Hightech gegen Jugendliche: So werden Spielplätze überwacht

    Mit Hightech gegen Jugendliche:So überwachen Städte ihre Spielplätze

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    Radarüberwachung, nervende Ultraschalltöne: Manche Kommunen greifen zu drastischen Maßnahmen, um Jugendliche abends von öffentlichen Plätzen zu vertreiben. Ist das noch angemessen?

    Ein Schild mit der Aufschrift "Radarüberwachung" hängt in Gelsenkirchen an einem Spielplatz
    Radarüberwachung auf einem Spielplatz in Gelsenkirchen.
    Quelle: dpa

    Um Jugendliche abends von problembehafteten Treffpunkten zu vertreiben, experimentieren einige Städte in Nordrhein-Westfalen mit ungewöhnlichen Hilfsmitteln und Hightech: Mit Radar-Überwachung oder nervtötenden Ultraschall-Töne wollen sie gegen Vandalismus und Ruhestörungen vorgehen.
    Mit einigem Stolz hat beispielsweise die Stadt Gelsenkirchen in diesem Frühjahr ihre neue Radaranlage vorgestellt, die einen Spielplatz und mehrere Schulhöfe überwacht. Wenn sich dort nach 20 Uhr Jugendliche treffen, schlägt die Technik in der Leitstelle des Ordnungsamts Alarm. Die Beamten rücken aus und schicken die Jugendlichen weg. Auf einem Spielplatz kann die Leitstelle sogar aus der Ferne ein Blinklicht einschalten, so soll es ungemütlich gemacht werden für die jungen Leute.

    Kommunen beenden Technik-Einsatz nach ZDF-Bericht

    Noch simpler funktionieren die sogenannten Mosquito-Anlagen, deren Einsatz in mehreren NRW-Städten von der Satiresendung "ZDF Magazin Royale" aufgedeckt wurde. Die Geräte produzieren abends einen durchdringenden Ultraschall-Ton, der laut Hersteller nur von jungen Menschen wahrgenommen wird. Eine Broschüre wirbt mit drastischen Worten für das Gerät:

    Ein effektives, sicheres und kostengünstiges Hilfsmittel im Kampf gegen Störungen durch antisoziales Verhalten von herumlungernden Jugendlichen.

    Aus dem Werbeflyer von "Mosquito"

    Sieben solcher Geräte bestellte die Stadt Kamp-Lintfort. Wesel und die ostwestfälische Kleinstadt Borgentreich orderten jeweils eins. Als das herauskam, fielen die Reaktionen teils heftig aus: "Ein menschenverachtendes Gerät" sei das, schimpfte der Weseler SPD-Fraktionschef Ludger Hovest in der "NRZ". Kamp-Lintfort und Wesel schalteten die Geräte sofort nach dem ZDF-Bericht ab, Borgentreich hingegen hält am Einsatz der Ultraschall-Technik fest.
    Hier die komplette Sendung des "ZDF Magazin Royale", in der der Einsatz der Mosquito-Geräte aufgedeckt wurde:

    Debatte um technische Maßnahmen trifft wunden Punkt

    Das Magazin "Spiegel" berichtete bereits 2008, dass nach einem Gutachten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu dem Gerät "eine gesundheitliche Schädigung des Hörvermögens nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann". 
    Ist es angemessen, alle jungen Leute von einigen öffentlichen Plätzen zu vertreiben? In jedem Fall trifft die Debatte um technische Maßnahmen gegen Jugendliche einen wunden Punkt.
    "Es ist immer ein Abwägen", sagte Gelsenkirchens Stadtsprecher Martin Schulmann. "Als Ordnungsbehörde haben wir die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Nachbarn ungestört schlafen können." Auch Glasscherben auf einem Spielplatz und eingeschlagene Scheiben nach einem nächtlichen Gelage auf einem Schulhof könne die Stadt nicht einfach tolerieren.

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    Stadt Kamp-Lintfort verteidigt Einsatz von Ultraschall-Anlagen

    Kamp-Lintfort rechtfertigte den Einsatz der Ultraschall-Anlagen ebenfalls. Sie seien nur dort eingesetzt worden, wo es an Treffpunkten von Jugendlichen regelmäßig Vandalismus und sogar Brandstiftungen gegeben habe. NRW-Familienministerin Josefine Paul sieht den Trend trotzdem skeptisch:

    Das bloße Verdrängen Jugendlicher von öffentlichen Plätzen ist keine Lösung - im Gegenteil.

    NRW-Familienministerin Josefine Paul

    Jugendliche mit technischen Mitteln irgendwo zu vertreiben, sei schlicht "unangemessen". Paul dringt auf mehr Dialog. "Es gibt gute Handlungsansätze aus der Jugendarbeit, wie beispielsweise Streetwork oder die Beteiligung von räumlich naheliegenden Jugendeinrichtungen. Junge Menschen haben eigene Interessen und sie wollen beteiligt werden", sagte die Ministerin.
    Quelle: dpa