Klima-Debatte: Streit um 1,5-Grad-Aussage von Copernicus
Max-Planck-Institut:Streit um 1,5-Grad-Aussage von Copernicus
von Manfred Kessler
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Der europäische Klimawandeldienst Copernicus hat unlängst erklärt, die 1,5-Grad-Grenze sei überschritten. Der Direktor des Max Plank Instituts, Jochem Marotzke, bezweifelt das.
Ist die 1,5-Grad-Grenze schon überschritten oder nicht? Darüber gibt es Streit unter Klima-Experten.
Quelle: dpa
Der Klimatologe Jochem Marotzke hat maßgeblich am Weltklimabericht IPCC mitgearbeitet. Er bezweifelt auch nicht, dass die Erderwärmung voranschreitet. Es gebe aber noch eine "natürliche Variabilität", etwa in Form des noch immer stattfindenden Wetterphänomens El Nino, das auf dieser Erwärmung "reite".
Da könne man erwarten, dass irgendwann ein einzelnes Jahr die 1,5 Grad Marke überschreite, sagte er in einer Stellungnahme gegenüber dem ZDF.
Marotzke wirft Copernicus-Veröffentlichung Aufmerksamkeitshascherei vor
Der Chef des Max-Planck-Instituts sieht bei den Veröffentlichungen von Copernicus, dem Europäischen Erdbeobachtungsprogramm, auch einiges an "Aufmerksamkeitshascherei". Man habe sozusagen "auf der Lauer" gelegen, um den ersten zwölf-Monatszeitraum abzupassen, wo man über der Marke liege.
Copernicus ist das Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union. Es stützt sich zum Großteil auf Satellitendaten, berücksichtigt aber auch Messungen von Wetterstationen, Flugzeugen und Schiffen. Der Copernicus Climate Change Service wertet Wetterdaten und Wetterereignisse aus, um daraus Folgen für unser Klima in Europa abzuleiten. Der Wetteranalysedienst ist einer der sechs thematischen Dienste des Copernicus-Programms der Europäischen Union, das von der Europäischen Kommission verwaltet wird.
Marotzke gab zu bedenken, dass man normalerweise das Kalenderjahr analysiere. Da habe Copernicus 2023 bei knapp unter 1,5 Grad gelegen. Nur der wissenschaftliche Datensatz des kalifornischen Klimaanalyseinstituts Berkley Earth hätte 2023 mit 1,54 Grad darüber gelegen.
Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts, zweifelt an den Ergebnissen von Copernicus.
Andere Institutionen wie etwa das britische Met Office lägen bei 1,43 Grad, das NOAA aus den USA bei 1,34 Grad Celsius. Diese Unterschiede rührten hauptsächlich her von der Ungewissheit bei der Abschätzung der Temperaturen von den Jahren 1850 bis 1900.
20-Jahresmittel der globalen Erwärmung noch nicht überschritten
Der Klimawissenschaftler relativierte auch den Beobachtungszeitraum von einem Jahr. Es sei erwartbar, dass die Öffentlichkeit die Meldungen dahingehend missverstehe, man habe die 1,5 Grad Marke der globalen Erwärmung überschritten. Diese Marke beziehe sich aber auf ein 20-Jahresmittel. "Das ist noch nicht überschritten", so Marotzke.
In seinen Augen gehe es Copernicus "um Aufmerksamkeit". Auch wenn Copernicus in seiner Mitteilung sorgfältig den Bezug auf das Pariser Klimaziel vermeide, nehme seine Öffentlichkeitsarbeit ganz klar dieses Missverständnis billigend in Kauf, so der Institutsdirektor.
Marotzke: Risiken durch Klimwandel unbestritten
Es stehe außer Zweifel, dass die Risiken durch den Klimawandel mit der globalen Erwärmung zunähmen. Insofern sei die einfach zu kommunizierende Grenze von 1,5 Grad sehr nützlich, aber wo diese Grenze liegen sollte und könnte, ergebe sich aus politischen Erwägungen, nicht aus wissenschaftlichen.
Laut dem EU-Klimawandeldienst Copernicus hat sich erstmals die Klimaerwärmung in einem Zeitraum von zwölf Monaten dauerhaft über 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum erhöht.
In den letzten 12 Monaten war es 1,52 Grad zu warm
Von Februar 2023 bis Januar 2024 lag die globale Durchschnittstemperatur um 1,52 Grad Celsius über dem Referenzwert. Im Januar war es im Durchschnitt 1,66 Grad wärmer als der Januar-Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900.
Das Klimaphänomen El Niño ist zurück. Schwere Regenfälle und Stürme in Latein- und Südamerika können die Folge sein, ebenso wie Hitze und Dürre in Australien und Südostasien.
07.07.2023 | 1:06 min
El Nino habe inzwischen begonnen, sich abzuschwächen, so Copernicus. Die Temperaturen über dem Meer seien aber weiterhin auf einem ungewöhnlich hohem Niveau.
Manfred Kessler ist Redakteur in der ZDF-Hauptabteilung WIRSSUM/Team Umwelt.
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