Das Literarische Quartett - "Ich habe durch dieses Buch wahnsinnig viel begriffen"
Die Bücher der Sendung:
Maria Judite de Carvalho, "Leere Schränke" (S. Fischer)
Vor zehn Jahren ist Dora Rosários Mann Duarte verstorben. Die Witwe vergräbt sich in ihrer Trauer, ihr Leben ist nur noch geprägt vom Kampf um das tägliche Auskommen für sich und ihre Tochter Lisa. Eines Tages eröffnet ihr ihre Schwiegermutter, dass Duarte sie nie geliebt habe. Diese Nachricht stellt für Dora Rosário alles bislang Geglaubte in Frage. Es ist dies der Moment für Veränderungen, für einen Schritt in ein neues Leben. 1966, als der Roman erschien, stand Portugal unter der Salazar-Diktatur. Vor diesem Hintergrund einer autoritären, männerdominierten Gesellschaft entfaltet sich das Schicksal der handelnden Personen. Zum ersten Mal liegt jetzt eine deutsche Übersetzung des portugiesischen Originals vor.
Katie Kitamura, "Die Probe" (Hanser)
Eine erfolgreiche Schauspielerin kommt zu einer Verabredung mit einem jungen Mann in ein Restaurant in Manhattan. Die Gegenwart von Xavier irritiert die Frau zusehends. Dazu behauptet er bei dieser Begegnung, er sei ihr Sohn. Was nicht sein kann, da sie nie Kinder bekommen hat. Als dann noch ihr Mann Tomas, ein erfolgloser Schriftsteller, auftaucht, beginnt ein Verwirrspiel, bei dem die Rollen der Beteiligten durcheinandergemischt und auf radikale Weise hinterfragt werden.
Annette Pehnt, "Einen Vulkan besteigen" (Piper)
Die 35 Geschichten im Erzählband "Einen Vulkan besteigen" von Annette Pehnt kreisen um existenzielle Erfahrungen und den Versuch, diese in Worte zu fassen. Es geht um Liebe, Abschiede, Einsamkeit und Tod. Die Ereignisse, die Schilderungen der Protagonisten , werden dabei in kurzen, einfachen, aber prägnanten Sätzen wiedergegeben. Die Form der bewussten Verknappung, das Weglassen alles Überflüssigen eröffnet neue Räume für Interpretationen.
Gerti Tetzner, "Karen W." (Aufbau)
Karen Waldau, die Ich-Erzählerin in Gerti Tetzners Roman, schildert ihren Ausbruch aus einem wohlgeordneten Leben. Sie verlässt ihren Mann Peter, gibt ihre Arbeit auf und zieht gemeinsam mit ihrer Tochter Bettina aufs Land, zurück in ihr Heimatdorf in Thüringen. Der Versuch, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist ein Schritt ins Ungewisse, ein Kampf um persönliche Freiheit. Ihr Streben nach Selbstverwirklichung bring sie in Konflikt mit den gesellschaftlichen Entwürfen der DDR-Gesellschaft. Der Roman "Karen W." wurde nach seinem Erscheinen 1974 in der DDR, in Ost und West ein großer Erfolg. Auf Druck der Stasi hatte Gerti Tetzner ihre Schriftstellerinnentätigkeit danach aufgegeben. Jetzt wurde der Roman wieder neu aufgelegt.
Die Gäste der Sendung:
Nora Bossong, geboren 1982 in Bremen, studierte Philosophie sowie Kultur- und Literaturwissenschaften in Berlin, Leipzig und Rom. Sie schreibt Romane, Gedichte und Essays und wurde u. a. mit dem Joseph-Breitbach-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Elisabeth-Langgässer-Preis ausgezeichnet. Ihre Reportagen erschienen in der ZEIT und im Spiegel, regelmäßig kommentiert sie im rbb. Sie engagiert sich im PEN Berlin, im ZdK und in der Jesuitengemeinde St. Canisius.
Cornelius Pollmer, geboren 1984 in Dresden, ist studierter Volkswirt und Absolvent der Deutschen Journalistenschule. Seit 2025 leitet er das Leipziger Büro der ZEIT sowie das Ressort ZEIT im Osten. Zuvor war er viele Jahre für die Süddeutsche Zeitung tätig, zuletzt im Feuilleton.
Philipp Tingler, geboren 1970, ist Schriftsteller, Literaturkritiker und Philosoph. Er studierte Wirt-schaftswissenschaften und Philosophie an der Hochschule St. Gallen, der London School of Econo-mics sowie der Universität Zürich. Für sein literarisches Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Gastgeberin:
Thea Dorn, geboren 1970, studierte Philosophie und Theaterwissenschaften in Frankfurt, Wien und Berlin und arbeitete als Dozentin und Dramaturgin. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane und Bestseller , u.a. "Die Hirnkönigin" (1999), Theaterstücke, Drehbücher und Essays. 2016 erschien ihr Roman „Die Unglückseligen“, 2018 „deutsch, nicht dumpf: Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“. 2021 ist ihr aktueller Roman „Trost: Briefe an Max“ erschienen. Bereits seit März 2017 gehörte sie neben Volker Weidermann und Christine Westermann zum festen Stamm des Literarischen Quartetts. Seit März 2020 ist Thea Dorn die Gastgeberin der Sendung. Dorn ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und Gründungsmitglied des PEN Berlin. Im November 2024 wurde sie zur Sprecherin des PEN Berlin gewählt. Diese Funktion übt sie zusammen mit Deniz Yücel aus.
"Das Literarische Quartett" wird im Rang-Foyer des Berliner Ensembles aufgezeichnet. Das nächste "Literarische Quartett" wird am 10. Oktober 2025 ausgestrahlt.