Newsletter ZDF-Fernsehrat:Groß denken beim Streaming
"Die Algorithmen dienen nicht der Profitmaximierung, sondern der Erfüllung des damit einher gehenden politischen Auftrags", betont ZDF-Fernsehrätin Cornelia Berger mit Blick auf die Empfehlungssysteme auf dem Streaming-Portal des ZDF. Die Expertin von ver.di hat eine professionelle Sicht, kennt aber auch den Blick von Teenagern aus dem privaten Umfeld auf das Portal.
ZDF-Fernsehratsmitglied Cornelia Berger über die Empfehlungssysteme auf dem Streaming-Portal des ZDF.
Quelle: ZDF/Andreas Reeg#Fernsehrat: Das neue Streaming-Portal des ZDF ist nun seit einigen Monaten online - wie ist der Start aus Ihrer Sicht gelaufen?
Cornelia Berger: Wahrscheinlich kann ich als interessiertes Fernsehratsmitglied nur ansatzweise ermessen, wie groß die Anspannung vor dem Moment gewesen sein mag, als die neue ZDF-Streaming-Plattform das Licht der Welt erblickt hat: Davor liegen Jahre und Monate, in denen viel Herzblut, Sachverstand, Geld und immenser Fleiß in ein Mammutprojekt geflossen sind. Da wird bis zur letzten Sekunde getestet, werden "bugs gefixt", also Fehler behoben, die sich im intensiven Testbetrieb zeigen und die Kolleg*innen im Haus über lange Zeit auf Trab und unter Spannung gehalten haben. Niemand weiß, ob so ein Moment tatsächlich glatt geht und der Start reibungslos verläuft, weil live nun mal live ist und nicht zu 100 Prozent simuliert werden kann. In den Tagen vor dem Go live habe ich häufig an die Menschen gedacht, die da jetzt diesem Moment entgegenfiebern und die Daumen gedrückt habe ich auch. Als es dann soweit war, war ich sehr erleichtert, da für mich als Nutzerin unmittelbare Verbesserungen erkenn- und spürbar waren, auf die ich lange gewartet habe. Probleme in der Funktionalität sind in meiner persönlichen Nutzung nicht aufgetreten und auch medienöffentlich haben Anerkennung und positive Würdigung des "Quantensprungs" nach meiner Wahrnehmung überwogen. Auch in meinem privaten Umfeld gab es Erleichterung über die Verbesserung, z.B. beim Aufruf der Live-Programme, die sonst vielfach ein Problem dargestellt haben. Transparenzhinweis: Zu meinem privaten Umfeld gehören auch zwei Teenager, die lineares Fernsehen schon lange nicht mehr konsumieren, sondern ausschließlich alles andere, was sich auf digitalen Plattformen abspielt. Eine positive Rückmeldung von ihnen ist wahrscheinlich mehr wert als von einer Person, die nur knapp nicht mehr zur Boomer-Generation gehört.
#Fernsehrat: Die Empfehlungs-Algorithmen werden in einem eigenen Webangebot algorithmen.zdf.de offengelegt - sehen Sie darin einen Mehrwert?
Berger: Ich sehe darin keinen Mehrwert oder ein nice to have, sondern das ZDF erfüllt damit einen Anspruch, den ich an öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe. Die Algorithmen dienen nicht der Profitmaximierung, sondern der Erfüllung des damit einher gehenden politischen Auftrags und dazu gehört meines Erachtens auch, dass ich mir als Beitragszahlerin ein Bild davon machen kann, wie der Algorithmus funktioniert und dass er eben nicht den Verwertungslogiken der kommerziellen Streamingdienste folgt. Das ist für mich elementar für Vertrauen und Akzeptanz in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit auch das ZDF.
Fernsehratsvorlage
#Fernsehrat: Die Algorithmen machen die Nutzenden auch auf Ungewohntes und Überraschendes außerhalb ihres vermeintlichen Interessenbereichs aufmerksam - wie bewerten Sie das?
Berger: Ich lese jeden Morgen mindestens eine Tageszeitung, und zwar von vorne bis hinten. Meine Erwartung ist, damit rundum informiert zu sein zu allen relevanten Themen. Die Entscheidung, was heute relevant ist, überlasse ich gerne professionellen Redaktionen, denen ich vertraue, dass sie ihr Handwerk verstehen und qualifizierte Entscheidungen darüber treffen können, was ich als mündige Bürgerin wissen sollte. Das ist meine Erwartung an Medienangebote allgemein und deswegen ist es für mich zwingend, dass auch das ZDF-Streaming-Portal entsprechend versorgt. Und das nicht nur mit allen Informationen über Königshäuser, nur weil ich mal aus Versehen eine royale Hochzeit angeschaut habe. Ich kann mir da in einer Weiterentwicklung gut auch noch mehr Entschiedenheit bei den Vorschlägen vorstellen. Wer in irgendwelchen Blasen oder rabbit holes verschwindet, ist da nur schwer wieder herauszubekommen. Wie schnell das geht, erleben wir auf den kommerziellen Plattformen oder in den Messengerdiensten: Langfristig ist diese Entwicklung problematisch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und deswegen kann ich das ZDF nur ermuntern, den Beitragszahlenden unbedingt auch Angebote zu machen, die vielleicht nicht auf der Hand liegen.
#Fernsehrat: Das Angebot ist Open Source und offen für Partner - mit wem sollte das ZDF beim Streaming zusammenarbeiten?
Berger: Da kann ich mir als alte Anhängerin einer europäischen öffentlich-rechtlichen Plattform als Alternative zu den kommerziellen Angeboten ganz viel vorstellen, zum Beispiel Kooperationen mit Bibliotheken und Museen, aber auch mit Sportvereinen und Theatern: Im Prinzip mit allen Akteur*innen, die unsere demokratische Gesellschaft stark machen und zusammen halten – unserer Fantasie sollten da keine Grenzen gesetzt sein, das ist mein Wunsch: Denken Sie groß!
Zur Person: Cornelia Berger ist Vertreterin von ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft im ZDF-Fernsehrat. Sie hat Philosophie, Literaturwissenschaft und Staatsrecht studiert und arbeitete als Journalistin. Seit 2001 ist sie bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) tätig, zunächst als Pressesprecherin des Bundesvorstands, dann als Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di) und Bereichsleiterin Medien in der ver.di-Bundesverwaltung. 2014 und 2015 war sie Vorsitzende des Trägervereins des Deutschen Presserats. Seit Oktober 2020 leitet Berger den Bereich Kommunikation und Marketing von ver.di.
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