Was der Tod des "Terror-Doktors" Al-Sawahiri bedeutet

    FAQ

    Al-Kaida-Chef Al-Sawahiri :Was der Tod des "Terror-Doktors" bedeutet

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    Al-Kaida-Anführer Al-Sawahiri ist bei einem Anti-Terror-Einsatz der USA in Afghanistan getötet worden. Wer er war - und was sein Tod für das Terrornetzwerk bedeutet. Ein Überblick.

    Er war einer der Drahtzieher von 9/11 und einer der meistgesuchten Terroristen der Welt: Die USA haben bei einem Drohnenangriff in der afghanischen Hauptstadt Kabul Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri getötet. Wer er war - und was sein Tod bedeutet: ein Überblick.

    Wer war Al-Sawahiri?

    Aiman al-Sawahiri war Nachfolger von Osama bin Laden, der 2011 in Pakistan bei einem aufsehenerregenden Einsatz von einer US-Spezialeinheit getötet worden. Al-Sawahiri galt als eine zentrale Figur hinter den mit entführten Flugzeugen verübten Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA. Washington hatte ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.
    Trümmer des Terroranschlags in New York, 09. September 2001
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    Schon vor den Anschlägen hatte sich der gelernte Arzt aus Kairo den Spitznamen "Terror-Doktor" erworben. Er entstammt einer angesehenen Familie aus dem Nil-Delta. Sein Großvater war einst Imam der berühmten Kairoer Al-Azhar Moschee. Al-Sawahiri war ursprünglich Mitglied der in Ägypten offiziell verbotenen Moslembruderschaft.
    Der "Terror-Doktor" verfasste vor seinem Abtauchen in den Untergrund mehrere Bücher. In Ägypten wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
    Die Verbindung zu Bin Laden soll in die späten 80er zurückreichen, als der gelernte Arzt Al-Sawahiri den saudischen Millionär in Höhlen in Afghanistan behandelte, während in Bergen um sie herum Bomben der Sowjet-Truppen einschlugen. In den 90er Jahren ließ Al-Sawahiri seine ägyptische Extremistengruppe in Bin Ladens Al-Kaida aufgehen.
    Osama bin Laden und Aiman al-Sawahiri
    Osama bin Laden und Aiman al-Sawahiri: In der Zeit nach den Anschlägen vom 11. September kursierten Fotos, die den Ägypter neben Bin Laden sitzend zeigten.
    Quelle: epa

    Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Al-Sawahiri im vergangenen September - genau 20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. In einer Videobotschaft rief er seine Anhänger damals auf, die Staaten im Westen und ihre Verbündeten im Nahen Osten zu bekämpfen.
    In den Jahren davor hatte es unbestätigte Gerüchte über seinen Tod gegeben. Sein genauer Aufenthaltsort war unbekannt. Experten hatten zuletzt vermutet, dass sich Al-Sawahiri im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan versteckt.

    Wie lief der Einsatz ab?

    Die Tötung Al-Sawahiris kam überraschend - kurz vor dem ersten Jahrestag des Truppenabzugs aus Afghanistan. Nach Angaben eines US-Regierungsvertreters wurde der 71-Jährige am frühen Sonntagmorgen auf dem Balkon eines Hauses in Kabul durch zwei von einer Drohne abgefeuerte Raketen vom Typ Hellfire getötet. Keiner von Al-Sawahiris Familienangehörigen, die sich mit ihm in dem Haus aufgehalten hätten, sei dabei verletzt worden.
    Nach Angaben von US-Präsident Joe Biden hatten die US-Geheimdienste den "Terror-Doktor" in diesem Jahr aufgespürt. Er sei "in die Innenstadt von Kabul" gezogen, um wieder mit seiner Familie zusammen zu leben. Biden sagte, er habe einen "Präzisionsschlag" gegen den Al-Kaida-Anführer genehmigt und vor einer Woche das endgültige grüne Licht gegeben.
    Eine ranghohe Vertreterin der US-Regierung sagte, die Attacke auf Al-Sawahiri sei über Monate vorbereitet worden. Für den Schlag gegen ihn seien keine amerikanischen Kräfte in Kabul gewesen.

    Die gezielte Tötung beweist, dass eine Terrorbekämpfung aus der Ferne möglich ist - mit Hilfe satellitengestützter und elektronischer Überwachung, aber auch dank guter Quellen in Kabul.

    Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington

    Al-Sawahiri lebte in Kabul. Wird der islamische Terror dort unter den Taliban wieder stark?

    "Die Taliban haben kein Interesse daran, dass Al-Kaida in Afghanistan ein starker militärischer Faktor wird", sagte ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. "Aber offenbar geben sie der Führung Schutz, damit sie von dort Operationen in anderen Regionen ideologisch befeuern kann."

