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- 18.09.2022
Die unterhaltsame Wissenschaftsshow "MAITHINK X" meldet sich mit kontroverser Meinung zurück: Dr. Mai Thi Nguyen-Kim glaubt jetzt an die Wirkung von Homöopathie! Oder?
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Die unterhaltsame Wissenschaftsshow "MAITHINK X" meldet sich mit kontroverser Meinung zurück: Dr. Mai Thi Nguyen-Kim glaubt jetzt an die Wirkung von Homöopathie! Oder?
Homöopathie wirkt doch
HomöopaTEA
Die Beliebtheit von Homöopathie hält sich ja unerschütterlich. In Deutschland wird jährlich über eine halbe Milliarde Euro für Homöopathika ausgegeben (MTX3) und auch in der Politik gibt’s viele Fans:
Manfred Lucha zum Beispiel, baden-württembergischer Gesundheitsminister von den Grünen, kämpft dafür, die Homöopathieweiterbildung für Ärzt:innen fortzuführen, obwohl die Landesärztekammer dagegen ist (MTX11).
Tanja Schorer-Dremel von der CSU sagte im bayerischen Landtag, sie habe drei Kinder mit Homöopathie großgezogen und sie sind alle “pumperlgsund” (MTX2).
Und Christian Lange, ehemaliger SPD-Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sagt: “Homöopathie gehört zu einer guten Patientenversorgung, darin war ich mir mit der Geschäftsführung der Weleda einig.” (MTX10)
Homöopathie ist nicht irgendein Nischen-Esoterik-Ding, Homöopathie gehört zur Mitte der Gesellschaft wie auch zur Mitte der Politik. Globuli und andere Homöopathika gelten vor dem deutschen Arzneimittelgesetz (MTX1) ganz offiziell als Arzneimittel - viel offizieller geht’s nicht. Solange Homöopathie von unserem Gesetzgeber ernst genommen wird, dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass sie auch von vielen Anwender:innen ernst genommen wird. Das ist die erste Einsicht.
Das Prinzip von Homöopathie
WIR sagen, eine Wirkung muss man wissenschaftlich belegen können, DIE sagen, man KANN halt nicht alles belegen. Wir argumentieren mit Wissenschaft, Homöopath:innen argumentieren mit Dingen, die über Wissenschaft hinausgehen. Um eine konstruktive Diskussion zu führen, muss man sich in den anderen reindenken können. Scheiß auf Chemie! Lasst uns das mal ernsthaft durchziehen. Nehmen wir mal an, dass Homöopathie wirkt und denken das konsequent zu Ende. Aber erst müssen wir das Prinzip besser verstehen.
In der homöopathischen Arzneimittelprüfung (MTX13) gibt man gesunden Menschen Globuli - und die schreiben dann wochenlang SEHR genau auf, was sie alles an sich feststellen. Was auch immer die Symptome sind - genau dagegen können diese Globuli dann bei Kranken helfen: Ähnliches mit Ähnlichem behandeln.
Jetzt müssen wir aber noch verstehen, wie GENAU Globuli wirken. Das erklärt euch Katjana Gerz. (MTX9, MTX8)
Abwasservorschriften
Die Stadt Baden-Baden schrieb uns:
Also: Alle Abwasservorschriften sind komplett auf eine Welt ausgelegt, in der Stoffe auch anwesend sein müssen, um zu wirken. Für Homöopathie, die nicht-stofflich wirkt, gibt es keine extra Regeln.
Dabei gibt’s Studien, in hoch angesehenen Homöopathie-Zeitschriften, die die Auswirkungen von gedächtniskontaminiertem Wasser auf die Umwelt nachweisen.
Studienlage
Eine andere Studie (MTX12) zeigt einen Effekt auf’s Wachstum der ökologisch wichtigen Wasserlinse.
Klar, die alte Mai hätte gesagt, diese Studien sind “methodisch nichtssagend”, “gibts da überhaupt ne Kontrollgruppe?”, “war das überhaupt statistisch signifikant” - aber jetzt, wo ich die Wirkung ernst nehme, besorgt mich das alles doch sehr. Selbst Samuel Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie, hat ausdrücklich gewarnt (MTX5), dass Überdosierung sogar tödlich sein könnte und warnte davor, homöopathische Tinkturen beim Transport nicht aus Versehen zu schütteln (MTX6). Das Gedächtnis und die Wirkung könnten sonst zu stark werden.
Doch das potenzierte Abwasser wird in den Rohren durchgeschüttelt, im Klärwerk wirds’ NOCHMAL geschüttelt. Von da gehts in die Flüsse und Bäche, WIEDER durchgeschüttelt und am Ende landet es als “sauberes” Trinkwasser in unseren Wasserhähnen.
