MAITHINK X - Die Show - Kopfball - Hirnschäden durch (Kinder-) Fußball!
- UT6
- 30.10.2022
Fußballer halten für den Sieg den Kopf hin – und riskieren dafür ihre Gesundheit. Wieso neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Kopfbällen und Demenz den Fußball verändern sollten.
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- UT6
- 30.10.2022
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Fußballer halten für den Sieg den Kopf hin – und riskieren dafür ihre Gesundheit. Wieso neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Kopfbällen und Demenz den Fußball verändern sollten.
Kopfball – Hirnschäden durch (Kinder-)Fußball
Die Deutschen lieben Fußball. Der Deutsche Fußball-Bund ist mit seinen sieben Millionen Mitglieder und 2,2 Millionen aktiven Fußballerinnen und Fußballern in knapp 25.000 Vereinen der größte Sportverband der Welt. (MTX1; MTX2) Spätestens seit der WM 2006, unserem Sommermärchen, sind wir alle kollektiv im Fußballfieber. Leider ist Fußballfieber nicht das einzige medizinische Problem, das dieser Sport verursacht – Fußball ist ein großes Problem für unser Gesundheitssystem!
Fußball lebt von Helden, Triumphen und Geschichten. Auch wenn man sich bei manchen echt an den Turban packt. Benedikt Höwedes bekam mit Kopfverband den lustigen Namen Papa Schlumpf, Bastian Schweinsteiger führte das deutsche Team als Blutchef zum WM-Titel und Sebastian Rode wurde mit einer Platzwunde am Kopf Europa League-Sieger und musste direkt nach dem Spiel im Krankenhaus behandelt werden, Verletzungen wie diese stellen ein hohes Gesundheitsrisiko dar. (MTX3; MTX4)
Schädel-Hirn-Traumata
Dabei können einzelne Hirnzellen verletzt werden, v.a. an der Hirnrinde, also im äußeren Teil des Gehirns, das im Kontakt zum Schädel ist. So können Schwellungen, kleine Risse und Blutungen entstehen und da im Schädel nicht viel Platz ist, ist das ein Problem. Blut kann nicht abfließen und dadurch – genauso wie durch Schwellungen – können Hirnteile gequetscht werden und es kann zu Ausfällen des Hirns kommen. Schwindel, Übelkeit – im Extremfall kann man sogar sterben. Solche Folgen von Gehirnerschütterungen machen sich beim Betroffenen nicht unbedingt sofort bemerkbar. So wie bei Christoph Kramer, der sich an seinen WM-Final-Einsatz nur noch teilweise erinnern kann.
Risiko
Im American Football werden Kopfverletzungen ernster genommen. Dort gibt es schon länger das sogenannte Concussion Protocol. In jedem Spiel schickt die amerikanische Football-Liga NFL zwei sogenannte Spotter ins Stadion, die das Spiel auf der Suche nach möglichen Kopfverletzungen beobachten. Wenn ein Spieler am Spielfeldrand nach einer Kopfverletzung durchgecheckt werden muss, dann muss neben dem Ärztestab des Teams ein unabhängiger Neurologe anwesend sein, der entscheidet, ob der Spieler zurückkehren darf oder ausgewechselt werden muss. Nach dem Spiel werden die betreffenden Spieler engmaschig kontrolliert, bevor sie wieder spielen dürfen, nicht selten erst nach mehreren Wochen. (MTX7; MTX8; MTX9)
In der Fußball-Bundesliga sieht das anders aus.
Schiedsrichter:innen sind dazu angehalten, bei Kopfverletzungen das Spiel für drei Minuten zu pausieren, um die Teamärzte aufs Feld zu holen. Seit Ende 2019 soll außerdem ein sogenanntes Baseline-Screening vor der Saison für Vergleichswerte in Kategorien wie “Merkfähigkeit” und “Balance” sorgen, mit denen man die Situation vor Ort dann abgleichen kann. (MTX10; MTX11; MTX12)
Ein Problem dabei ist, dass leichte Schädel-Hirn-Traumata, wie Gehirnerschütterungen, gar nicht in drei Minuten diagnostiziert werden können. (MTX13) Wenn der Spieler ansprechbar ist, entscheiden die Mannschaftsärzt:innen, die neben dem Patientenwohl immer auch die Interessen ihres Arbeitgebers im Hinterkopf haben. Es gibt noch ein zweites, viel weiter verbreitetes Risiko, das ein regelrechtes Public Health Problem ist: also unser Gesundheitssystem belastet und damit jeden angeht, auch alle, die nicht Fußball spielen. Und das Problem heißt Kopfball.
Kopfball
Gesundheitsrisiken
2021 wurde dann eine Studie veröffentlicht, bei der unterschiedliche Positionen auf dem Spielfeld verglichen wurden. Es gibt tatsächlich unterschiedliche Risiken für neurodegenerative Krankheiten, je nach Spielerrolle. Das Risiko bei Torwarten ist am wenigsten stark erhöht. Sie haben ein 1,8-faches Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im Vergleich zur Normalbevölkerung. Verteidiger haben das am stärksten erhöhte Risiko, und zwar ein fast 5-fach so hohes.
Und man kann schon sagen, dass Kopfbälle zu den Hauptaufgaben eines Verteidigers gehören. (MTX17)
Demenz
Unser Gesundheits- und Pflegesystem wird derzeit ohnehin schon von einer Demenzwelle überrollt - noch haben wir sehr beschränkte Möglichkeiten, mit der Krankheit therapeutisch umzugehen. (MTX20) Das Risiko für Demenzerkrankungen zu reduzieren oder vorzubeugen, ist also im größten Public Health Interesse. Und alles, was das Demenzrisiko noch weiter erhöht, können wir uns im Blick auf unser Gesundheitssystem eigentlich wirklich nicht erlauben. Wenn die Premier League, immerhin die reichste Liga der Welt, es schafft, Konsequenzen aus solchen Studien zu ziehen, warum sieht der größte Sportverband der Welt, der DFB, nicht mehr Notwendigkeit zu handeln? Obwohl Regeländerungen gar nicht so selten sind, wie Max Bierhals und erklär.