76. Filmfestspiele in Cannes: Deutsche im Staraufgebot
Auftakt der 76. Filmfestspiele:Deutsche im Staraufgebot von Cannes
von Luis Jachmann, Cannes
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Erstmals ist mit Iris Knobloch eine Deutsche Präsidentin des Festivals von Cannes. In ihrem Debütjahr kommen viele Filmstars, auch eine deutsche Regie-Ikone.
Der Auftakt polarisiert. Zu Beginn rollt Cannes einem Weltstar den Teppich aus, der zuletzt fernab des Kinos Schlagzeilen produziert hat: Nach dem Rechtsstreit mit Amber Heard vor Gericht kehrt Johnny Depp als französischer König in "Jeanne du Barry" auf die Leinwand zurück.
Für Iris Knobloch ist dieser Auftakt gleich mal ein Ausrufezeichen. Die Bayerin geht in ihr erstes Jahr als Präsidentin des Filmfestivals, als erste Frau und Deutsche überhaupt.
Umstrittene Festivalchefin mit besten Verbindungen
Knobloch meidet das Blitzlichtgewitter, gibt kaum Interviews. Ihre Nominierung im vergangenen Jahr war eine mittelgroße Überraschung, aber durchaus strategisch: Lange hat sie für Warner Bros. das Europa-Geschäft geleitet, verfügt über beste Verbindungen nach Hollywood, der Geldmaschine der Branche.
Filmfachfrau Iris Knobloch ist 2023 Präsidentin des Filmfestivals in Cannes.
Quelle: Reuters
Nicht allen hat ihre Berufung geschmeckt: Sieben französische Berufsverbände hatten die Entscheidung kritisiert. Sie sehen in ihr eine Vertreterin des US-Rivalen. Die Kritik hat sich, so scheint es, gelegt - auch weil unter ihrer Ägide die großen US-Filmstars wieder nach Cannes pilgern.
Filmfestival lockt Hollywood-Prominenz an die Riviera
Wes Anderson bringt "Asteroid City" mit. Eine pfiffige Komödie aus dem Mittleren Westen, mit Scarlett Johansson, Tom Hanks und Tilda Swinton. "Indiana Jones" feiert in Cannes seine Neuauflage mit Harrison Ford und Antonio Banderas.
Und in "Killers of the Flower Moon" von Martin Scorsese, einem Thriller in den USA der 1920er-Jahre, spielen Robert de Niro, Leonardo di Caprio und Brendan Fraser die Hauptrollen. Sie alle haben in zwölf Festivaltagen ihren großen Auftritt auf dem roten Teppich.
Filmmarkt in Cannes: Projekte für Millionen
Der Maschinenraum des Festivals befindet sich unweit des Glamours: auf dem Filmmarkt wird der Geschmack der Massen definiert, die in die Kinos strömen. Hier schließen Producer, Regisseure, Verleiher und Filmeinkäufer Millionenverträge ab.
Der Filmmarkt in Cannes ist dem Fachpublikum vorbehalten.
Quelle: ZDF/Luis Jachmann
Das Fachpublikum aus über hundert Ländern bekommt 4.000 Filme und Filmprojekte, die noch auf ihre Umsetzung warten, zu Gesicht.
Eric Lagesse vom französischen Verleiher Pyramide Films setzt auf die kommenden Tage: "Wir haben sechs Produktionen in unserem Portfolio, zwei davon im Wettbewerb. Wir haben viele Termine, wollen viel verkaufen". Der Filmmarkt bietet ein lukratives Schaufenster, um Kinostarts in vielen Ländern zu generieren.
Höherer Anteil an Regisseurinnen im Wettbewerb
Ansprüche auf die Goldene Palme melden 21 Wettbewerbsfilme an, sieben davon von Regisseurinnen. So viele wie nie. Festivalleiter Thierry Frémaux erwartet dafür keine Lobeshymnen. Er versichert:
Wenn er zwischen zwei guten Filmen zu entscheiden habe, wähle er aber den Film einer Regisseurin.
Festivalleiter in Cannes 2023: Thierry Frémaux
Quelle: ZDF/Luis Jachmann
Frémaux sitzt am langen Hebel. Er und sein Team haben seit vergangenem Herbst weit über 1.000 eingegangene Filme gesichtet. Die finale Auswahl für das Festival trifft er. Die diesjährige Jury um Ruben Östlund verleiht die Goldene Palme.
Deutsche Filmschaffende in Cannes: Schauspiel, Jury und Regie
In der Verlosung dabei ist auch Sandra Hüller. Die deutsche Schauspielerin, inzwischen Stammgast an der französischen Riviera, hält im Wettbewerb 2023 die deutsche Fahne hoch: Sie spielt in "Anatomie eines Sturzes" eine Frau, gegen die nach dem Tod ihres Mannes ermittelt wird.
Eine zweite Deutsche urteilt in Cannes über Filme. Paula Beer sitzt in der Jury einer wichtigen Sektion. Als Wim Wenders das erste Mal in Cannes antrat, war Beer noch nicht geboren.
47 Jahre später ist der deutsche Regisseur mit "Perfect Days" im Wettbewerb vertreten: ein einfühlsames Porträt eines Toilettenreinigers in Tokio, eine Hommage an die vergängliche Schönheit des Alltags. Damit nicht genug. Wenders zweiter Film läuft außer Konkurrenz: eine 3D-Doku über Anselm Kiefer.