Iglu-Studie: Viertklässler mit großen Leseschwächen

    Studie an deutschen Grundschulen:Iglu: Viertklässler mit großen Leseschwächen

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    Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Die Iglu-Studie bestätigt damit, was auch andere Untersuchungen zeigen: Das Schulsystem hat ein großes Problem.

    Schulklasse beim Leseunterricht
    Jeder vierte Viertklässler wird den Lese-Anforderungen nicht gerecht. Das hat die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung ergeben Deutschland hat sich damit erneut verschlechtert.16.05.2023 | 1:52 min
    Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann einer Studie zufolge nicht richtig lesen. Wie aus der an diesem Dienstag in Berlin vorgestellten internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) 2021 hervorgeht, erreichen 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre.
    Bei der letzten Iglu-Erhebung, die Ende 2017 veröffentlicht wurde, lag der Anteil dieser Gruppe noch bei 19 Prozent.

    Forscher: Studie "alarmierend"

    Der Anteil der betroffenen Schülerinnen und Schüler mit großen Leseschwierigkeiten ist nach Einschätzung der Studienautoren inzwischen "alarmierend hoch". Die betroffene Gruppe werde in ihrer weiteren Schullaufbahn "erhebliche Schwierigkeiten in fast allen Schulfächern haben", sofern sie den Rückstand nicht aufholen könne.
    Die Studie zeigt außerdem: International schneiden Grundschüler in Deutschland bei der Lesekompetenz schlechter ab als Gleichaltrige in vielen anderen Ländern.
    Der IQB-Bildungstrend zeigte schon im Herbst, dass Viertklässler in Mathe und in Deutsch massive Probleme haben:

    Autoren: Aus Pisa nichts gelernt

    Die Autorinnen und Autoren stellen der deutschen Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus: Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vor mehr als 20 Jahren im Zuge des sogenannten Pisa-Schocks formulierten Ziele für die Weiterentwicklung der Bildung in Deutschland seien an vielen Stellen verfehlt worden.
    Im November vergangenen Jahres sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger bereits, dass er bei der nächsten Pisa-Studie in diesem Jahr "dramatische" Leistungsabfälle deutscher Schüler erwarte.
    Die ernüchternden Befunde von Iglu reihen sich die Ergebnisse anderer Bildungsstudien ein. Erst im vergangenen Jahr hatte der IQB-Bildungstrend, eine ebenfalls regelmäßige Test-Reihe unter Viertklässlern, gezeigt, dass diese in den sogenannten Basiskompetenzen in Mathe und Deutsch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefallen sind.

    • Die Iglu-Tests werden seit 2001 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt.
    • Verantwortlich ist das Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund.
    • Gefördert wird das Projekt von der KMK und dem Bundesbildungsministerium.
    • Die aktuelle Erhebung stammt von 2021.
    • Teilgenommen haben rund 4.600 Schüler aus 252 vierten Klassen in Deutschland.
    • Sie bekamen jeweils Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben, die sie an Laptops lösen mussten.
    • International nahmen rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil.
    Quelle: dpa

    Am besten lesen Kinder aus Singapur

    Nach Auswertung der Ergebnisse wurden für die Länder Punktwerte vergeben. Den Spitzenplatz belegt Singapur mit 587, ganz hinten steht Südafrika mit 288 Punkten. Die Viertklässler in Deutschland landen mit 524 Punkten im internationalen Lese-Vergleich im Mittelfeld, etwa im EU- und OECD-Schnitt.
    Länder wie Spanien, Frankreich oder Belgien schneiden schlechter ab. Weit besser als in Deutschland sind die Lese-Leistungen dagegen zum Beispiel in England oder Polen.
    Der deutsche Punktwert sank nach anfänglicher Verbesserung Mitte der 2000er Jahre nun zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand. Länder wie Russland oder Slowenien konnten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich verbessern.

    In Deutschland, den Niederlanden und Schweden zeigt sich eine problematische Entwicklung.

    Bericht aus der Studie

    Die große Mehrheit der Deutschen findet, dass in Deutschland zu wenig für Bildung getan wird. Das zeigt das ZDF-Politbarometer vom 17. März
    Politbarometer vom 17.03.2023, "In Deutschland wird für Schule und Bildung ..."
    Quelle: ZDF

    Forscher: Keine Veränderung beim Thema Chancengleichheit

    Die Entwicklung sei nicht nur auf eine Veränderung der Zusammensetzung der Schülerschaft zurückzuführen. Angenommen wird auch, dass es einen Zusammenhang mit Corona gibt. Der Schulbetrieb war während dieser Zeit stark eingeschränkt, etwa durch Schließungen.
    Der altbekannte Befund aus anderen Studien wird auch in dieser Untersuchung bestätigt: Kinder aus privilegierten Elternhäusern haben größere Chancen auf Bildungserfolg als andere Kinder. Im 20-Jahre-Trend zeige sich weder eine Verstärkung noch Reduzierung dieses Problems. Es habe sich im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit "praktisch nichts verändert", so das Fazit der Wissenschaftler.
    Quelle: dpa

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