Wasserstoffstrategie laut Habeck "nächste große Geschichte"

    Neue Wasserstoffstrategie:Habeck: "Die nächste große Geschichte"

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Ohne ihn keine Klimaneutralität: grüner Wasserstoff. Die Ampel will bis 2030 Produktion und Import erhöhen. Ein "schickes Gemeinschaftswerk" der Koalition, so Vize-Kanzler Habeck.

    Oberhausen, 26.07.23: Robert Habeck begrüßt in Schutzausrüstung einen Mitarbeiter des Groß-Elektrolyseurs Air Liquide.
    Die Bundesregierung hat das Ausbauziel verdoppelt, wie viele Anlagen es zur Wasserstofferzeugung bis 2030 geben soll. Ein Drittel des künftigen Bedarfs soll aus Deutschland kommen.26.07.2023 | 2:53 min
    Die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedete Strategie fasst laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) "das ganze Puzzlespiel" zwischen den einzelnen Ministerien zusammen. Mit der deutlichen Erhöhung der Wasserstoffproduktion und der Wasserstoffimporte, die aus erneuerbaren Energien hergestellt werden, soll die angestrebte Klimaneutralität ab 2045 erreicht werden.
    Habeck, der auch Vize-Kanzler ist, sagte nach der Kabinettssitzung:

    Das ist die nächste große Geschichte.

    Robert Habeck (Grüne)

    Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach vom "letzten Puzzleteil" der Energiewende.
    Ziel ist laut Habeck, grünen Wasserstoff überall da einzusetzen, wo Elektroenergie nicht verwendet werden kann: also vor allem in der Industrie, im Verkehr und in Kraftwerken. Laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gebe es auch für die Umstellung im Güterverkehr auf Schiene und Schwerlastverkehr "keine Alternative". Wasserstoff werde für synthetische Kraftstoffe gebraucht.
    ZDF-Börsenexpertin Stephanie Barrett berichtet an der Börse in Frankfurt.
    Auch die Industrie soll von der beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung profitieren. Eine Einschätzung von ZDF-Börsenexpertin Stephanie Barrett.26.07.2023 | 0:56 min

    Ziel: Bis 2028 soll erstes Leitungsnetz liegen

    Habeck geht davon aus, dass bis 2030 rund 130 Terrawattstunden durch grünen Wasserstoff produziert werden können. Das deckt etwa ein Drittel des gesamten Bedarfs. Bis 2045 sollen es mehr als 500 Terrawattstunden sein. Die Strategie sieht vor:
    • bis 2030 die Produktion von Elektrolyse-Anlagen verdoppeln, auf 10 Gigawatt. Der restliche Bedarf soll durch Importe gedeckt werden, also gut zwei Drittel des gesamten Bedarfs an grünem Wasserstoff. Dieser soll hauptsächlich aus Afrika geliefert werden.  
    • bis 2027 und 2028 soll eine erste Infrastruktur stehen und gefördert werden: ein Leitungsnetz mit mindestens 1.800 Kilometern soll entstehen, das an europäische Leitungen angebunden wird. Der Wasserstoff soll vor allem in Ammoniak gebunden per Schiff nach Deutschland kommen. Bis 2030 sollen alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern verbunden sein. Das Leitungsnetz soll zunächst auch für weniger CO2-neutrale Wasserstoffe genutzt werden.
    • Ziel ist, grünen Wasserstoff in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr einzusetzen, ebenso in Gaskraftwerken und bei der Wärmeversorgung.
    SGS mit Heike Slansky am 26.07.2023
    Das Bundeskabinett hat eine Neufassung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Grüner Wasserstoff soll gefördert werden. ZDF-Reporterin Heike Slansky berichtet aus Berlin.26.07.2023 | 1:19 min

    Habeck rechnet mit "schnell" sinkenden Preisen

    Ohne Wasserstoff wird das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, kaum zu erreichen sein, sagen auch Experten wie Alexander Bedrunka von der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen: "Die Stahlindustrie hat ohne grünen Wasserstoff überhaupt keine andere Möglichkeit, klimaneutral zu werden. Ebenso die Chemieindustrie", sagte er dem ZDF.

