Wir wollten nur raus

Dieses Jahr werden es 33 Jahre sein. Doch beim Dreh zu diesem Film, als mein Kamerateam und ich die Gefühle der drei Menschen „einfingen“, spürten wir wie groß der Schmerz auch heute noch ist.

Als ich das erste Mal das Menschenrechtszentrum Cottbus besuchte, holten auch mich die düsteren Schatten der Vergangenheit ein. Auf einmal fühlte ich mich zurück in der DDR, der Schauer in einem Gefängnis zu landen, wenn man nicht spurte und nicht das sagte, was verlangt wurde, waren wieder da. Ich wusste schon zu DDR-Zeiten, dass ehemalige politische Häftlinge nicht über ihre Haft sprechen durften, mein Gitarrenlehrer soll im Gefängnis gewesen sein, aber darüber wurde nur geflüstert und auch ein Freund meiner Familie war inhaftiert. 1989 war für mich diese Angst vorbei.

Der Freund unserer Familie wurde rehabilitiert und war darauf sehr stolz. Mein erster Versuch über eine politische Haftanstalt (das „gelbe Elend“ im sächsischen Bautzen) einen Film zu machen, schlug beim MDR fehl. Über Berge voller Leichen wollte ich berichten, die es auch nach 1945 noch gab. Doch die Wende war noch nicht lange her, ich war neu im Geschäft und viele hatten ganz andere Interessen. Ich kam mit diesem Vorschlag nicht durch. Doch als ich der Chefin vom Menschenrechtszentrum Frau Wähling begegnete, die mir erzählte, dass ehemalige politische Häftlinge in der Gesellschaft kein Gehör finden und die Medien über so viele belanglose Dinge berichten würden, dass ihr das weh tut, dachte ich mir, wann wenn nicht jetzt?

Manch einer mag sagen, ist das nicht zu spät? Mag sein, dass es spät ist, aber vielleicht hat es auch so lange gebraucht. Viele der ehemaligen Häftlinge konnten nach 1989 noch nicht darüber sprechen, selbst als sie es endlich durften. Manch einer hat nach vielen Jahren gemerkt, dass er so nicht weiter machen kann und begonnen darüber zu reden. Doch wer kämpft für einen, wenn man es nicht selbst tut? Wer setzt sich für einen ein, wenn man noch nicht drüber sprechen kann? Im besten Fall erkennt das jemand, manchmal aber auch nicht.

Die drei Menschen, die ich interviewen dufte, können heute darüber reden. Doch es gibt viele, die sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen und noch nicht so weit sind. Auch für all diejenigen habe ich diesen Film gemacht. Damit sie den Mut haben Rechtsansprüche für Schäden aus der Haft zu stellen. Damit sie neben all ihren Problemen wenigstens keine großen Geldprobleme haben müssen.

Und dann gibt es noch die Jungen, die heranwachsen und denken, alles was wir haben ist selbstverständlich. Leider ist es das nicht und das merken wir gerade in diesen Tagen. Sie sollen wissen, wie hart eine Diktatur ist und was sie mit Menschen macht, die nicht in der Reihe tanzen wollen. Letztendlich geht es um die Frage, wie kann man Diktaturen vermeiden?

Die Jugend soll wissen, wie wertvoll Demokratie ist und soll sie bewahren, das treibt diese drei Menschen aus der Reportage an. In diesem Film steckt ein Teil deutscher Geschichte, der Menschen brechen wollte, die aber dennoch ihren Weg gehen. Ihr Lebensweg ist hart, doch sie sind herzlich, positiv und jammern nicht, sondern packen an und wirken aktiv in ihrem ehemaligen Gefängnis, das heute Menschenrechtszentrum ist.

Schöne Momente gab es auch – zum Beispiel als mir gesagt wurde, es tut gut mit ihnen zu reden. Beim Drehen zum Film hat sich mir immer wieder die Frage gestellt: Was zählt in düstersten Zeiten? Liebe und Freundschaft.

Ich würde mir wünschen, dass dieser Film nicht als „nur ein ostdeutsches Thema“ gesehen wird. Die Teilung Deutschlands war ein Ergebnis des II. Weltkrieges und geht uns alle an.