Pastorinnen und Pastoren wollen das nicht hinnehmen – und ihre Kirche für neue Bevölkerungsgruppen öffnen. Drei davon greifen zu ungewöhnlichen Mitteln.
Mittwoch, 19.00 Uhr: Ellen und Steffi Radtke melden sich bei ihren Fans auf YouTube. Es könnte schrill werden. Ob Kinderwunschbehandlung, Sex vor der Ehe oder eine Akkuschrauber-Segnung – dem Pastorinnen-Ehepaar aus Eime in Niedersachsen scheint nichts heilig zu sein. Der Erfolg gibt ihnen recht: Über 25.000 Abonnenten hat ihr Kanal "Anders Amen" mittlerweile – auch dank einer für Pastorinnen ungewöhnlichen Sprache.
"Als ich jünger war, habe ich Kirche nie verstanden, also was da geredet worden ist", erinnert sich Ellen Radtke. "Dabei hätte ich eine Kirche gebraucht, die ich kapiere und die mit meinem Leben zu tun hat." Genau das soll "Anders Amen" leisten. Jetzt wollen die Radtkes einen Schritt weitergehen und eine Onlinegemeinde gründen. Doch so einfach ist das nicht.
Zwischen Slackline und Gemüseständen
Viel analoger ist seit 2021 Philipp Roß unterwegs: Mit einer dreirädrigen Piaggio Ape tourt der 36-Jährige im Retro-Tempo durch das bayerische Oberland und sucht das Gespräch mit Menschen jenseits der Kirche, etwa auf Marktplätzen oder an Seen. Er fürchtet, "dass, wenn die Kirche so weitermacht wie bisher, sie als Institution ein großes Problem bekommt, weil einfach die Leute nicht mehr kommen werden".
Daher ergründet der junge Penzberger Pastor die Motive für die Kirchenflucht. Zwischen Slackline und Gemüseständen erfährt er, was die Menschen an Kirche heute stört: "Es ist dieses Bevormundende. Sie haben das Gefühl, sie machen vielleicht was nicht richtig und fühlen sich nicht willkommen." Auch deshalb feiert der Nürnberger Pfarrer Hannes Schott Gottesdienst gern jenseits seiner altehrwürdigen Kirche.
Mehr Humor und Selbstkritik
Der 42-Jährige hat sich schon auf Facebook versteigert und einen Gottesdienst im Reisebus gefeiert – und taucht auch gern in Buchhandlungen auf. Dort liest er aus seinem Buch "Raus aus dem toten Winkel", in dem er sich über die Zukunft der Kirche Gedanken macht. Sein Konzept: mehr Humor und Selbstkritik. Sein nächstes Projekt: ein fränkischer Gottesdienst in einer Schreinerei.
So unterschiedlich die Ansätze der Pastorinnen und Pastoren sind, so ähnlich ist ihr Ziel. Sie wollen ihre Kirche diverser machen und die Hoffnung nicht aufgeben, sie wieder in der Mitte der Gesellschaft verankern zu können. 37 Grad begleitet die kirchlichen "Aktivistinnen" und "Aktivisten" bei den Aktionen für eine andere Kirche.