Asylbewerber: Zahnarzt-Aussagen von CDU-Chef Merz im Check

    FAQ

    Wirbel um Merz-Aussagen:Wie Asylbewerber beim Arzt versorgt werden

    von Nils Metzger und Oliver Klein
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    "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen", sagte Friedrich Merz über abgelehnte Asylbewerber. Welche Ansprüche auf Leistungen haben Migranten tatsächlich?

    CDU-Parteivorsitzender Friedrich Merz
    CDU-Chef Friedrich Merz hat mit einer Aussage über Migranten, die sich beim Arzt die Zähne machen ließen, für Kritik gesorgt. Sehen Sie hier seine Aussage bei Welt TV im Original.28.09.2023 | 0:32 min
    CDU-Parteichef Friedrich Merz polemisiert erneut mit einer Aussage zu Asylbewerbern in Deutschland - und sorgt für heftigen Widerspruch. Im Nachrichtensender "Welt" sagte Merz am Mittwoch: "Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen."

    Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.

    Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender

    Am Donnerstag legte die Union nach, der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "Friedrich Merz hat Recht. (...) Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber in Deutschland sind zum Teil seit Jahren ausreisepflichtig. Dennoch können sie zum Nulltarif das deutsche Gesundheitssystem nutzen." Ist diese Kritik zutreffend? Und wie ist die Gesundheitsversorgung für Asylbewerber? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
    CDU-Chef Merz sitzt im Deutschen Bundestag.
    Geflüchtete ließen sich "die Zähne neu machen", während Deutsche warten müssten. Es ist nicht das erste Mal, dass der CDU-Chef nach Aussagen zur Migration heftige Kritik erntet. 28.09.2023 | 1:43 min

    Welche Leistungen bekommen Asylbewerber?

    Dass auch abgelehnte Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen das deutsche Gesundheitssystem nutzen dürfen, ist korrekt. Jedoch heißt das nicht, dass sie die gleichen Leistungen erhalten wie reguläre Patientinnen und Patienten. Insbesondere der Vorwurf, sie könnten sich ohne Not die Zähne neu machen lassen, stimmt so nicht.

    Dass sich Geflüchtete massenhaft in Deutschland die Zähne machen lassen, wie Friedrich Merz gesagt hat, das geht im Regelfall nicht.

    Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer in der "FAZ"

    Geregelt sind die Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Dort heißt es in Paragraf 4: "Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren."
    Eingeschränkt wird: "Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist." Es geht hier also ausschließlich um eine Notversorgung.
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    Welche Leistungen bekommen auch abgelehnte Asylbewerber?

    Stand Ende Juni lebten rund 279.000 ausreisepflichtige Personen in Deutschland. Die Notversorgung umfasst explizit auch abgelehnte Asylbewerber, die in Deutschland leben. Dazu erhalten sie auch weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung - im Gegensatz zu Regelungen in vielen anderen EU-Staaten.
    Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass die kassenärztlichen Vereinigungen teils je nach Bundesland Sonderregeln zur Versorgung von Flüchtlingen mit den Krankenkassen getroffen haben. Was im einen Bundesland also ein behandlungspflichtiger Notfall ist, gibt anderswo kein Anrecht auf Behandlung. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte ZDFheute:

    Rechtlich gibt es einen Unterschied in der Behandlung zwischen abgelehnten und angenommenen Asylbewerbern. Doch in der Praxis ist das oft kaum zu realisieren. Kommt ein Patient mit Schmerzen in die Praxis wird er natürlich behandelt - unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus.

    Dr. Andreas Gassen, Kassenärztliche Bundesvereinigung

    Nach einer gesetzlichen Wartezeit von 18 Monaten nach Ankunft in Deutschland ändert sich der Status: Ab dann werden Asylbewerber von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. "Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte, mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte", heißt es dazu auf der Homepage des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Diese Frist von 18 Monaten überschritten hatten laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Stichtag 31. August etwa 298.000 Asylbewerber und Geduldete.
    Insbesondere beim Zahnarzt sind viele Leistungen für Versicherte zuzahlungspflichtig, so oft auch Zahnersatz. Für solche Kosten müssen Asylbewerber zunächst nicht selbst aufkommen, für die ersten 18 Monate sind sie von Zuzahlungen befreit. Die Kosten übernehmen die auf Landesebene zuständigen Behörden. Nach Ablauf dieser Wartezeit müssen sie wie andere Versicherte auch Zuzahlungen selbst bezahlen.
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    Werden andere wegen Asylbewerbern weniger gut versorgt?