EXTREM verdünnt, EXTREM oft geschüttelt - das entspricht einer extrem hohen Potenz! Und DHU, einer der größten Hersteller von Homöopathika in Deutschland, sagt selbst: “Hohe Potenzen sollten immer von einem Arzt oder Heilpraktiker ausgewählt werden." (MTX4)
Das ist doch bestimmt irgendwie geregelt. Wir haben bei der Carstens-Stiftung nachgefragt - einer Stiftung zur Förderung der Erforschung von Homöopathie - außerdem beim *Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte, bei der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie, bei den größten Herstellern des Landes und nichts herausbekommen. Trösten wir uns einfach mit pauschalen Aussagen wie dieser von der Website der Carstens Stiftung. “Die Homöopathie ist insgesamt als nebenwirkungsarmes Therapieverfahren einzustufen.” (MTX15)
Hier widerspricht die Stiftung sogar Samuel Hahnemann und der hat sich den ganzen Bums ja immerhin ausgedacht. Wenn der Gesetzgeber zwar einerseits so sehr an die Wirkung glaubt, dass man das Zeug nur in der Apotheke verkaufen darf, es aber andererseits völlig okay findet, wenn das potenzierte Wasser, die Basis der Homöopathie, einfach weggekippt wird…schwierig.
Lebensmittel oder Arzneimittel? / Vorbei an der Apothekenpflicht
Wir haben auch für diesen hypothetischen Fall mal nachgefragt. Zum Beispiel beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm). Die haben uns zur Bezirksregierung Köln weitergeleitet, weil wir in Köln produzieren wollten. Die wiederum haben uns zurück zum Bfarm geschickt, weil sie dafür gar nicht zuständig seien. Dann haben wir eine Anfrage ans Bundesgesundheitsministerium geschickt.
In der Mail haben wir genauer gesagt für zwei Fälle angefragt. Fall 1: “Dürfen wir einen Eistee, der mit in einer Apotheke gekauften Crocus C30 Globuli gesüßt wurde, als Lebensmittel verkaufen?” Fall 2: “Wir haben das Gewürz Safran in einem Lebensmittelgeschäft gekauft und daraus ein Extrakt hergestellt. [...] Diese höchst verdünnte Safranlösung wurde auf Zuckerkügelchen aufgetragen. [...] Nach dem Trocknen der Kügelchen wurden diese dann verwendet, um Eistee zu süßen. [...] Dürfen wir diesen Eistee als Lebensmittel [...] verkaufen?” Nochmal zum Verständnis: Fall 1 und Fall 2 sind genau das Gleiche. Das ist der gleiche Eistee mit den gleichen Globuli. Würde ein:e Apotheker:in die Globuli genauso herstellen, wie in der Mail beschrieben, dürfte sie das am Ende als Crocus C30 Globuli in der Apotheke verkaufen.
Die Antwort vom Bundesgesundheitsministerium war:
“Ob das Lebensmittel in den beschriebenen Zusammensetzungen verkehrsfähig ist, obliegt der Einschätzung der zuständigen Behörde. II ”
Die Bezirksregierung hat am Ende auch noch auf eine dritte Behörde verwiesen, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW. Und weil wir eh grad dabei waren, haben wir auch da mal nachgefragt.
Das Gesundheitsministerium schrieb:
Aber gut, es blieb ja noch das Landesamt für Verbraucherschutz. Und die haben geschrieben: “Crocus C30 ist ein Homöopathisches Arzneimittel. Eine Verwendung dieses Arzneimittels ist als Zutat in Lebensmitteln nicht zulässig.”
Trotzdem waren sie der Meinung, dass der Eistee mit den selbstgemachten Globuli aus Fall 2 “in den Verkehr gebracht werden” kann.
Hä?! ENTWEDER Homöopathie wirkt und man sollte sie, wie jedes andere Arzneimittel auch, nicht einfach random nehmen. Dann MÜSSEN sie apothekenpflichtig sein. Dann DÜRFEN sie aber natürlich auch nicht einfach in die Umwelt gelangen und natürlich darf man damit auch keinen Eistee süßen. Oder - sie wirkt eben nicht. Dann dürfen homöopathische Mittel aber auch nicht als Arzneimittel in der Apotheke verkauft werden.
Ein Wirkstoff, der nicht vorhanden ist, kann einfach nicht wirken. That’s it.
Und Herr Lange… ist ja schön, dass sie sich mit der Geschäftsführung der Weleda einig sind. Sie wissen schon, Weleda ist ein HERSTELLER von homöopathischen Mitteln (MTX14). Nach allem, was wir inzwischen wissen, hätten wir den Eistee auch einfach wirklich produzieren können.
Und das haben wir natürlich auch gemacht. Na klar haben wir den hergestellt! Mit 25gr Zucker pro Flasche, das entspricht fast 2.000 Globuli. Für einen Bruchteil des Preises!