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Wirtschaft spannend erzählen und erklären

Newsletter ZDF-Fernsehrat:Wirtschaft spannend erzählen und erklären

Fernsehrätin Sandra Hartig über die Wirtschaftsberichterstattung beim ZDF.

"Die wirklich schwere, auch strukturelle Krise unseres Landes ist in der Berichterstattung angekommen", schätzt Fernsehrätin Sandra Hartig ein. Die Vertreterin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sagt auch, welche Erwartungen sie künftig an die Wirtschaftsberichterstattung beim ZDF hat.

Porträt ZDF-Fernsehratsmitglied Dr. Sandra Hartig

Fernsehratsmitglied Dr. Sandra Hartig

Quelle: ZDF/Andreas Reeg

#Fernsehrat: Die Wirtschaft ist derzeit geprägt von Konjunkturschwäche und Transformationsprozessen in Deutschland sowie vielfältigen internationalen Krisen. Wie wird das ZDF dem in seiner Wirtschaftsberichterstattung aus Ihrer Sicht gerecht?

Sandra Hartig: Inzwischen sehr gut. Die wirklich schwere, auch strukturelle Krise unseres Landes ist in der Berichterstattung angekommen. Das sage ich auch mit Bedauern. Denn natürlich würden wir uns hier alle lieber positive Nachrichten wünschen. Aber die Lage ist durchaus dramatisch: Wir erleben gerade das dritte Jahr in Folge ohne Wirtschaftswachstum. Das gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nie. Und die Aussichten für die kommenden zwölf Monate sind leider auch eher düster, wie die Daten aus unserer jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage unter mehr als 22.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen zeigen: Lediglich 15 Prozent der Betriebe rechnen mit besseren Geschäften, während 27 Prozent eine Verschlechterung erwarten. Diese Zahlen zeigen die enorme Unsicherheit, die vor allem den Mittelstand trifft. Das ZDF greift Themen wie Energiepreise, Transformation und internationale Krisen zunehmend auf – das ist ein Fortschritt. Was aus meiner Sicht noch wichtig wäre: Bitte auch öfter die Perspektive der kleinen und mittleren Unternehmen einfangen. Die machen mehr als 90 Prozent unserer Wirtschaft aus – und können sowohl Einblicke ins wirkliche Wirtschaftsleben bieten als auch erstaunlich viel Innovation. Mehr solcher Praxisbeispiele und regionale Geschichten würden helfen, Wirtschaft verständlich und fair darzustellen.

#Fernsehrat: Das ZDF richtet sich auch in der Wirtschafts- und Finanzberichterstattung etwa mit dem zunehmend dokumentarisch geprägten Format "WISO" oder internationalen Serien-Koproduktionen wie "Die Affäre Cum-Ex" stärker an jüngere Zielgruppen und setzt auf eine bessere Streamingfähigkeit seiner Angebote - wie finden Sie das?

Hartig: Den Fokus auf Streaming und junge Zielgruppen halte ich für absolut richtig. Jugendliche und junge Erwachsene müssen Wirtschaft verstehen – ihre Berufsperspektiven, ihre Finanzen und unsere Gesellschaft insgesamt hängen davon ab. Wirtschaft ist nicht nur Börse oder Verbraucher, sondern auch Erfindungsreichtum, Unternehmensgeist, Teamspirit. Formate wie "WISO" oder internationale Koproduktionen zeigen, dass das ZDF neue Wege geht. Entscheidend ist, dass wirtschaftliche Zusammenhänge nicht nur spannend erzählt, sondern auch systematisch erklärt werden: Wie arbeitet ein Unternehmen? Was bedeutet Transformation konkret für Beschäftigte und Märkte? Und wer sind zum Beispiel die Unternehmerinnen, die vor Ort Innovation schaffen? Authentische Geschichten aus dem Mittelstand können Wirtschaft für alle Generationen erfahrbar und relevant machen.

OrganisationFernsehratsvorlage Wirtschafts- und Finanzberichterstattung in den ZDF-Angeboten
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#Fernsehrat: Als Schwierigkeit, gerade für Verbraucher-Themen, gilt der nach dem Reformstaatsvertrag zwingende Sendungsbezug. Wie sollte das ZDF damit umgehen?

Hartig: Der Reformstaatsvertrag ist politisch so gewollt – und wir brauchen Medienvielfalt in Deutschland, gerade auch aus Sicht der Wirtschaft. Ich verstehe die Herausforderung für die Praxis einer Redaktion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Themen wie Fachkräftemangel oder Energiepreise betreffen ja mehrere Bereiche und Fernsehformate. Ich schlage vor, kreativ zu denken: statt starrer Sendungszuordnung könnten digitale Dossiers, thematische Kurzvideos oder Podcasts flexibel und tiefgehend informieren – ohne gegen Vorgaben zu verstoßen. So schafft das ZDF echte Orientierung für Verbraucherinnen und Unternehmen, die sich nicht in klassische Formate einpassen lassen.

#Fernsehrat: Welche Schwerpunkte wünschen Sie sich in Zukunft von der Wirtschafts- und Finanzberichterstattung in den ZDF-Angeboten?

Hartig: Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Fokus auf mittelständische Unternehmen mit ihrer Innovationskraft und den alltäglichen Herausforderungen einer ausgeuferten Bürokratie:

  • Digitalisierung und Transformation dauerhaft ins Zentrum rücken.
  • Unternehmerinnen und Gründer sichtbar machen, ihr Mut, ihre Ideen und die Hürden, die sie überwinden.
  • Fachkräftemangel, Energie- und Rohstoffkosten transparent und regional erklären – was Unternehmer direkt beschäftigt.
  • Internationale Märkte – wie kleine und mittelständische Unternehmen im Maschinenbau oder Handwerk in Exportnischen agieren – stärker thematisieren.
  • Transformation als Chance aufzeigen: eigene Beispiele aus der Wirtschaft liefern ein Gegengewicht zu Krisenmeldungen und stärken das Verständnis für langfristige Lösungen.

Zur Person: : Dr. Sandra Hartig ist seit Juli 2024 Mitglied im Fernsehrat und vertritt dort die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Bei der DIHK leitet sie den Bereich Gesundheitswirtschaft, Beschäftigung und Organisationentwicklung. Sie studierte Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaftslehre. Als Fernsehrätin ist sie Mitglied im Programmausschuss Chefredaktion.

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