Kaffee - Geheimnisse eines Wundertranks

Kaffee-Experte, Kaffeegarten Ruhr in Essen

Nach einer Legende soll einem Hirten im äthiopischen Hochland aufgefallen sein, dass seine Ziegen völlig überdreht waren. Sie hatten Kaffee(bohnen)kirschen gefressen. Was ist dran an dieser Behauptung?
Diese Geschichte wird sowohl in Äthiopien als auch im Jemen in verschiedensten Versionen erzählt. Das eine Mal waren es Mönche, denen der Hirte die Früchte brachte und die dann das Geheimnis gelüftet haben. Das andere Mal war es der Bauer, dessen Frau die Früchte erschrocken ins Feuer warf, wonach ein herrlicher, göttlicher Duft aufstieg. Man löschte das Feuer mit Wasser. Der erste Kaffeesud war entdeckt.

Richtig ist, dass Kaffee im Ursprungsland Äthiopien zunächst nicht als Bohne geröstet wurde, wie wir es heute kennen. Die Pulpe, das Fruchtfleisch, wurde getrocknet und als Tee aufgegossen. Dasselbe machte man mit den Blättern, die ja auch genügend Koffein enthalten. An Feiertagen wird heute noch die gesamte Frucht in Butter geröstet und zu kleinen Energiebällchen verklumpt, die man auch als Reisesnack verwendet. Wissenschaftler glauben, dass sich die Frucht als Reiseproviant so innerhalb Äthiopiens aus dem Südwesten bis nach Harar im Nordosten verbreitet hat. Das war eine bekannte Sklavenhandelsroute.

Von Harar ist es nicht weit bis zur Küste. Gegenüber liegt der Jemen, nur durch die 30 Kilometer breite Meerenge "Bab-al-Mandab" (Tor der Tränen) getrennt. Seit alters her gab es hier immer Handel. Auch dort wird die Geschichte vom Ziegenhirten in manchen Legenden angesiedelt - als ob der Ur-Kaffee aus dem Jemen stammen würde, was definitiv nicht stimmt. Bereits im Jahr 525 war der Jemen eine Zeit lang vom äthiopischen Königreich Aksum besetzt. Gut möglich, dass damals schon Kaffee dorthin gelangte. Es gibt aber keinen wissenschaftlichen Nachweis darüber. Gesichert sind Reiseberichte von jemenitischen Sufis, die Äthiopien bereisten und Kaffee von dort mit zurück brachten. Einmal ist es der Scheich Gemaleddin um 1400, zum anderen Scheich al-Shadiliy, der 1424 starb und als Gründer der Stadt Mokka gilt.

Das heute im Jemen noch gebräuchliche Getränk ist Qishr. Das Kaffee-Fruchtfleisch wird lange gekocht und mit Gewürzen wie Ingwer versetzt. Die Zubereitung gilt als religiöses Ritual. Das Tee-Getränk aus dem getrockneten Fruchtfleisch ist auch später in Mittel- und Südamerika beliebt geworden. Es heißt dort „Cascara“ und ist unter diesem Namen auch heute im Handel erhältlich.

Nach dem Rückzug der Türken vor Wien, ließen diese unzählige Säcke mit Kaffee zurück. Das „Kamelfutter“ sollte verbrannt oder verfüttert werden. Ein polnischer Kundschafter hatte sich daran erinnert, dass es sich dabei um den „Wein des Islam“ handelte und verhinderte die Vernichtung. Stimmt das?
Dass die Türken 1683 Wien belagerten ist eine historische Tatsache. Der polnische Kundschafter Kolschitzky, der sich bei den Osmanen auskannte, soll für seine Dienste im Anschluss an die Belagerung mit den zurückgelassenen Kaffeebohnen belohnt worden sein. Sein angebliches Kaffeehaus "Blaue Flasche" ist aber in keiner Wiener Chronik verzeichnet - allerdings wird die Geschichte gern als Wiener Stadtlegende in Touristeninfos weitergegeben.

Der Kaffee wurde in Wien schon früher bekannt: 1665 war eine osmanische Gesandtschaft in Wien zu Friedensverhandlungen, also noch weit vor der Belagerung 1683, die gemeinhin als Beginn des Wiener Kaffeehauslebens gilt. Die Wiener pilgerten zu hunderten ins Feldlager und bewunderten die Kaffeeküchen der Osmanen. Der erste bezeugte Kaffeewirt war Johannes Diodato, auch Deodat (geb. um 1640 in Istanbul, gest. 1725 in Wien). Ein armenischer Handelsmann und Kurier, der am 17. Januar 1685 das Privileg erhielt, als einziger Händler Kaffee als Getränk in seinem Haus am Haarmarkt (Rotenturmstrasse 14) verkaufen zu dürfen.

