37 Grad Kurzreportagen - Süchtig nach Shopping
- Gesellschaft
- Reportage
- authentisch
- 26.11.2025
- ZDF
Sinem bestellt, um ihre innere Leere zu füllen, bis Schulden und Scham sie einholen. Sie zeigt, wie schwer der Weg aus der Kaufsucht ist und wie sie heute um ein selbstbestimmtes Leben kämpft.
Sinem ist Anfang 20, als sie merkt, dass sie mitten in einer Kaufsucht steckt. Sie hat 40.000 Euro Schulden angehäuft. 2022, nach einem schweren persönlichen Erlebnis, beginnt sie online zu bestellen – erst gelegentlich, dann immer exzessiver. Vor allem Beautyprodukte und Kleidung von Marken, die in den Sozialen Medien viral gehen, landen in ihrem Warenkorb. Vieles bleibt ungenutzt, manches besitzt sie sogar doppelt. Der Konsum wird zum Trost. Jede Bestellung ist ein kleines Geschenk an sich selbst, ein kurzer Moment des Glücks gegen die innere Leere.
Bei einer Kaufsucht handelt es sich um zweckungebundenen Warenkonsum. Betroffene verlieren die Kontrolle über ihr Einkaufsverhalten, und das Shoppen wird zum Mittelpunkt ihres Lebens. Trotz Schulden und seelischer Belastung können sie nicht aufhören und leiden stark unter ihrer Situation. In Deutschland sind rund 5 Prozent der Bevölkerung betroffen.
Der Weg zurück
Sinems Schulden wachsen rasant. Längst hat sie eine Klarna- und Paypal-Sperre. Sie erhöht ihren Dispo, nimmt einen Kredit auf – und bestellt dennoch weiter. Als der erste Kredit weg ist, kommt ein zweiter. Immer wieder sucht sie nach Auswegen, doch die Kaufsucht bleibt stärker und die Situation lange verborgen. Sinem kann nicht darüber sprechen. Zu groß sind Scham und Angst, verurteilt zu werden.
2024 kommt der Wendepunkt: Sinem zählt ihre Schulden, erkennt den Zusammenhang mit ihrer Kaufsucht und will endlich aus dem Teufelskreis heraus. Sie löscht Shopping-Apps, meidet Soziale Medien und spricht offen mit ihrem Umfeld darüber.
Heute arbeitet Sinem sechs Tage die Woche in der Gastronomie, um ihre Schulden Schritt für Schritt abzubauen. Freizeit hat sie kaum, vieles muss warten – aber es lohnt sich: Über 14.000 Euro hat sie bereits geschafft. Das Risiko bleibt: Der Kaufrausch hat sich tief eingeprägt. Deshalb arbeitet Sinem intensiv an ihrer mentalen Gesundheit, unterstützt von Familie, Freund*innen und einer Selbsthilfegruppe: „Ich dachte immer, ich schaffe das nicht. Heute weiß ich, dass ich viel mehr kann, als ich dachte.“