Kommentar zu Audi-Prozess: Deal für die Spitzenmanager?

    Kommentar

    Prozess gegen Ex-Audi-Chef :Dieselbetrug: Deal für die Spitzenmanager?

    von Peter Kunz
    |

    Der Prozess im Dieselskandal gegen Ex- Audi-Vorstandschef Stadler und Motorenentwickler Hatz wird wohl anders ausgehen, als mancher erwartet. In Aussicht: Ein Deal. Ein fairer?

    Kommentar von Peter Kunz zum Stadler-Prozess
    Kommentar von Peter Kunz zum Stadler-Prozess
    Quelle: ZDF/dpa

    Die Kleinen hängt man, die Großen kommen davon. Was ist an diesem alten Sprichwort längst überholt? Dass das deutsche Rechtssystem jemanden zum Hängen verurteilt. Ansonsten? Darf man nach München schauen und sich sein eigenes Urteil bilden.

    Dort müht sich das Landgericht seit zweieinhalb Jahren, in einem von zwei laufenden Strafprozessen nach dem Dieselskandal Recht zu sprechen. Gegen die Großen. Vornan der ehemalige Audi-Vorstandschef Rupert Stadler und der ehemalige Chef-Motorentwickler Wolfgang Hatz. Angeklagt, weil die Verbraucher nach Strich und Faden betrogen wurden. Weil man ihnen für viel Geld Autos unterjubelte, deren Umweltsiegel nichts wert war.
    Abgase aus dem Auspuff eines Dieselfahrzeugs.
    ZDF frontal deckte 2016 auf: Nicht nur VW nutzte bei Dieselautos unzulässige Abschalteinrichtungen, auch Mercedes, BMW und Renault. Können Autokäufer dafür Schadenersatz verlangen?21.03.2023 | 0:41 min

    Schuldig - aber mit Deal keine Gefängnisstrafe

    Das Gericht hatte in den vergangenen Wochen schon durchblicken lassen, dass es die beiden Spitzenmanager für schuldig hält. Mühsam waren die Fakten dazu während des Prozesses zusammengesucht worden.
    Und trotzdem bietet der Richter den beiden Spitzenmanagern nun einen Deal an: Strafen auf Bewährung sowie Zahlungen von ein paar Hunderttausend an die Staatskasse, sofern sie ein Teilgeständnis ablegen. Dann kann das Verfahren beendet werden.

    Ja sicher - ein paar Hunderttausend Euro sind sehr viel Geld für einen normalen VW-Kunden. Aber vergleichsweise lächerlich für Bosse, die mit betrügerischem Ansatz vorher Millionen verdient haben. Der Motorenentwickler Hatz hat also auch gleich eingeschlagen und sein Geständnis geliefert. Er kommt jetzt wohl mit eineinhalb bis zwei Jahren Bewährungstrafe und 400.000 Euro davon.

    Vorstandschef Stadler überlegt noch

    Rupert Stadler hat sich noch nicht geäußert, aber bei ihm soll die Bewährungsstrafe ähnlich ausfallen, plus 1,1 Millionen Euro Strafzahlung. Vorverhandelt sozusagen im Hinterzimmer zwischen Richter, Verteidigung und Staatsanwälten.
    Wobei die Staatsanwaltschaft offensichtlich noch nicht ganz einsehen will, warum Wolfgang Hatz nicht in Haft soll. Seine Beteiligung am Dieselbetrug wiegt auf jeden Fall noch schwerer als das, was dem Ex-Audi-Chef Stadler vorgeworfen wird.
    Warum aber, darf sich der kleine Mann fragen, wandert beim größten kriminellen Wirtschaftsskandal nach dem Zweiten Weltkrieg vermutlich niemand verurteilt ins Gefängnis? Die 13 Monate Untersuchungshaft, die Hatz und Stadler zusammengerechnet abgesessen haben, würden ihnen beim Vergleich angerechnet.

    Einfache Manager in USA im Gefängnis

    Die Einzigen, die bisher wegen des Dieselbetruges mit langen Haftstrafen hinter Gittern sitzen, verbüßen diese in den USA. Zwei Manager des Volkswagen-Konzerns weit unterhalb des Niveaus von Stadler und Hatz. Die beiden machten den Fehler, sich zur Unzeit in Amerika aufzuhalten, da konnten sie festgenommen werden.
    Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es ist aber bei Strafverfolgung und Aburteilung in Wirtschaftssachen offenbar konsequenter. Wirtschaftsbetrug ist dort kein Kavaliersdelikt, auch wenn die Bosse in den USA zum "white collar"-Personal gehören. Das heißt zwar weißer Kragen, sagt aber noch nichts über die Farbe der Weste aus.

    Zahnloses Rechtssystem?

    Wenn in München trotz der Schuldvermutung des Gerichts die Vergleiche durchgehen, dann zeigt das deutsche Rechtssystem keine Zähne. Es zeigt vielmehr, dass sich Wirtschaftskriminalität rentieren kann, auch wenn man auffliegt. Rupert Stadler zum Beispiel hat zuletzt ein Gehalt von 7,7 Millionen Euro kassiert. 'Zahlen Sie 1,1 Millionen und gehen nicht mehr ins Gefängnis?' Das Volkswagen-Monopoly rechnet sich.
    Das Beispiel könnte doch auch bei Bankräubern Schule machen: Zehn Millionen mitgehen lassen, die Beute gut verstecken, festgenommen werden, acht Millionen Euro im Vergleich als Strafe zahlen, dafür dann aber kein Knast.
    Natürlich, Vergleiche hinken manchmal. Der Vergleich vor dem Landgericht in Sachen Dieselskandal allerdings auch.
    Peter Kunz ist Leiter des Studios Niedersachsen

    Mehr zum Dieselskandal