
Neuralink-Chip im Gehirn:Patient steuert Schachfiguren mit Gedanken
von Oliver Klein
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Ein Querschnittsgelähmter spielt Schach - über seine Gedanken, mithilfe eines Gehirnimplantats von Elon Musk. Werden Computerchips im Kopf unser Leben bald revolutionär verändern?
Das Unternehmen "Neuralink" von Elon Musk forscht seit 2016 an Gehirnimplantaten, die das menschliche Gehirn mit Computern vernetzen sollen.31.01.2024 | 1:08 min
Erst Anfang des Jahres ging die Meldung um die Welt: Das Start-up-Unternehmen Neuralink von Elon Musk hat zum ersten Mal einem Patienten einen Chip im Gehirn eingesetzt - Noland Arbaugh, 29 Jahre alt, nach einem Tauchunfall unterhalb der Schulter gelähmt. Nun scheint der Mann Fortschritte bei der Steuerung eines Computers nur mithilfe seiner Gedanken zu machen: Am Mittwoch war in einem Livestream auf X zu sehen, wie er online Schach am Laptop spielt. Er bewegte den Mauszeiger offenbar nur mit seinen Gedanken.
Ein Video des Schachspielers von Neuralink bei X
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Auf dem Computerbildschirm ist zu sehen, wie der Mauszeiger wie von Geisterhand über das Bild huscht. Arbaugh strahlt: "Das mache alles ich. Ziemlich cool, oder?"
Genau diese Art von Hirnimplantaten sollen bei neurologischen Krankheiten helfen, dass Gelähmte wieder gehen und Blinde wieder sehen können. Und Musk verspricht noch mehr: Dieselbe Technik würde künftig ermöglichen, dass Menschen nur mit Gedanken direkten Zugriff auf Computer und Künstliche Intelligenz (KI) haben, verspricht er großmundig. Wie würde das unser Leben verändern? Bleibt das Science Fiction - oder werden wir diese Revolution bald erleben? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Wie funktioniert das alles?
Das menschliche Gehirn beherbergt rund 86 Milliarden Neuronen - Nervenzellen, die durch Synapsen miteinander verbunden sind. Wann immer wir uns bewegen, fühlen oder denken, wird ein winziger elektrischer Impuls erzeugt und blitzschnell von einem Neuron zum anderen gesendet.
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Diese elektrischen Felder können gemessen werden und stellen ein Abbild unserer Gedanken dar. Weil bestimmte Gedanken mit charakteristischen Mustern einhergehen, kann man Computer lernen lassen, aus diesen Mustern Rückschlüsse auf unsere Gedanken zu ziehen.
Wie neu ist das, was Neuralink macht?
Seit Jahrzehnten gibt es teils grausame Tierversuche, beispielsweise mit Katzen, Affen oder Ratten, bei denen den Tieren Elektroden ins Gehirn geschoben werden, um bestimmte Areale zu stimulieren oder Gehirnaktivität zu messen. Auch in Deutschland, auch in der Gegenwart: Eine Datenbank der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche weist für das Jahr 2023 ein entsprechendes Experiment mit Ratten an der Humboldt-Universität in Berlin aus.
Schon im Jahr 2002 haben US-Forscher Affen beigebracht, einen Cursor allein mit ihren Gedanken über einen Computerbildschirm zu bewegen. Auch einige Menschen haben bereits verschiedene Implantate eingesetzt bekommen.
Neuralink ist nur eines von mehreren IT-Unternehmen, die versuchen, diese Technologie zu verfeinern und letztendlich zu kommerzialisieren. Die Firma Precision Neuroscience will ein ähnliches Implantat über einen sehr feinen Schnitt im Schädel minimalinvasiv am Gehirn anbringen. Und ihr Rivale Synchron bringt sein System über Blutgefäße in die Nähe der richtigen Gehirnbereiche.
Welche Ziele verfolgen die Forscher derzeit?
