Manipulation von Diesel-Motoren: Wende im Audi-Prozess

    Manipulation von Diesel-Motoren:Wende im Audi-Prozess

    Redakteur Peter Aumeier, ZDF-Landesstudio Bayern.
    von Peter Aumeier
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    Seit 2020 läuft der Prozess um Dieselmanipulationen bei Audi. Heute gab es weitere Geständnisse – doch nicht vom Hauptangeklagten Rupert Stadler. Noch nicht.

    Bayern, München: Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Audi AG, sitzt im Sitzungssaal des Landgericht München auf seinem Platz.
    Der Hauptangeklagte im Prozess um Dieselmanipulationen bei Audi, Rupert Stadler, hat bisher nicht gestanden. Beobachter vermuten, das könnte aber bald anstehen.
    Quelle: dpa

    Es ist der erste Strafprozess um geschönte Abgaswerte bei Dieselautos und er läuft inzwischen bereits zweieinhalb Jahre - jetzt könnte es plötzlich schnell gehen:
    "Ist heute was Besonderes?", fragen die beiden Justizwachtmeister verwundert, die rauchend vor dem Gerichtssaal in München-Stadelheim stehen, "uns hat niemand was gesagt".

    Zweieinhalb Jahre - 164 Prozesstage

    Es ist Prozesstag 164 und eigentlich weist nicht viel darauf hin, dass heute etwas Entscheidendes passieren könnte. Seit Wochen liest man auf den Wirtschaftsseiten der überregionalen Presse von einem möglichen "Deal" zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft – aber von dem guten Dutzend Journalisten vor Ort will sich keiner so recht festlegen.
    Um Viertel nach neun eröffnet der Vorsitzende Richter Stefan Weickert die Sitzung und verliest ein Protokoll. Nicht irgendein Protokoll, denn darin geht es um ein sogenanntes "Rechtsgespräch", das am Mittwoch vergangener Woche zwischen dem Richter, den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft stattgefunden hat. Umgangssprachlich geht es dabei um einen sogenannten "Deal", offiziell "Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten".

    Richter fordert "vollumfängliches Geständnis"

    Eingestellt hatte diesen "Deal" Richter Weickert mit einem schriftlichen Vorschlag: In der Vorlage besteht Weickert auf "einem vollumfänglichen Geständnis im Sinne der gegebenen Hinweise". Möglich sei dann "eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann". Weil der Verzicht auf Gefängnis nur bei maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe möglich ist, machte Weickert damit auch deutlich, dass er weit unter der Höchststrafe von zehn Jahren bleiben will, die das Gesetz für schweren Betrug vorsieht.
    Nun stellen sich alle im Saal die Fragen: Wer von den verbleibenden drei Angeklagten wird gestehen, kommt damit ein Deal zustande? Und ist damit das Ende des Prozesses eingeläutet?

    Vorwurf: Manipulation und Unterlassung

    Im September 2015 war der Diesel-Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte aufgeflogen. Laut Anklage sollen die Ingenieure um den ehemaligen Audi-Motorenchef und Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz für die Manipulation von Motoren gesorgt haben, damit gesetzliche Abgaswerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, die auf der Straße überschritten wurden.

    Chronologie des Diesel-Skandals








    Anders als den beiden Mitangeklagten wird Stadler nicht vorgeworfen, Motoren manipuliert zu haben, die auf dem Prüfstand die Einhaltung von Abgasvorschriften simulierten. Vielmehr soll es der Audi-Chef versäumt haben, nach dem Bekanntwerden der Manipulationen den Verkauf betroffener Autos der Marken Audi und VW zu stoppen.

    Staatsanwaltschaft: Zu spätes Geständnis

    Bereits vor Ostern hatte der mitangeklagte Ingenieur Henning L. ein Geständnis abgelegt und das Verfahren war gegen eine Geldauflage von 25.000 Euro eingestellt worden. Auch der gebürtige Italiener Giovanni P., der beschuldigt wurde an der Motorenmanipulation beteiligt gewesen zu sein, hatte zuvor schon alles zugegeben. Im Rechtsgespräch hatten seine Anwälte nochmals darauf hingewiesen, dass er in der Branche "völlig verbrannt" sei und zudem pleite. Da er erneut ein Geständnis ablegte, wird er wohl mit einer Bewährungsstrafe und einer Zahlung von 50.000 Euro davonkommen.
    Auf dem Bild ist eine Grafik zu sehen, welche anzeigt bei welcher Temperatur die Abschalteinrichtung bei Dieselautos nicht wirkt.
    Im Streit um das sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil gefällt: Demnach senkt der EuGH die Hürden für Schadensersatz-Klagen von Diesel-Käufern bei unzulässiger Abgas-Technik.21.03.2023 | 1:40 min
    Der frühere Audi-Motorenchef Hatz ließ seinen Verteidiger heute vor dem Landgericht München erklären, auch er bekenne sich zu den ihm zur Last gelegten Vorwürfen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die von ihm mitverantwortete Abgas-Nachbehandlung in zahlreichen Autos illegal gewesen sein könnte. Einen "Deal", eine Bewährungsstrafe und eine Geldauflage von 400.000 Euro, lehnte jedoch die Staatsanwaltschaft heute ab. Hatz' Schuld sei zu groß, sein Geständnis komme zu spät.

    Hinweise auf Prozessende?

    Und die Gallionsfigur des Prozesses, der Hauptangeklagten Rupert Stadler? Der frühere Audi-Chef sei nach Angaben des Richters "noch nicht sprechfähig", aber dem Deal-Angebot einer Bewährungsstrafe und einer "siebenstelligen Strafzahlung" generell nicht abgeneigt. Voraussetzung dafür wäre allerdings auch ein Geständnis von ihm.

    Im September 2015 flog ein groß angelegter Betrug des Volkswagen-Konzerns in den USA auf. VW hatte seine Dieselautos so programmiert, dass sie den Abgastest im Labor bestanden, aber im normalen Straßenbetrieb viel zu viel gesundheitsschädliche Stickoxide in die Luft bliesen. Solche sogenannten "Abschalteinrichtungen" sind in den USA und der EU verboten. VW musste in den USA die dreckigen Dieselautos mit Katalysatoren nachrüsten. Nicht aber in Europa, wo das deutsche Kraftfahrtbundesamt zuständig ist.

    Das gab sich mit einem Software-Update zufrieden. Danach waren die VW-Dieselautos immer noch im Straßenbetrieb dreckig, bliesen viel mehr Stickoxide in die Luft, als die Grenzwerte zulassen. Grund dafür waren neue Abschalteinrichtungen, die Volkswagen in das Software-Update programmierte und als "Thermofenster" rechtfertigte.

    Am heutigen Mittwoch wollen sich seine Verteidiger, der Richter und die Staatsanwaltschaft nochmals besprechen. Wohl vor allem auch, um nochmals über die Höhe der angedrohten Strafzahlung zu sprechen. Bereits morgen wird weiterverhandelt. Sollte Stadler auf den Deal dann eingehen, wäre das Ende des Prozesses sehr nah.
    Peter Aumeier ist Redakteur im ZDF-Studio München

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