Newsletter ZDF-Fernsehrat:Was dem Negativ-Trend entgegenzusetzen ist
Fernsehrätin Andrea Bähner über das ZDF-Angebot und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Mit Blick auf besorgniserregende Studien-Ergebnisse zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sieht Fernsehrätin Andrea Bähner die Medien im Allgemeinen und das ZDF im Speziellen gefordert. Die Vertreterin des Landes Rheinland-Pfalz lobt zugleich ein spannendes und vielversprechendes internationales Projekt, das das ZDF vorantreibt.
Fernsehratsmitglied Andrea Bähner
Quelle: ZDF/Andreas Reeg#Fernsehrat: Nach der aktuellen Zusammenhaltsstudie haben die Menschen sehr hohe Erwartungen an die öffentlich-rechtlichen Medien, den Zusammenhalt im Land zu fördern. Wie werden öffentlich-rechtliche Angebote diesem Anspruch aus Ihrer Sicht grundsätzlich gerecht?
Andrea Bähner: Die "Zusammenhaltsstudie von ARD, ZDF und Deutschlandradio" oder auch die aktuelle "Mitte Studie: Die angespannte Mitte" zeigen sehr deutlich die Notwendigkeit, den Zusammenhalt im Land zu fördern. Wenn 76 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich Sorgen machen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland gefährdet sei und 70 Prozent angeben, dass sie einen zunehmenden Rechtsextremismus als Bedrohung für Deutschland empfinden, oder wenn 59 Prozent der befragten Jugendlichen in der "Jugend-Information-Medien Studie JIM" berichten, dass sie mit extremen politischen Inhalten konfrontiert werden und 67 Prozent sagen, dass sie Falschnachrichten in den sozialen Netzwerken begegnet sind, dann sind das Alarmzeichen. Dieser Entwicklung müssen wir als gesamte Gesellschaft begegnen. Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. ‚Bad News sells‘ ist ein uraltes Prinzip, auch in den klassischen Nachrichten. Die Algorithmen der großen Plattformen haben dies zu ihrem Geschäftsmodell gemacht, so dass viele Menschen eigentlich nur noch negative Nachrichten empfangen. Daher ist es ein ganz wichtiger Schritt des ZDF zu überprüfen: Was tragen wir zu diesem Negativ-Trend bei und was können wir dem entgegensetzen?
#Fernsehrat: Zugleich sehen viele Befragte vor allem bei der Darstellung positiver Beispiele zur Konfliktbewältigung Defizite und haben hohe Ansprüche an Kommunikationsräume, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereitstellen soll. Wie sollte darauf reagiert werden?
Dein ZDF:Public Spaces Incubator
Bähner: Ein sehr spannendes und vielversprechendes Projekt, das das ZDF vorantreibt, ist der "Public Spaces Incubator". Ein Zusammenschluss mehrerer internationaler öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten aus Deutschland, Australien, Belgien, der Schweiz und Kanada in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation "New_ Public", um mit innovativen Lösungen digitale Plattformen besser für den öffentlichen Dialog nutzbar zu machen. Geschaffen werden sollen so neue demokratie-freundliche digitale Räume, zum Interagieren und zum Informieren. Das kann ein Angebot für diejenigen sein, die gar keine Nachrichten mehr schauen, weil sie sich von den negativen Nachrichten in der aktuellen krisenhaften Zeit überwältigt fühlen. Auch in den klassischen Nachrichten kann Zusammenhalt gefördert und Nachrichtenflucht vermieden werden, wenn statt Clickbaiting konstruktiver Journalismus stattfindet. Denn weniger schwarz/weiß, weniger Polarisieren schafft mehr offene Debattenräume. Konstruktiver Journalismus stellt neben die Problembeschreibung auch Lösungsangebote, er beobachtet mehr und bewertet weniger, er geht zurück auf das journalistische Motto ‚Zeigen, was ist‘.
#Fernsehrat: Unter den 14- bis 34-Jährigen nutzen 46 Prozent der Befragten regelmäßig öffentlich-rechtliche Angebote – das liegt deutlich unter dem Durchschnitt aller Altersklassen. Was ist da zu tun?
Bähner: Hier sehe ich ARD und ZDF auf einem guten Weg: Mit dem Angebot dahin gehen, wo die Menschen sind: Also crossmediale Angebote und Themen aufgreifen, die für jüngere Menschen wichtig sind. Das digitale Angebot funk ist da ein wesentlicher Baustein; aber auch das gemeinsame Streaming-Netzwerk, das die getrennten Mediatheken von ARD und ZDF vernetzt und weiterentwickelt hat. Es stellt damit ein größeres Angebot bereit und ist auch wesentlich benutzerfreundlicher geworden.
#Fernsehrat: Insgesamt sorgt sich eine große Mehrheit der Bevölkerung um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Was bedeutet das für die Arbeit des ZDF?
Bähner: Als Zuschauerin und auch als Fernsehrätin erlebe ich das ZDF als Anstalt, die ihren Auftrag sehr ernst nimmt und erfüllt: Mit einem vielfältigen, ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Programm, das die Bevölkerung informiert, bildet und unterhält. Das ist extrem wichtig in einer Zeit, in der sich sehr viele Menschen fast ausschließlich über die sozialen Netzwerke informieren, denn diese folgen ganz anderen Prinzipien. Sie können über die Algorithmen festlegen, welche Inhalte uns angezeigt werden. Tech-Giganten wie Elon Musk (X) oder Marc Zuckerberg (Meta) sind damit mittlerweile reichweitenstärker als das Massenmedium Rundfunk allgemein. Besorgniserregend ist zudem, dass Musk und Zuckerberg nicht nur eine technische Plattform oder neutrale Intermediäre bereitstellen, sondern sie können durch die Gestaltung ihres Angebots ganz gezielt auch politische Interessen verfolgen. So hat Elon Musk auf X ganz offen für die AfD geworben. Um Deutschland und Europa vor einem Meinungs-Monopol zu schützen, das im Gegensatz zu Rundfunk und Presse kaum einer öffentlichen Kontrolle unterliegt – etwa durch durchsetzbare rechtliche Leitplanken – brauchen wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Weiterentwicklung gerade im digitalen Raum von uns unterstützt werden sollte.
Zur Person: Die Journalistin Andrea Bähner hat in verschiedenen Positionen im In- und Ausland für die ARD gearbeitet. Sie wurde unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) als Regierungssprecherin ernannt und blieb unter Alexander Schweitzer (SPD) im Amt. Im März 2024 wurde sie von der Landesregierung als Mitglied des ZDF-Fernsehrates benannt. Als Fernsehrätin arbeitet sie im Ausschuss für Finanzen, Innovation und Digitalisierung mit.
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