    Gassen bestätigt, dass es bei vielen Ärzten immer längere Wartezeiten gibt.

    Grund dafür sind jedoch nicht abgelehnte Asylbewerber, sondern ein chronisch unterfinanziertes Gesundheitssystem.

    Dr. Andreas Gassen, Kassenärztliche Bundesvereinigung

    Genaue Zahlen, wie viele zahnärztliche Behandlungen Asylbewerber und Geduldete jährlich in Anspruch nehmen, hat ZDFheute bei mehreren zuständigen Organisationen angefragt, liegen bislang aber noch nicht vor. Laut KBV ist das Leistungsspektrum für Asylbewerber verglichen mit dem für reguläre Versicherte nicht vergleichbar. "Es geht hier nur um das 'gesundheitliche Existenzminimum'", so Gassen.
    In der Praxis sei es aber nicht immer sicher zu verhindern, dass auch Leistungen erbracht würden, die über dieses Minimum hinausgingen, wenn ein abgelehnter Asylbewerber mit Schmerzen zum Arzt ginge. "Das kann eigentlich auch nicht die Aufgabe der Kolleginnen und Kollegen sein", betonte Gassen.

    Sind die Sozialleistungen für Migranten in Deutschland höher als in anderen EU-Ländern?

    "Wir müssen uns über die Pull-Faktoren hier in Deutschland unterhalten", sagte Merz in seinem umstrittenen Auftritt. Heißt: Welche Anreize ziehen Flüchtende hierher? Bietet Deutschland beispielsweise deutlich mehr finanzielle Unterstützung oder bessere Gesundheitsversorgung als andere Länder der EU?
    Ein Blick auf die Zahlen: Deutschland zahlt für Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht die höchsten Sätze in Europa - die Sozialleistungen in Europa gehen weit auseinander. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. "Einige Länder haben sehr großzügige Sozialleistungssysteme und eine umfassende Gesundheitsversorgung, während andere Länder sehr restriktive Regularien aufweisen", heißt es in dem Bericht.
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    So können Geflüchtete in laufenden Asylverfahren in Frankreich pro Monat etwa 426 Euro erhalten, in Österreich 425 Euro, Schweden zahlt 180, Griechenland 150 und Ungarn nur 60 Euro. In Deutschland sind es 410 Euro pro Monat. Allerdings: Ein Vergleich der Leistungen ist wegen der unterschiedlichen Sozialsysteme, der unterschiedlichen Einstufung von Einwanderern und Asylregelungen und auch wegen unterschiedlicher Kaufkraft in den verschiedenen Ländern nur bedingt aussagekräftig - darauf weist die Untersuchung gleich zu Beginn hin.
    In Deutschland haben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz selbst ausreisepflichtige Ausländer noch Anspruch auf Sozialleistungen. Das sei eine deutsche Besonderheit, zitiert die "Welt am Sonntag" den Konstanzer Ausländerrechtsexperten Daniel Thym. In Frankreich hingegen gilt dem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes zufolge: "Ausländer aus Drittstaaten ohne Aufenthaltsrecht, zum Beispiel nach Ablehnung des Asylantrags, haben in der Regel keinen Anspruch auf Leistungen zur Existenzsicherung und keinen Zugang zum Gesundheitssystem."

    Debatte über Asylbewerber
    :Sozialtourismus bis Zahnarzt: Das Muster Merz

    CDU-Chef Merz irritiert mit einer Aussage zu Asylbewerbern, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnähmen. Selbst in der CDU fragen sie sich, welche Strategie Merz verfolgt.
    von Dominik Rzepka
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    Analyse
    Quelle: Mit Material von dpa

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