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Russlands hybrider Krieg:Warum Putins Schattenflotte gefährlicher wird
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Seit Jahren umgeht Russland mit nicht registrierten Tankern Sanktionen. Doch nun sieht es so aus, als setze Moskau die Schiffe auch für seinen hybriden Krieg gegen den Westen ein.
Es kommt zu häufig vor, als dass es ein Zufall sein könnte. Attacken auf kritische Infrastruktur von Nato-Staaten in der Ostsee. Mal wieder hat es ein Kabel getroffen und mal wieder fällt der Verdacht auf ein russisches Schiff. Die Schleifspur am Meeresgrund soll mehrere Dutzend Kilometer lang sein, sagen finnische Ermittler. Sie setzten den Öltanker "Eagle S" fest.
An Bord fanden sie Fernmeldeaufklärung und sie vermissten den Anker. Finnland verdächtigt die "Eagle S", Teil von Russlands Schattenflotte zu sein. Damit ist die "Eagle S" ein neues Phänomen, denn Attacken durch die Schattenflotte kannte man bisher nicht. Es ist eine neue Etappe in diesem hybriden Krieg.
Russische Schiffe: Risiko für Sicherheit und Umwelt
Laut Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik besteht die Schattenflotte aus "alten, oftmals ausrangierten Öltankern, die dazu dienen, westliche Sanktionen mit Blick auf die Preisobergrenze für russische Ölexporte zu umgehen". Diese Schiffe seien nicht registriert und werden von Russland selbst betrieben. Die Tanker sind oft lange nicht modernisiert worden. Das macht sie zu einem gewaltigen schwimmenden Risiko für die Sicherheit auf den Weltmeeren aber auch für die Umwelt.
Erst vor zwei Wochen waren in der Straße von Kertsch zwei 50 Jahre alte Öltanker havariert. Die Regionalregierung der von Russland völkerrechtswidrig besetzten Halbinsel Krim rief vor zwei Tagen den Notstand aus. Man bekomme die Ölpest nicht in den Griff. Dass Russland vollkommen veraltete Tanker auf die Weltmeere schickt, um damit seinen Ölexport aufrechtzuerhalten, ist das eine. Dass die Schattenflotte jetzt jedoch auch aktiv Attacken auf die kritische Infrastruktur ausübt, ist das andere. Doch die Tanker sind perfekt geeignet für solche Attacken.
Undurchsichtige Eigentümerstrukturen
Der Westen wirft dem Kreml seit Jahren vor, beim Transport seines Öls auf Tanker zu setzen, die undurchsichtige Eigentümerstrukturen aufweisen und oft die Flagge wechseln, unter der sie fahren. Dazu würden Länder mit laxeren Gesetzen genutzt, als es der Westen vorschreibt. Es handelt sich um Schiffe, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder von westlichen Versicherungen versichert worden sind. Es sind quasi anonyme Riesen, die sich perfekt für die hybride Kriegsführung im Sinne des Kreml eignen.
Die Flotte, die sich Moskau da zusammengestellt hat, hat eine neue Dimension erreicht.
Inzwischen hat Russland eine Flotte von 17 Prozent der globalen Öltanker aufgebaut, was eine enorme Zahl ist. Für Russland ist Öl das mit Abstand wichtigste Exportprodukt, was für das russische Budget zentral ist, wichtiger als Gas oder andere Rohstoffe.
Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Trotz der Sanktionen exportiert Russland enorme Mengen an Erdöl. Der ukrainische Thinktank KSE Institute geht in seiner Prognose für 2024 von russischen Einnahmen durch Öl in Höhe von 193 Milliarden US-Dollar aus. Das verdeutlicht, dass die von westlichen Sanktionen festgelegte Preisobergrenze und auch Export-Restriktionen nicht wirklich funktionieren. Russland verkauft weiter munter Öl, auch über die Schattenflotte, die mittlerweile weit mehr als 1.000 Schiffe zählt.
Nun scheint es, als habe sich Putins Schattenflotte weiterentwickelt. Jetzt wird nicht mehr nur am Westen vorbei exportiert, sondern auch verdeckt attackiert. Das ist vor allem für Deutschland ein Problem. Gerade in der Ostsee verlaufen einige wichtige Versorgungsstränge für die Bundesrepublik. Allen voran die Gaspipeline mit Norwegen. Seit Deutschland kein Gas mehr über Nordstream 1 bezieht, ist Norwegen zum wichtigsten Energiepartner in diesem Sektor geworden. Würde die dortige Pipeline einer Attacke zum Opfer fallen, hätte Berlin ein Problem.
Experte: Moskau will europäische Gesellschaften verunsichern
Die Strategie des Kreml ist bekannt, meint auch Stefan Meister. Es gehe vor allem darum, die deutsche aber auch die europäischen Gesellschaften zu verunsichern. Moskau wolle, dass man sich in der EU der eigenen Verletzlichkeit bewusst wird. "Das kann wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch politische Konsequenzen haben", sagt Meister.
Am Ende geht es darum, demokratische Gesellschaften zu zersetzen und die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Vor allem Deutschland könnte ein Ziel werden. In knapp zwei Monaten ist Bundestagswahl und der Kreml hat ein großes Interesse daran, Unsicherheit und Unzufriedenheit in der deutschen Bevölkerung zu schüren. Hybride Attacken gegen die Energiesicherheit der Bundesrepublik dürfte Putin als ein adäquates Mittel betrachten.
Sebastian Ehm berichtet als ZDF-Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
Quelle: dpa
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