Aktuell liegt der Fokus noch auf medizinischen Anwendungen - beispielsweise, um Lähmungen oder komplexe neurologische Erkrankungen zu behandeln. Neuralink suchte für seine klinische Studie Patienten mit Tetraplegie. Das ist eine Querschnittlähmung, bei der Beine und Arme betroffen sind. Aber die Forschung braucht Zeit: Selbst bei erfolgreichen Operationen kann es Monate dauern, bis Patienten lernen, Computer mit Gedanken zu kontrollieren. Die Neuralink-Studie ist auf sechs Jahre ausgelegt.
Laut Elon Musk gibt es den ersten Menschen mit einem Computerchip im Gehirn. Ulrich Dirnagl, Neurologe an der Charité Berlin, spricht über das Potenzial dieser Technologie.31.01.2024 | 4:57 min
Künftig könnten auch manche blinde Menschen von der Forschung profitieren. Ein Chip könnte möglicherweise die Aufgabe einer defekten Sehrinde übernehmen - das ist der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung visueller Informationen zuständig ist. Die Idee: Ein Computerchip könnte die Signale aufnehmen und so übersetzen, das das Gehirn sie verarbeiten kann und ein Bild entsteht, erklärt der Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im ZDF. "Erste Versuche sind schon gemacht worden, so ganz rudimentäres Sehen ist damit möglich", so Specht.
Wie will Musk mit Gehirn-Chips unser Leben verändern?
Medizinische Forschung reicht Elon Musk nicht - er will mehr. Sein Plan: Die direkte Kommunikation zwischen einem verdrahteten Gehirn und einem externen Gerät. Es ließe sich nur mit Gedanken beispielsweise die Wettervorhersage im Internet aufrufen, eine Pizza bestellen, eine E-Mail schreiben.
Neue Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer sollen in Zukunft neuartige Prothesen ermöglichen. So sollen zum Beispiel Exoskelette wieder Bewegung ermöglichen.28.06.2023 | 2:44 min
Musk träumt davon, dass Informationen auch umgekehrt vom Computer über die Schnittstelle ins Gehirn geleitet werden können, ohne Sprache, ohne Schrift. Es wäre eine revolutionäre Technik, die die Welt veränderte: Menschen würden mit einem Chip im Kopf nur mit Gedanken auf das gesamte Wissen des Internets zugreifen, jede Sprache beherrschen, sogar eine Gedankenübertragung von Gehirn zu Gehirn sei möglich.
Schon 2017 prophezeite Musk, Menschen würden sich in Zukunft über einen Chip telepathisch unterhalten können. 2020, bei der Präsentation eines neuen Gehirnchips von Neuralink, versprach er:
Wie realistisch ist das?
Dass gelähmte Patienten mit einer Gehirn-Computer-Schnittstelle wieder gehen können, hat die Forschung bewiesen. Auch, wenn das bisher nur in Einzelfällen funktionierte und mit einem enormen Aufwand verbunden war: Mit der Verbreitung dieser Technologie ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, wann solche Systeme auch für nicht-medizinische Zwecke eingesetzt werden. Die Herausforderung wird darin bestehen, ein System zu entwickeln, das die vom Gehirn kommenden Signale mit noch viel größerer Genauigkeit interpretieren oder übersetzen kann. Klappt das, könnten Menschen viel effektiver mit Computern und anderen elektronischen Geräten kommunizieren.
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Aber: Mit Gedanken einen Computer zu steuern ist das eine. Fraglich ist, ob es irgendwann auch gelingen wird, dass eine solche Schnittstelle auch umgekehrt funktioniert. Dass komplexe Informationen aus einem Computer ins Gehirn übertragen werden können, hält der Neurologe der Berliner Charité Ulrich Dirnagl für unrealistisch. Im Interview mit dem Magazin Nano von 3Sat sagt er: "Das wird nicht möglich sein."
Ähnlich skeptisch zeigt sich Christoph Specht: "Das ist völlige Science-Fiction, extrem weit weg. Ob das jemals möglich ist, steht absolut in den Sternen", erklärt er im ZDF. Mit Blick auf Elon Musk ergänzt Specht: "Ich hoffe, dass für die praktische Anwendung tatsächlich aus dieser Forschung ein bisschen was übrig bleibt."
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde bereits am 4. Februar 2024 veröffentlicht und nun mit Noland Arbaugh, der Schach spielt, geupdatet.
Quelle: mit Material von Reuters, dpa
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