Messerangriff in Brokstedt:Lebenslange Haft für tödliche Messerattacke
von Winnie Heescher, Itzehoe
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Im Prozess um die tödliche Messerattacke in Brokstedt hat das Landgericht Itzehoe Ibrahim A. wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Als der Richter das Urteil verliest, ist es sehr still im Saal. Nur aus der linken Ecke kommt ein leises Gemurmel: Für Ibrahim A. wird das Urteil auf arabisch übersetzt. Ob er es versteht, lässt sich nicht ausmachen: Der 34-jährige Palästinenser hatte stark geblinzelt, als der den Gerichtssaal betreten hatte, als ob das fahle Licht ihn blendet, und dann hatte er das Urteil nahezu regungslos entgegengenommen.
Richter Johann Lohmann spricht das Urteil langsam und deutlich. Das Landgericht Itzehoe verurteilt Ibrahim A. wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellt auch die besondere Schwere der Schuld fest, was bedeutet, dass eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen ist.
Richter: "Eine Antwort auf das Warum können wir nicht geben"
"Eine außergewöhnliche Verhandlung um eine außergewöhnlich erschütternde Tat findet ihr Ende, eine Tat, die zwei Menschen das Leben gekostet und zahlreichen Menschen Leid gebracht hat", sagt Richter Johann Lohmann. Und:
Eine Antwort auf das Warum können wir nicht geben. Der Angeklagte hatte sich deutlich vor Betreten des Zuges entschieden, Menschen zu töten.
Johann Lohmann, Richter
Seine Opfer habe er beliebig ausgewählt, er wollte Vergeltung üben für die vermeintliche Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren sei, so der Richter.
"Wieviele?" fragt Ibrahim A. im Polizeiwagen nach der Tat 2023
Es ging für das Gericht in diesem Prozess darum, den Tag des 25. Januars zu rekonstruieren und die Person des Täters zu verstehen: Am 19. Januar 2023 wird Ibrahim A. nach einem Jahr U-Haft in Hamburg entlassen. Er hatte einen Mann schwer mit einem Messer verletzt. Auch vorher war der Palästinenser, der 2014 nach Deutschland kam, und hier geduldet wurde, mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Drogen, Diebstahl und eben Körperverletzung.
Sechs Tage später, am 15.01.2023 fährt Ibrahim A. nach Kiel. Er will bei der Ausländerbehörde seine Papiere verlängern, was ihm nicht gelingt. "Frustrierend" nennt das Gericht diese Behördengänge für Ibrahim A., will darin aber nicht den einzig entscheidenden Auslöser sehen für die Tat, die dann folgte.
Ibrahim A. klaut im Supermarkt in Kiel ein Küchenmesser, steigt in den Zug nach Hamburg und tötet zwei junge Menschen, eine 17-jährige Schülerin und ihren 19-jährigen Freund und verletzte vier weitere Menschen schwer. Im Polizeiwagen, so zitiert der Richter, habe der Täter einen Polizisten gefragt: "Wieviele?" und später im Krankenhaus gesagt "Eins Frau, eins Mann?" Auch nach der Nationalität der Opfer soll er gefragt haben.
Gericht folgt psychiatrischem Gutachten: Ibrahim A. schuldfähig
Der Richter nimmt in seiner Urteilsbegründung auch den Bonner Pflichtverteidiger Björn Seelbach auseinander: Mehr oder weniger offen unterstellt er, der Pflichtverteidiger habe seinem Mandanten Formulierungen oder Tatsachenbehauptungen in den Mund gelegt.
Der Pflichtverteidiger hatte gesagt, Ibrahim A. hätte sich das Messer für den Besuch eines Freundes in Hamburg besorgt und seine Verteidigung darauf aufgebaut, es habe vorher eine Interaktion zwischen Ibrahim A. und den beiden Teenagern gegeben.
Für falsch und frei erfunden, hält dass das Gericht. Es folgt im Strafmaß der Anklage der Staatsanwaltschaft und in der Frage, ob der Angeklagte psychisch krank sei oder nicht, dem Urteil eines Gutachters, der Ibrahim A. im Prozess als voll schuldfähig eingestuft hatte. "Was haben diese Menschen im Zug mit der Misere des Angeklagten zu tun?", fragt Richter Johann Lohmann auch. Seine Antwort: "Nichts."
Winnie Heescher ist Korrespondentin im ZDF-Landesstudio Schleswig-Holstein.