Betroffen: Jede*r fünfte Jugendliche
Jede*r fünfte Jugendliche unter 18 ist psychisch schwer krank und muss behandelt werden. Mobbing, Missbrauch, krankhafter Medienkonsum, Schulangst - die Liste der Auslöser ließe sich beliebig erweitern. Die Coronapandemie hat die Situation noch verschlechtert.
Finn (18) und Aliya (13) sind freundlich, schlau und eloquent. Man sieht ihnen nicht an, dass sie nur für ihre Außenwelt diese selbstbewussten Teenager sind. Beide Jugendlichen sind so schwerwiegend erkrankt, dass eine ambulante Therapie nicht mehr wirksam wäre. Sie verbringen viele Wochen in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Hilfsangebote bei Suizidgedanken
Düstere Bilder im Kopf
"Ich bin wie in einer dichten Blase und sehe die Welt riesig und ich bin ganz klein", sagt Finn, wenn er versucht, seine Depression zu beschreiben. Finn ist der zweitälteste von vier Geschwistern. Er wächst auf in einem Haus mit Garten. Nach der Trennung der Eltern kommt seine Mutter mit Finns Pubertät nicht zurecht. Er muss weg von zu Hause. Das Jugendamt stellt ihm ein Zimmer in einer Zweier-WG zur Verfügung. Dass er eigentlich Hilfe bräuchte, bemerkt keiner. Finn verkraftet den Verlust von Eltern und Geschwistern nicht. Er wird in einer Klinik stationär aufgenommen. Erst dort begreift Finn, was er braucht und wonach er sich sehnt.
"Ich sitze ganz allein in einem leeren, dunklen Zimmer, aus dem ich nicht raus kann, weil es keine Türen und Fenster mehr gibt, kein Licht, das hereinfällt. Ich hocke in einer Ecke und fühle mich elend und bewegungslos", beschreibt Aliya ihre innere Not. Sie lebt mit ihrer Familie in einem großen Haus im Grünen. Sie ist gut in der Schule, hat einen Zwillingsbruder, Freunde und Hobbys. Alles ist so, wie man sich ein behütetes Aufwachsen vorstellt. Doch oft überkommt sie ein innerer Schmerz mit solcher Wucht, dass sie sich nur mit selbstverletzendem Verhalten zu helfen weiß. Zu Hause erklärt sie, die Wunden stammten von einem Sturz in eine Dornenhecke. Mit elf Jahren ist sie zum ersten Mal auf der Kinderstation einer psychiatrischen Klinik. Dort geht es ihr besser, weil sie hier ihre traurige und verletzliche Seite zeigen kann.
Neuer Zugang zu Gefühlen
Im durchstrukturierten Stationsalltag entdecken Finn und Aliya in kleinen Schritten ihre Gefühle wieder und lernen, sie zu benennen. Inmitten von Gleichgesinnten und medizinischer Betreuung sollen sie vorsichtig und langwierig zurück in einen normalen Teenageralltag finden. Der Weg zurück zu seelischer Gesundheit und Unbekümmertheit ist langwierig und nicht ohne Rückschläge.
Nach zwei Monaten Klinik sieht Finn klarer, weiß die Zeichen seiner Depression zu erkennen und darauf zu reagieren. Gesund ist er nicht, aber er hat Pläne, eine feste Freundin und kann nach vorne schauen. Mit den Eltern hat er heute keinen Kontakt mehr. Aliya hat in ihren verschiedenen, monatelangen Klinikzeiten gelernt, überhaupt erst wieder Gefühle wahrzunehmen und zuzulassen. Außerdem ihre inneren Warnsignale zu erkennen. Sie hat entschieden, dass sie nicht zurück in ihre Familie möchte, stattdessen lieber in eine therapeutische Wohngruppe - 600 Kilometer entfernt von ihrem Zuhause.
37 Grad begleitet die beiden Jugendlichen Aliya und Finn auf ihrem Weg, gesünder zu werden und spürt der Frage nach, was ihre Seelen so krank gemacht hat?
Autorin Anabel Münstermann über ihren Film
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