Österreichischer Aktionskünstler Günter Brus ist tot

    Geschmäht, verhaftet, gefeiert:Aktionskünstler Günter Brus ist tot

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    Er war Staatsfeind, Schmuddelkind und einer der renommiertesten Künstler Österreichs. Jetzt ist Günter Brus gestorben.

    Österreichischer Aktionskünstler Günter Brus, Archivbild
    Schmuddelkind und gefeierter Künstler: Günter Brus.
    Quelle: dpa

    Der einst geschmähte, dann gefeierte österreichische Aktionskünstler und Maler Günter Brus ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 85 Jahren, wie der Leiter des Bruseums, Roman Grabner bestätigte.

    Schmuddelkind, Staatsfeind und Nationalkünstler

    Brus war einmal das Schmuddelkind der Kunstszene, dann Staatsfeind in Österreich. Seine Kunst schockierte und trieb ihn einst zur Flucht nach Berlin. Aus der Empörung wurde aber Jahre später Bewunderung. Der Künstler des "Wiener Aktionismus" erhielt viele Auszeichnungen und in Graz 2011 ein eigenes Museum: das "Bruseum" innerhalb der Neuen Galerie Graz.

    Das Bruseum ist eine Dauerausstellung in der Neuen Galerie Graz, die dem Gesamtwerk des Künstlers gewidmet ist. Er war Mitbegründer des Wiener Aktionismus. Die Sammlung zeigt Werke aus 60 Schaffensjahren des Künstlers Günter Brus, darunter Zeichnungen, Fotomappen, Aktionsskizzen, Druckgrafiken und sogenannte Bild-Dichtungen, die Brus erfand: Text-Bild-Dialoge, in denen das Bild und die Dichtung gleichbedeutend nebeneinanderstehen. US-Künstler wie Paul McCarthy oder Raymond Pettibon sahen darin europäische Vorfahren der Comic-Art. Brus' Werk sei eine "konsequente Grenzüberschreitung klassischer künstlerischer Gattungen" gewesen, teilte das Bruseum zu seinem Tod mit.

    Bis zu seinem Tod lebte Brus in seiner Heimatstadt Graz. Berühmt-berüchtigt wurde er 1968 durch die Aktion "Kunst und Revolution" in der Universität Wien. Sie ging als Uni-Ferkelei in die Geschichte ein. Um die Nachkriegsgesellschaft aufzurütteln, brach er dabei mit Künstlerkollegen zahlreiche Tabus: Brus schnitt sich mit einer Rasierklinge, beschmierte sich mit eigenem Kot, onanierte - und sang dabei die österreichische Nationalhymne.

    Brus nannte Österreich einen "Polizeistaat"

    Für manchen Zuschauer überschritt seine Kunst die ästhetische Schmerzgrenze. Er bezeichnete dies aber als notwendige Weckrufe in einem zugestaubten Österreich. "Es war, leicht übertrieben, ein Polizeistaat", sagte Günter Brus später. Für die Uni-Ferkelei wurde er wegen "Herabwürdigung österreichischer Symbole und Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit" zu sechs Monaten Haft verurteilt.
    Arbeiten des österreichischen Künstler Günter Brus, Archivbild
    Arbeiten des österreichischen Künstler Günter Brus.
    Quelle: AFP

    Anarchistischen Charakter hätten solche Aktionen gehabt, sagte Brus. Sie seien im Besonderen auf die Situation in Österreich ausgerichtet gewesen.

    Es war schier unerträglich, in welchem pseudodemokratischen Land wir damals gelebt haben.

    Günter Brus

    Die anschließende Flucht vor dem Gefängnis nach Berlin bezeichnete er als "das Positivste für mich persönlich, Berlin war für mich ein Befreiungsschlag". Brus wurde 1938 als Sohn eines Gemischtwarenhändlers in der Steiermark geboren, nach seiner Schulzeit studierte er in Graz und Wien Kunst, bis er zum Militärdienst musste.

    Mitbegründer des "Wiener Aktionismus"

    In den 60er-Jahren begründete der experimentierfreudige Maler unter dem Einfluss des amerikanischen "Action Painting" mit Künstlern wie Hermann Nitsch, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler den Wiener Aktionismus. Im Widerspruch zu geltenden künstlerischen Konventionen veranstaltete er aufsehenerregende Aktionen, in denen er seinen gesamten Körper, gerne nackt, für die Kunst einsetzte.

    Günter Brus war eine der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, der mit seiner Kunst an die Grenzen gegangen ist und seinen Körper sprichwörtlich der Zerreißprobe ausgesetzt hat.

    Roman Grabner, Leiter des Bruseums

    Mit skandalösen Performances hielt er sich nach der "Uni-Ferkelei" aber zunehmend zurück. Stattdessen malte Brus und schuf dabei magische wie manische Bildwelten. Je älter er wurde, desto mehr sah er sich zudem als Autor. Für romanähnliche Werke fehlte ihm nach eigenen Angaben aber der Atem.
    Nachdem seine Haftstrafe vom damaligen Bundespräsidenten in eine Geldstrafe umgewandelt worden war, kehrte Brus 1979 nach Österreich zurück. Dort begann erst in den 1980er-Jahren eine offensive Auseinandersetzung mit Licht und Schatten der österreichischen Geschichte, und Brus wurde mit den Jahren rehabilitiert: Unter vielen anderen Auszeichnungen erhielt er 1996 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.

    Brus - kritischer Künstler bis zum Schluss

    Von scharfer Gesellschaftskritik ließ sich Brus bis ins hohe Alter nicht abbringen. "Es ist eine Trägheit entstanden, die durch den Wohlstand begründet ist", sagte er kurz vor seinem 80. Geburtstag.

    Die Leute sind politisch zu faul, um nachzudenken.

    Günter Brus

    Die dauerhafte Heimat-Sehnsucht, die in Filmen, im Fernsehen und nicht zuletzt von "Pseudo-Popsängern, Gabalier und so" angeheizt werde, könne er fast nicht ertragen. Sich erneut mit radikaler Kunst dagegen stellen, das wollte Brus aber nicht mehr. Er habe künstlerisch alles erreicht, sagte er der Wiener Tageszeitung "Kurier". "Ich bin zufrieden in jeder Hinsicht."
    Quelle: dpa

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