Fast jeder vierte Landwirt zeigt für eine Depression typische Symptome. Dreimal so viel wie im Rest der Bevölkerung. Zu den Auslösern gehören finanzielle Sorgen, Druck durch behördliche Auflagen sowie der schlechte Ruf des Bauern.
Einer der schlimmsten Tage
Christoph Rothhaupt aus Lebenhan in Bayern steht heute in einem leeren Kuhstall. Vor ein paar Jahren gab es dort noch rund 75 Rinder. "Der Tag, an dem die Tiere gegangen sind, war nach der Beerdigung meines Vaters einer der schlimmsten Tage", sagt er. Doch für Christoph war das Weggeben der Tiere die einzige Möglichkeit, um aus dem tiefsten Punkt seiner Depression herauszukommen.
Früher hat Christoph mit seinem Vater zusammengearbeitet. Nach dessen Tod musste er die Aufgaben auf dem Hof allein stemmen. Er stürzte sich in die Arbeit, oft bis spät in die Nacht. Ruhetage gab es keine. Seine Frau und sein kleiner Sohn bekamen ihn selten zu sehen, Christoph hat sich abgekapselt, sprach kaum über seine Sorgen. Erst als Suizidgedanken in sein Leben kamen, begriff er, dass er so nicht weitermachen kann. Er rief eine Krisenhotline an und bekam Hilfe.
Verantwortung für die Familie
Nach einer langen Zeit der Therapie hat der ehemalige Milchviehbauer einiges in seinem Leben umgestellt: Um weniger Verantwortung für Tiere zu haben, hat er alle Rinder abgeschafft und ist auf Gemüseanbau umgeschwenkt. Damit die Arbeit nicht nur auf seinen Schultern lastet, hat er sich mit zwei weiteren Gemüsebauern zusammengeschlossen. Inzwischen hat sich Christoph Inseln der Freizeit geschaffen. Die verbringt er meistens gemeinsam mit seiner Familie. "Viele Menschen stehlen sich aus dem Leben, weil sie denken, sie passen nicht mehr hierher", sagt Christoph. "Für mich ist das noch ein harter Punkt, weil ich dann meine Familie im Stich gelassen hätte und meinen Schmerz einfach weitergegeben hätte an meinen damals dreijährigen Sohn und meine Frau."
Seine Frau Marina ist froh, dass ihr Mann noch am Leben ist, jedoch weiß sie, dass jederzeit eine neue Krise kommen kann: "Ich glaube, dass keiner, der mal Depression, Burn-out und Suizidversuch hinter sich hat, sagen kann, dass er je wieder davon geheilt ist."
Eine Spirale nach unten
Auch Christian Kau vom Stockbornerhof in Rheinland-Pfalz kämpft gegen seine Depression. Der 38-Jährige ist in der Landwirtschaft aufgewachsen, hat nie etwas anderes gemacht und kann sich ein Leben ohne Tiere im Stall kaum vorstellen. Doch die Abhängigkeit vom Wetter, das die Ernte auf einen Schlag vernichten und die finanzielle Situation drastisch verschlechtern kann, hat ihn schon immer belastet. Dann kam noch eine Knieverletzung dazu, und die Sorgen wurden immer größer. "Es ist eine Spirale, die sich nach unten dreht", so beschreibt er seine Krankheit. 2009 bekam er die Diagnose. Es folgten mehrere Klinikaufenthalte, danach nahm er jahrelang Medikamente.
Jetzt versucht er, wieder ohne auszukommen. Seine Frau Tanja ist immer an seiner Seite, unterstützt ihn, wo es geht. Sie spürt als Erste, wenn sich sein mentaler Zustand wieder verschlechtert. Deshalb haben sie eine Abmachung: Tanja sagt, wenn Christian sich Hilfe suchen muss. Gemeinsam wollen sie es schaffen, den Hof weiterzuführen – trotz Depression.