Attacke in Italien: Wie gefährlich sind Europas Bären?

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    Tödliche Attacke in Italien:Wie gefährlich sind Bären in Europa?

    von Doris Neu
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    Die tödliche Attacke einer Bärin auf einen jungen Jogger in Italien sorgt für Aufregung. Wie viele Bären gibt es eigentlich in Europa, wo leben sie und geht Gefahr von ihnen aus?

    Braunbär
    Etwa 17.000 Braunbären leben in Europa - Rumänien weist die größte Population auf.
    Quelle: dpa

    Eine tödliche Bärenattacke auf einen 26-jährigen Jogger in Italien schreckt auch hierzulande auf - der Vorfall ereignete sich in der Trentiner Gemeinde Caldes im bei Wanderern und Touristen beliebten Tal Val di Sole. Ein DNA-Abgleich ergab, dass es sich bei der Angreiferin um die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen Problembären "Bruno" handelt. Die Bärin, die unter dem Code JJ4 registriert ist und inzwischen gefangen wurde, war schon 2020 für einen anderen Angriff verantwortlich, bei dem ein Vater und sein Sohn verletzt wurden.
    Der tragische Vorfall entfacht eine neue Debatte über das Zusammenleben von Mensch und Bär. Doch wie sieht es überhaupt aus mit Braunbären in Europa? Welche Gefahr geht von ihnen aus? Fragen und Antworten zum Thema:

    Wie viele Braunbären gibt es in Europa und wo leben sie?

    Nach Angaben des Word Wildlife Fund (WWF) leben aktuell etwa 17.000 Braunbären in Europa. Die allermeisten - mehr als 7.500 Tiere - streifen in den Karpaten umher und dort vor allem in Rumänien. Auch im westlichen Balkan und in Skandinawien gibt es größere Bestände. Die "Large Carnivore Initiative for Europe" (LCIE) listet zehn Bärenpopulationen in Europa auf:
    Bärenpopulation in Europa
    ZDFheute Infografik
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    Laut WWF haben Wiederansiedlungen und ein strenger Schutz dazu beigetragen, die Bestände wiederherzustellen und das Verbreitungsgebiet von Braunbären zu vergrößern.

    Wie häufig sind Braunbären-Attacken in Europa?

    Der jüngste Vorfall in Italien führt jedoch vor Augen, wie gefährlich die Begegnung mit Bären sein kann. Für den Zeitraum 2000 bis 2015 haben Wissenschaftler in einer weltweiten Studie, die 2019 im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, in Europa 291 Bärenangriffe gezählt, 19 Menschen überlebten die Attacken nicht.
    Länder in Europa mit den meisten Bären-Angriffen zwischen 2000 und 2015:
    • Rumänien: 131
    • Slowakei: 54
    • Schweden: 28
    Auch in den letzten Jahren kam immer wieder zu Angriffen in Bären-Regionen. Im Juni 2022 gab es in der Slowakei vier Attacken binnen weniger Tage, bei denen Menschen verletzt wurden. 2019 sollen in Rumänien acht Menschen durch Bärenangriffe ums Leben gekommen sein. Aus anderen Gebieten wie Frankreich, Spanien und Italien wurden vereinzelte Vorfälle gemeldet.
    Biologin Antje Henkelmann von der Euronatur-Stiftung sagte: "Wenn es zu solchen Zwischenfällen kommt, sind es meistens besondere Situationen für die Tiere", etwa dass sich ein Bär bedroht fühle oder eine Bärin mit Jungtieren unterwegs sei und diese in Gefahr sehe. Auch in dem aktuellen Fall in Trentino waren drei Jungtiere bei der Bärin, wie die italienischen Behörden an diesem Dienstag mitteilten.

    Muss ich Angst beim Wandern in Bären-Regionen haben?

    "Braunbären sind grundsätzlich sehr vorsichtige Tiere. Sie gehen dem Menschen aus dem Weg, da ihr ausgezeichneter Geruchs- und Gehörsinn sie - meistens - rechtzeitig warnt", sagt Moritz Klose vom WWF Deutschland.

    Beachtet man einige Regeln und Verhaltensweisen, ist das Risiko eines Angriffs allerdings gering.

    Moritz Klose, WWF Deutschland

    Auch Biologin Henkelmann schätzt die Wahrscheinlichkeit, auf einen Bären zu treffen und angegriffen zu werden, als eher gering ein. Sie rät dazu, sich beim Wandern in Regionen mit Bären bemerkbar zu machen, etwa durch Singen, Glöckchen oder lautes Sprechen, damit es erst gar nicht zu einer Begegnung komme.

