Lehrkräftemangel in Deutschland: Was Lehrer brauchen

    Schulen in Deutschland:(Gute) Lehrer? Mangelware!

    von Henriette de Maizière
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    Tatjana Inkin ist beim Deutschen Lehrkräftepreis als "ausgezeichnete Lehrkraft" geehrt worden. Aber was braucht es eigentlich, um eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer zu sein?

    Lehrerin, die mit den Deutschen Lehrkräftepreis ausgezeichnet wurde.
    Der Deutsche Lehrkräftepreis zeichnet Lehrer aus, die engagiert sind, ihre Klasse motivieren und sie womöglich für das Leben prägen. Unter anderem wurde eine Lehrerin aus Berlin ausgezeichnet.08.05.2023 | 1:54 min
    Tatjana Inkin ist Lehrerin aus Leidenschaft. "Man muss investieren wollen, um in diesem Beruf glücklich zu werden - von sich, von seiner Zeit, von Ideen. Das bin ich - das ist mein Leben", sagt sie.
    Inkin ist Lehrerin für Deutsch und Geschichte am Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium in Berlin. Und sie ist ausgezeichnet worden beim diesjährigen Deutschen Lehrkräftepreis, ausgelobt vom Deutschen Philologenverband und der Heraeus-Stiftung. Es ist ein Preis, der Wertschätzung und das Image des Lehrberufs steigern soll.
    "Sie bringt unsere Schule zum Leuchten", so die Begründung ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie bewerte gerecht, sei außerordentlich engagiert und habe ein gutes Zeitmanagement, so die Begründung der Jury.
    Die pensionierte Lehrerin über Schulheften.
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    Arbeitszeiterhöhung gegen Lehrermangel?

    Doch in Deutschland herrscht Lehrkräftemangel: Laut Kultusministerkonferenz fehlen bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte. Einige Bundesländer denken inzwischen über eine Arbeitszeiterhöhung für Lehrerinnen und Lehrer nach.
    Experten bezweifeln jedoch, dass sich so das Problem lösen lässt. Das vorherrschende Arbeitsmodell sei "ungerecht, unflexibel und ineffizient", findet Bildungsexperte Mark Rackles (SPD). Von 2011 bis 2019 war er als Staatssekretär für Bildung im Senat von Berlin tätig. Im Auftrag der Telekom-Stiftung hat er ein Gutachten erstellt, welches die "Lehrkräftearbeitszeit in Deutschland" untersucht.
    Quereinsteiger-Lehrerin am Schreibtisch
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    Schon durch vorherige Studien von der Universität Göttingen ist bekannt: In der Schulzeit kommen Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland im Schnitt auf knapp 50 Arbeitsstunden pro Woche. Eine Arbeitsverdichtung, die belastet und auch durch die Ferien oft nicht ausgeglichen werden kann.

    Experte: Schulen brauchen mehr Menschen, aber nicht unbedingt mehr Lehrer

    Nur etwa ein Drittel dieser Zeit verbringen Lehrer und Lehrerinnen wirklich mit Unterrichten im Klassenzimmer. Neben der Vor- und Nachbereitung, Korrekturen, Fortbildung und Beratung beanspruche eine Vielzahl nicht-pädagogischer Aufgaben die restliche Zeit.

    Viele Lehrerinnen und Lehrer gehen in Teilzeit, weil sie das Gefühl haben: 'Ich kann seriös den Unterricht nur schaffen, wenn ich auf eine Teilzeitstelle gehe'.

    Mark Rackles, Bildungsexperte

    "Die Arbeit mit Kindern macht vielen Menschen Spaß, aber die wollen ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden." Rackles ist der Ansicht, moderne Schule brauche mehr Menschen, aber nicht unbedingt mehr Lehrkräfte. "Im Umgang mit den bestehenden Ressourcen könnten wir besser werden. Dazu müssten wir aber neue Professionen, neue Berufsgruppen an die Schule holen: Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen, Assistentinnen und Assistenten, die einfach die Jobs machen, für die nicht die hoch bezahlte Lehrkraft notwendig ist."
    Blick in ein Klassenzimmer.
    Unterrichtsausfall, gekürzte Stundenpläne, größere Lerngruppen. Experten schätzen: In Deutschland fehlen Zehntausende Pädagogen. Es herrscht Lehrermangel ohne Aussicht auf Besserung.18.05.2023 | 28:36 min
    Ein Modell, welches an Tatjana Inkins Schule schon gut funktioniert. Auch, weil die Schule mit Martin Wagner einen starken Direktor hat. Er ist nicht nur Lehrer: Er hat ein Zusatzstudium absolviert, um den zusätzlichen Aufgaben als Führungskraft gerecht werden zu können. Er sagt:

    Wir haben das Glück, dass wir einen sozialpädagogischen Bereich haben (…) mit insgesamt vier Sozialpädagoginnen und Pädagogen. Das ist ein echtes Geschenk und die unterstützen uns ganz stark darin, Probleme, die Schüler und Schülerinnen haben, entsprechend professionell anzugehen.

    Martin Wagner, Direktor am Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium in Berlin

    Beziehungsarbeit im Unterricht wichtig

    Doch auch der Kontakt im Unterricht bleibe wichtig, dort leiste man Beziehungsarbeit: "Es braucht ein glühendes Herz", so Schuldirektor Wagner. Es brauche Empathie, die Bereitschaft, sich auf junge Menschen einzulassen. "Denn sonst bin ich ein Technokrat und kann den Schülerinnen und Schülern nicht viel vermitteln."
    Bei seiner Kollegin Tatjana Inkin scheint das zu klappen. Für sie ist klar: Es braucht Engagement, Zugewandtheit, Zeit und vor allem gute Rahmenbedingungen, um eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer zu sein.

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