    Bund schärft Strategie nach
    :Wasserstoff: Das ist geplant

    Um Klimaneutralität zu erreichen, setzt die Bundesregierung auf Wasserstoff. Das Kabinett hat heute die überarbeitete nationale Strategie dazu beschlossen. Darum geht es.
    Energieminister nehmen Wasserstoff und Industriestrom in den Blick
    FAQ
    Das Problem: Für die Unternehmen sei grüner Wasserstoff derzeit noch nicht wirtschaftlich, weil er am Markt viel zu teuer sei. Thyssenkrupp etwa will in Duisburg bis 2026 eine neue Anlage zur Roheisenproduktion in Betrieb nehmen, die erst mit Erdgas und dann nach und nach mit Wasserstoff betrieben werden soll.
    Allerdings: Ohne Subventionen geht es nicht. Bund und das Land Nordrhein-Westfalen subventionieren die Anlage mit rund zwei Milliarden Euro in den ersten zehn Jahren.
    Habeck geht davon aus, dass der Preis sinkt, wenn die Importe sich erhöhen. Wann der Kipp-Punkt eintreten wird, wollte er am Mittwoch nicht spekulieren. Aber: "Es geht viel schneller, als alle gedacht haben."

    Bislang wird Wasserstoff vor allem aus Erdöl und Kohle hergestellt, der sogenannte graue Wasserstoff. Das Problem: Klimaschädliches CO2 wird freigesetzt, bis zu zehn Tonnen CO2 pro Tonne Wasserstoff. Wird das anfallende CO2 gespeichert und nicht in die Luft geblasen, wird aus grauem blauer Wasserstoff. Wird er durch Strom aus aus Biomasse oder Müllverbrennungsanlagen hergestellt, spricht man von orangenem Wasserstoff. Klimaneutral und damit grün wird Wasserstoff allerdings erst, wenn er durch erneuerbare Energien produziert wird. Die Elektrolyse teilt dabei das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff.

    Greenpeace fordert Auflagen für Importe

    Kritik an der neuen Strategie kommt von Klimaschutz-Organisationen. Greenpeace warnte die Bundesregierung, sich durch "überdimensionierte Importziele" für Wasserstoff von autokratischen Regierungen abhängig zu machen. "Sollte importiert werden, müssen strenge ökologische und soziale Kriterien angelegt werden", sagte Martin Kaiser von Greenpeace den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Andernfalls drohe auch, "dass wir im Globalen Süden weiter Land- und Wasserressourcen ausbeuten und neokoloniale Strukturen fortschreiben".
    Pipeline für grünen Wasserstoff
    Grüner Wasserstoff soll viele Energieprobleme in Deutschland lösen. Doch die Industrie steckt noch in den Kinderschuhen. Kann Wasserstoff wirklich bald Erdgas ersetzen?26.05.2023 | 17:39 min
    Christiane Averbeck von der Klima-Allianz Deutschland kritisierte, dass nicht mehr ausschließlich umweltfreundlich produzierter grüner Wasserstoff gefördert wird, sondern in der Anwendung auch der blaue. Nur grüner Wasserstoff könne "bei der Begrenzung der Erderhitzung helfen", sagte Averbeck. Eine Förderung von blauem Wasserstoff, der mit Erdgas hergestellt wird, wäre "ein Festhalten an alten, fossilen Strukturen".
    Ministeriumssprecher Robert Säverin verglich diese Strategie in der Bundespresskonferenz mit Fußball: Da wechsle die Mannschaft auch mal das Spiel von links nach rechts oder von rechts nach links. Aber in keiner Minute verliere die Mannschaft das Tor aus den Augen.

    Das Tor ist bei uns der grüne Wasserstoff.

    Robert Säverin, Sprecher Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

    Nur wenn man mal den Ball zum Torwart abgeben müsse, also auf den mit fossilen Brennstoff gewonnenen blauen Wasserstoff, habe man nicht die Richtung des Spiels aus den Augen verloren. Das Tor bleibe vorn: "Grüner Wasserstoff ist das Ziel", so Säverin.
    Die erste Wasserstoffstrategie hatte die Vorgänger-Regierung bereits 2020 verabschiedet. Aller drei Jahre sollte sie fortgeschrieben werden. Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Energieprobleme seitdem erzeugten zusätzlichen Druck, diese zu überarbeiten. Damals wurde allerdings ausschließlich grüner Wasserstoff gefördert.

    Weitere Hintergründe