    Wie verhalte ich mich, wenn ich einem Bären begegne?

    Sollte man dennoch einem Bären begegnen, sei es wichtig, Ruhe zu bewahren und mit ruhiger Stimme den Bären auf sich aufmerksam zu machen, rät Biologin Henkelmann. Auf keinen Fall wegrennen oder versuchen, das Tier mit Steinen oder Gegenständen zu verscheuchen, sondern alles vermeiden, was das Tier als bedrohlich empfinden könnte. Die Biologin empfiehlt: Langsam den Rückzug antreten und dabei dem Bären die Möglichkeit geben, seinen Weg fortzusetzen.
    Gehe ein Bär dennoch zu einem Angriff oder Scheinangriff über, sei es wichtig, sich nicht zu wehren oder davonzurennen, sondern sich auf den Bauch zu legen - mit dem Gesicht nach unten und den Händen im Nacken - und in dieser Position zu verharren.
    Doch kein Abschuss der Problembärin
    Die Bärin, die letzte Woche in Norditalien einen 26-Jährigen tötete, darf weiterleben. Das Verwaltungsgericht in Trient hat die Anordnung zum Abschuss aufgehoben. 17.04.2023 | 2:05 min

    Bärenspuren in Bayern: Wie ist die Lage?

    Nach "Bruno" wurde erstmals 2019 wieder ein Bär in Bayern registriert. Auch in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Bärenspuren nachgewiesen, zuletzt am 21. April 2023 im Bereich Rosenheim und Miesbach. Ob es sich um das Tier von 2019 oder einen anderen Bären handelt, konnte bislang nicht geklärt werden, da die Spuren für einen DNA-Nachweis nicht ausreichten, sagte ein Sprecher des bayrischen Landesamtes für Umwelt (LfU). Man gehe aber von einem einzelnen Tier aus. Der Bär verhält sich nach den bisherigen Erkenntnissen dem Menschen gegenüber unauffällig. Am 19. April wurden zwei tote Schafe gefunden - die Behörden ordneten den Vorfall aufgrund der Verletzungen einem Bären zu, allerdings steht die Analyse der genetischen Spuren noch aus.
    Die von Bayern aus nächste Bärenpopulation lebt im italienischen Trentino, wo es jetzt zu dem tödlichen Vorfall kam. Die italienischen Behörden gehen davon aus, dass durch das Ansiedlungsprojekt "Life Ursus" mittlerweile rund 100 Bären dort leben. Das Gebiet liegt etwa 120 Kilometer vom Freistaat entfernt.
    Dass sich in absehbarer Zeit Bären in Bayern dauerhaft ansiedeln, hält Moritz Klose vom WWF Deutschland für "eher unwahrscheinlich". "Allerdings erholen sich die Bärenpopulationen in den anliegenden Gebieten und so kann es in Zukunft häufiger dazu kommen, dass sich Bären aus diesen Populationen zumindest zeitweise in Bayern aufhalten."

    Braunbärin im Tierpark Hexentanzplatz, aufgenommen am 26.03.2023
    Quelle: dpa

    • Der Braunbär ist das größte landlebende Raubtier in Europa. Die männlichen Tiere wiegen je nach Verbreitungsgebiet zwischen 140 und 320 Kilogramm, die weiblichen zwischen 100 und 200 Kilo. Aufgerichtet sind erwachsene Tiere zwischen 1,70 und 2,20 Meter groß.
    • Von Mai bis Juli ist Paarungszeit. Die Jungen kommen zwischen Januar und Februar zur Welt.
    • Sie sind Einzelgänger, wobei sich ihre Streifgebiete teilweise überschneiden können. Junge Tiere bleiben bis zu 2,5 Jahre bei der Mutter. Dann suchen sie sich eigene Streifgebiete, wobei die weiblichen Jungtiere meist in der Nähe des Streifgebiets der Mutter bleiben, die männlichen Tiere legen eher größere Strecken zurück.
    • Das Streifgebiet für männliche Tiere variiert von 120 bis 1.600 Quadratkilometer für männliche Tiere. Bärinnen bewegen sich in einem Gebiet zwischen 60 und 300 Quadratkilometer.
    • Braunbären sind Allesfresser, ernähren sich aber vor allem von pflanzlicher Nahrung (zu etwa drei Viertel) - Obst, Nüsse, Baumfrüchte wie Kastanien oder Eicheln. Im Winter ist Aas von Wild- oder Weidetieren eine wichtige Nahrungsquelle. Übergriffe auf Nutztiere gibt es, gelegentlich wird Wild erbeutet. (Quellen: Euronatur, Large Carnivore Initiative for Europe)

    Quelle: mit Material von AFP

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