    Dass Al-Sawahiri auf der Terrasse eines Hauses getötet wurde, das offenbar dem afghanischen Innenminister Haqqani gehört, zeigt die enge Verbindung zwischen im Kern islamistisch-terroristischen Gleichgesinnten.

    Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington

    Ein US-Regierungsvertreter warf den Taliban vor, Al-Sawahiris Aufenthalt in Kabul sei ein "klarer Verstoß" gegen das Abkommen von Doha aus dem Jahr 2020 gewesen. Das unter Bidens Vorgänger Donald Trump geschlossenen Abkommen hatte den Weg für den US-Abzug aus Afghanistan bereitet. Die Taliban hatten unter anderem einen Bruch mit Al-Kaida zugesagt.
    Der UN-Sicherheitsrat hat immer wieder über enge Beziehungen zwischen Al-Kaida und den Taliban berichtet. 

    Welche Rolle spielt Al-Kaida heute noch?

    "Al-Kaida ist heute ein größeres und vielfältigeres Terrornetzwerk als im Jahr 2001. Mehr als dreißig Gruppen mit mehr als 50.000 Kämpfern in zahlreichen Ländern von Mali über Jemen bis Syrien haben der Führung den Treueeid geschworen", sagte ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. "Sie agieren weitgehend autonom. Der Schwerpunkt von Al-Kaida liegt derzeit in Syrien, wo sich mutmaßlich auch die führenden Köpfe des Netzwerks aufhalten."
    Al-Kaida musste in den vergangenen Jahren jedoch Rückschläge einstecken. Einige Beobachter halten die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) schon seit langer Zeit für die größere Gefahr als Al-Kaida. Experten argumentierten jedoch, dass ihr Fokus auf globalen Terror weiter Gefahrenpotenzial habe. Und Beobachter warnten davor, dass die Gruppe unter der Duldung der Taliban zu neuer Stärke kommen könnte.

    Wer könnte Al-Sawahiri an der Spitze Al-Kaidas nachfolgen?

    Die Tötung von Al-Sawahiri ist ein erheblicher Schlag gegen das Terrornetzwerk. Neben Bin Laden hat kaum eine andere Figur Al-Kaida stärker geprägt als der gebürtige Ägypter. Allerdings gelang es Al-Sawahiri nie, unter den Dschihadisten das ikonenhafte Ansehen seines Vorgängers zu erreichen.

    Al-Sawahiri war in den vergangenen Jahren eher nerviger Propagandist früherer Erfolge der Al-Kaida als aktiver Strippenzieher des Terrornetzwerks, aber die Unterstützung der Taliban hätte ihn wieder deutlich gefährlicher gemacht.

    Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington

    Wer nun die Führung Al-Kaidas übernehmen könnte, war zunächst unklar. "Natürlicher Kandidat wäre ein alter Weggefährte Bin Ladens und Al-Sawahiris: der Terrorplaner Seif al-Adel, den die CIA in Syrien vermutet", sagt Elmar Theveßen.

    Wie sind die Reaktionen?

    US-Präsident Joe Biden lobte den Anti-Terror-Einsatz gegen Al-Sawahiri: "Die Mission war ein Erfolg", sagte er. Der Einsatz sei ein klares Signal an jeden Feind der USA:

    Egal, wie lange es dauert, egal, wo du dich versteckst: Wenn du eine Bedrohung für unsere Bevölkerung bist, werden die USA dich finden und ausschalten.

    US-Präsident Joe Biden

    Der ehemalige US-Präsident Barack Obama, in dessen Amtszeit die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden veranlasst wurde, bezeichnetet den tödlichen Einsatz gegen Al-Sawahiri als "Gerechtigkeit". Er sei ein Beweis dafür, dass man Terrorismus bekämpfen könne ohne mit Afghanistan im Krieg zu sein, schrieb er auf Twitter.
    Tweet von Barack Obama
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    Saudi-Arabien begrüßte die Nachricht von Al-Sawahiris Tod. Al-Sawahiri habe "die Planung und Ausführung von abscheulichen Terror-Operationen in den USA, in Saudi-Arabien und vielen anderen Ländern in aller Welt angeführt", erklärte das Außenministerium des Königreichs.
    Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, schrieb auf Twitter, dass mit dem Tod des Al-Kaida-Chefs Al-Sawahiri das Terrornetzwerk "keinesfalls besiegt" sei. "Finanzströme und Terrorfinanzierung bleiben weiterhin größtes Problem."
    Tweet von Lamya Kaddor
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    Quelle: dpa, AFP, AP, ZDF