Die Araber achteten peinlich genau darauf, dass Kaffeebohnen nicht nach Europa gelangten, um ihr Monopol nicht zu gefährden. Richtig?
Das Anbau-Monopol bedeutete für den Jemen enorme Einnahmen. Die für den Export geschälte Kaffeekirsche, der grüne Rohkaffee, kann nicht mehr keimen. Um die Keimfähigkeit zu erhalten, müsste der Kaffee in der getrockneten Fruchtschale herausgeschmuggelt werden. Dieses Wissen war bei den frühen Kaufleuten sicher nicht vorhanden. Das machte es nicht so einfach, Kaffee an anderen Orten anzubauen. Anders sieht es mit jungen Setzlingen aus, die man exportieren und auf der langen Seereise hätte pflegen könnte. Die konnte man aber nur hoch in den terassierten Bergen des Jemen bekommen. Dorthin kamen die meisten Händler nicht. Das war eine natürliche Schranke für den Schmuggel. Zusätzlich gab es in Mokka und den beiden anderen Häfen eine strenge Verwaltung - wie insgesamt im osmanischen Reich. Soldaten überwachten die Export-Aktivitäten. Einzelne Berichte sprechen davon, dass Kaffee durch Überbrühen unfruchtbar gemacht werden sollte.

Fragen von Michael Petsch

Bildquelle: ZDF

Autor der Terra X-Doku Kaffee - Geheimnisse eines Wundertranks

Wie kommen Sie darauf, dass Kaffee eine Droge der Revolution ist?
Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg, Französische Revolution oder Aufbegehren gegen Metternich – immer boomte kurz zuvor Kaffee und Kaffeehaus. Glauben Sie allen Ernstes, das waren Zufälle? Kaffee putscht auf!

Glauben Sie wirklich, dass Kaffee einen politischen Effekt hat?
Ja. Auf mehreren Ebenen. Gestern und Heute. Die Französische Revolution konnte nur stattfinden, weil die Menschen ein paar Jahre zuvor begonnen hatten, Kaffee zu trinken. Davor tranken sie nämlich nur Bier. Morgens, mittags, abends – denn das Trinkwasser war allzu oft verseucht. Was hat´s bewirkt? Der Alkohol hat vor allem das Phlegma vermehrt und damit den Blick auf die alltägliche Unterdrückung vernebelt. Erst als Kaffee als bakterienfreies Heißgetränk allgemein erschwinglich wurde, begann das Aufbegehren: Kaffee war die Muttermilch der Französischen Revolution. Und wo haben die Reden von Robespierre und Danton stattgefunden? Natürlich im Kaffeehaus!

Und heute?
Heute entscheidet jede Tasse über Leben oder Tod. Hochwertiger, fair-gehandelter Kaffee ermöglicht es den Bauern in Südamerika zu überleben und ihre Kinder zur Schule zu schicken. Billigkaffee ist aber nicht nur qualitativ minder, er fördert auch das rabiate Preisdumping der Großkonzerne – und damit die schlimmste Seite der Globalisierung, nämlich die Verelendung.

Was macht guten Kaffee aus?
Kaffee ist so edel wie Wein, er hat ebensoviele Aromastoffe, nämlich 800. Um ein Kilo Kaffee zu produzieren, muss ähnlich viel Arbeit und Liebe aufgewendet werden, wie beim Wein. Aus gutem Grund wird der Kaffee in den arabischen Ländern deshalb „Wein des Orients“ genannt.

Kann jeder guten Kaffee machen? Was braucht man dafür?
Für guten Kaffee braucht man nicht nur hochwertige Bohnen, sondern auch eine exzellente Maschine, geübte Hände, der Mahlgrad muss stimmen, die Frische der Röstung. Es ist ähnlich wie beim Wein: Man muss über den Inhalt Bescheid wissen, um eine gute Tasse Kaffee in all ihren sensorischen Facetten genießen zu können.

Und wie trinken Sie Ihren Espresso? Mit Milch und Zucker?
Um Gottes Willen! Welche Beleidigung der Geschmacksstäbchen. Das ist, wie wenn Sie Champagner mit Wasser verdünnen. Schluderbrühe. Milch und Zucker ist was für kleine Kinder. Verhunzen Sie nicht 800 Aromastoffe, die sich in der zarten Crema befinden.

Ist der entscheidende Stoff wirklich das Koffein?
Nein. Guter Kaffee ist ein Kunstwerk, eine Projektion von Glück. Das Koffein spielt bloß eine Sekundärrolle. Die TU Zürich hat das in einer Studie bewiesen: Man entzog starken Kaffeetrinkern für sechs Wochen ihr Lieblingsgetränk. Einer Gruppe gab man Koffeintabletten, der anderen koffeinfreien Kaffee. Erstaunlicherweise hatte die Gruppe mit den Koffeintabletten die weitaus stärkeren Entzugserscheinungen. Das bedeutet: Wir brauchen nicht das Koffein, sondern wir sehnen uns in Wirklichkeit nach dem Duft des Kaffees.

Auszug aus einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Fragen von Dr. Christian Buckard

Kaffee - Geheimnisse eines Wundertranks
Erstausstrahlung ZDF am 4. April 2021, 19:15 Uhr

Film von Gerhard Rekel

Redaktion TV Michael Petsch
Redaktion Online Michael Büsselberg