Umfrage: Mehr Meldungen von Fehlverhalten in Kitas

    Gewalt in Kindergärten:Mehr Meldungen über Fehlverhalten in Kitas

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    Anschreien, zum Essen zwingen: Kitas sollten sichere Orte sein. Sind sie aber nicht immer. Das geht aus einer Umfrage hervor, wonach es mehr Meldungen zu Fehlverhalten gegeben hat.

    Erzieherin sitzt mit Kindern im Kindergarten im Kreis auf dem Boden
    Seit dem Jahr 2000 steht im BGB, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben. Doch nicht in allen Einrichtungen ist das so.
    Quelle: imago/imagebroker

    Die Zahl der Meldungen über Gewalt in Kindergärten sowie bei Verdacht auf Fehlverhalten von Beschäftigten ist im vergangenen Jahr in einigen Bundesländern gestiegen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Aufsichtsbehörden.

    Verdachtsfälle in mehreren Bundesländern gemeldet

    • Aus Berliner Kitas wurden im Vorjahr 83 Fälle von grenzverletzendem Verhalten gegenüber Kindern gemeldet - die höchste Zahl der vergangenen vier Jahre. Dazu zählten auch Verdachtsfälle, teilte die Bildungsverwaltung mit.
    • In Brandenburg wurden dem Bildungsministerium 82 Verdachtsfälle von übergriffigem Verhalten von Beschäftigten gegenüber Kindern bekannt. 2021 waren es 56 Fälle. 
    • Auch Niedersachsen verzeichnete einen Anstieg. 2022 gingen dem Kultusministerium zufolge 338 Meldungen von Verdacht auf ein Fehlverhalten von Beschäftigten ein, ein Jahr zuvor waren es 223. Dabei sei es etwa ums Schlagen, Kneifen, Zerren, sexuelle oder verbale Übergriffe sowie um Zwangsfütterung gegangen.
    • Im Rheinland in Nordrhein-Westfalen listeten die Behörden 2022 insgesamt 271 Fälle von pädagogischem Fehlverhalten auf, 46 mehr als im Jahr davor.
    • Auch in Bayern hatte es einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks zufolge einen Anstieg gegeben.
    Kita, in der nachmittags die Eltern in Eigeninitiative die Kinder betreuen.
    In Radolfzell am Bodensee übernehmen Eltern nachmittags abwechselnd die Kita-Betreuung ihrer Kinder. Wegen fehlender Fachkräfte hätte die Kita sonst mittags schließen müssen.18.04.2023 | 1:53 min

    Kinderschutzbund: Es wird "viel zu wenig geforscht"

    Wie es bundesweit aussieht, lässt sich nicht so leicht beantworten. "Wir verfügen leider nicht über Zahlen, weil viel zu wenig geforscht wird", bedauerte die Vize-Vorsitzende des Kinderschutzbundes, Martina Huxoll-von Ahn.
    Das sächsische Sozialministerium teilte zum Beispiel mit, für das Landesjugendamt bestehe keine Verpflichtung zur statistischen Erfassung von Meldungen etwa darüber, wie oft das Kindeswohl in Sachsens Kitas gefährdet war.

    Zu vermuten ist, statt Prügel oder Ohrfeigen wird psychische Gewalt angewendet - also Kinder niederbrüllen, erniedrigen, sozial isolieren.

    Martina Huxoll-von Ahn vom Kinderschutzbund

    Seit dem Jahr 2000 steht im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben. Seither sei die Akzeptanz von Körperstrafen deutlich zurückgegangen, aber nicht ganz verschwunden, sagte Huxoll-von Ahn.
    Um Übergriffe vorzubeugen, sind Kindergärten verpflichtet, Gewaltschutzkonzepte zu haben. Darin steht etwa, wie Gewalt verhindert oder Fälle aufgearbeitet werden können.
    Diese Konzepte seien noch nicht flächendeckend umgesetzt worden, sagte der Kinderschutzexperte Jörg Maywald. "Wir sind mitten in dem Prozess. Das ist von Bundesland zu Bundesland und auch von Träger zu Träger unterschiedlich."

    Kinderschutzbund: Personal überfordert

    Der Kinderschutzbund sieht eine Ursache für solche Fälle in der Überforderung des Personals. "In Kitas haben wir das Problem eines eklatanten Fachkräftemangels", sagt Huxoll-von Ahn. Eine Bertelsmann-Studie vom Herbst 2022 hatte den Personalmangel als alarmierend bezeichnet.
    Der Kinderschutzexperte Maywald sieht das Personalproblem dagegen nicht als alleinigen Grund:

    Wir haben schlecht ausgestattete Kitas, die hervorragende Arbeit leisten, andererseits relativ gut ausgestattete, die eine weniger gute Arbeit machen.

    Kinderschutzexperte Jörg Maywald

    Das Kultusministerium in Hannover verwies als weiteren Grund auf eine Reform vom Juni 2021, die neue Meldeverpflichtungen für Kitas vorsieht. Deutschlandweit gab es im vergangenen Frühjahr mehr als 59 000 Kindergärten.
    Doch was kann getan werden, damit es künftig weniger Fälle von Gewalt gibt? Der Kinderschutzbund fordert, Fachkräfte und Eltern müssten mehr sensibilisiert werden. Kinderschutzexperte Maywald sagte:

    Wenn wir davon ausgehen, dass in jeder Kita, an jedem Tag Fehlverhalten vorkommt, dann darf das nicht tabuisiert werden, unter den Teppich gekehrt werden, sondern muss offensiv und frühzeitig angesprochen werden.

    Kinderschutzexperte Jörg Maywald

    Quelle: dpa

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