Klimawandel: Mehr als 1,5 Grad - die Angst vorm Untergang

    Klimawandel:Mehr als 1,5 Grad: Die Angst vorm Untergang

    Christine Elsner
    von Christine Elsner
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    Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist nicht erreichbar. Die Furcht vor schwerwiegenden Folgen ist groß. Steht die Erde am Abgrund? Eine nüchterne Betrachtung.

    junge menschen demonstrieren gegen den klimawandel
    Vor allem junge Menschen haben Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise.
    Quelle: pa/dpa

    Klimaforscher sind sich weitgehend einig: Die Erde heizt sich schneller auf als befürchtet. Dafür verantwortlich ist das menschliche Handeln. Jochem Marotzke ist Direktor am renommierten Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und hat an Sachstandsberichten des Weltklimarates (IPCC) mitgearbeitet.
    Seine Feststellung ist ernüchternd: "Die Welt befindet sich nicht auf dem richtigen Pfad. Die Treibhausgasemissionen steigen noch immer."

    Zwar gibt es viel Aktivität in Richtung Klimaschutz, aber der gesellschaftliche Wandel vollzieht sich zu langsam, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

    Jochem Marotzke, Max-Planck-Institut

    Klimakrise: Katastrophismus greift um sich

    Die Angst vor der sogenannten Klimakrise nimmt gerade bei jungen Menschen zu. Ankleben, Abseilen und andere Protestaktionen - damit machen sie auf ihre schwindende Überlebenschance aufmerksam. Wissenschaftlich belegt ist, dass mit jedem zusätzlichen Zehntel Erderwärmung das wahrnehmbarere Risiko zunimmt.
    Extremwettereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürre können vermehrt auftreten. Dazu kommen Eisschmelze an den Polkappen und Meeresspiegelanstieg. All diese Phänomene lösen Furcht aus. Und sollten schließlich die Klima-Kipppunkte erreicht sein, gehe die Welt unter.








    Ingenieurskunst gegen Extremwettereignisse?

    Unter Klima-Kipppunkten versteht man das Erreichen kritischer Grenzen, jenseits derer ein System sich abrupt verändert und unumkehrbar ist.

    Wir können nicht ausschließen, dass einige der diskutierten Kipppunkte tatsächlich kippen werden, und die Auswirkungen könnten durchaus gravierend sein, vor allem regional.

    Jochem Marotzke, Max-Planck-Institut

    "Aber die Furcht, das gesamte globale Klima könnte dadurch aus den Fugen geraten, ist unbegründet. Die globale Oberflächenerwärmung wird durch die diskutierten Kipppunkte nur mäßig verstärkt", so Marotzkes Einordnung. Er verweist vielmehr darauf, dass sich die Gesellschaft auf die Extremwettereignisse einstellen muss. Die Ingenieurskunst sei jetzt gefordert.
    Um die Folgen des Klimawandels abzufedern, müssen Energieversorgung, Wirtschaftsweise sowie gebaute Umwelt angepasst werden.
    Das bedeutet:
    • von fossilen hin zu erneuerbaren Energien
    • von Ressourcenverbrauch zur Kreislaufwirtschaft
    • vom Verkehrsaufkommen zur Stadt der kurzen Wege
    • von funktionaler zur angepassten Infrastruktur

    Messari-Becker: Infrastruktur anpassen

    Bauingenieurin Lamia Messari-Becker ergänzt die Betrachtung von Klimaforscher Marotzke. Für Messari-Becker sind Klimaschutz und Anpassung kein "entweder oder", sondern "sowohl als auch". Besonders im Bauwesen müsse mehr getan werden:

    Ein Dreiklang ist nötig: Schutz der kritischen Infrastruktur, Korrekturen im Hoch- und Städtebau sowie besserer Katastrophenschutz und Warnsysteme.

    Lamia Messari-Becker

    "Dazu gehören: leistungsfähigere Infrastruktur, hitze- und wassersensible Stadt- und Raumplanung, Flächenmanagement, mehr Grün und Wasser im öffentlichen Raum und digitale sowie analoge Warnsysteme", meint Messari-Becker.
    Politbarometer Grafik zur Umfrage Klimaschutz der Bundesregierung.
    Im aktuellen Politbarometer zeichnet sich eine klare Unzufriedenheit mit der Klimapolitik der Bundesregierung ab. Fast die Hälfte der Befragten findet, es wird zu wenig für das Klima getan.03.03.2023 | 1:59 min
    Mit Blick auf die Zukunftsangst der jungen Menschen fordert sie von der Politik: "Die Klimaanpassungsstrategie der Bundesregierung muss deutlich langfristiger und ausgeweitet werden. Sonst wird sie der Aufgabe Menschenschutz und Schadensminimierung im Katastrophenfall nicht gerecht".
    Zudem sei eine bundesweite Infrastruktur-Offensive nötig, die Anpassung mitdenkt.
    In die Praxis umgesetzt heißt das:
    • Anpassung des Straßennetzes
    • Rückhaltebecken bei Starkregen
    • Deichbau

    Nüchternes Fazit

    Jochem Marotzke vergleicht den Klimawandel mit einem Marathonlauf. Zum inflationär verwendeten Begriff "Klimakrise" sagt er: "Natürlich wird durch den Gebrauch des Worts Krise die Dringlichkeit des Handels unterstrichen. Aber ich fürchte auch, dass das Wort Krise die Illusion hervorruft, das Problem sei durch kurzfristige Entschlossenheit ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen."
    Dabei sei klar: "Der Klimawandel wird die Menschheit bis zum Ende dieses Jahrhunderts und darüber hinaus herausfordern."
    Christine Elsner ist Redakteurin der ZDF-Umweltredaktion.

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