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Deutschland vor 200 Jahren : Die Malaria-Revolution des Friedrich Koch

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Die Malaria war vor 200 Jahren auch in Deutschland eine reale Gefahr. Die Herstellung des Medikaments Chinin durch Friedrich Koch brachte Besserung.

Medizinschrank mit vielen importierten Zutaten, darunter Ingwer, Rhabarber und Chinin.
Chinin brachte für viele Malaria-Patienten im 19. Jahrhundert Linderung.
Quelle: imago/United Archives Internatio

Die geheimnisvolle Seuche gehörte einst zum Alltag der Menschen in Rom, in Spanien, aber auch in vielen deutschen Teilstaaten. Das Sumpf- oder Wechselfieber führte zu immer neuen Schüben von Schüttelfrost und hohem Fieber, oft auch zu weiteren Komplikationen und endete nicht selten mit dem Tod der Infizierten.

Malaria am Oberrhein

Die Ursache der Krankheit war lange unklar, italienische Ärzte führten sie auf die schlechte Luft (italienisch: mala aria) in sumpfigen Gebieten zurück. Lange gab es nur ein einziges bekanntes Mittel, das den Kranken Linderung versprach - einen Sud aus der in Europa mit Gold aufgewogenen Rinde des südamerikanischen Chinarindenbaums.

Sammeln von Chinarinde als Quelle von Chinin Ende des 19.Jahrhunderts in Südamerika
Chinarinde als Quelle von Chinin wird im 19.Jahrhundert in Südamerika gesammelt.
Quelle: imago/United Archives Internatio

Ein Apotheker aus Oppenheim bei Mainz entwickelte vor 200 Jahren eine Methode, den Wirkstoff Chinin industriell herzustellen. Die Rheinniederung südlich von Mainz mit ihren Seiten- und Altrhein-Armen war eines der Gebiete in Deutschland, die noch im 19. Jahrhundert besonders unter der Malaria zu leiden hatten. Hier fanden die Anopheles-Mücken als Überträger der Krankheit viele stehende Gewässer, die sie für ihre Vermehrung brauchen. Immer wieder kam es zu regelrechten Epidemien.

Wahrscheinlich verlor Napoleon mehr Soldaten im Oberrheingebiet durch Malaria als durch Kugeln seiner Gegner.
Norbert Becker und Volker Storch, Biologen

Der Dichter Friedrich Schiller erkrankte als junger Mann 1783 bei einem Aufenthalt in Mannheim am Sumpffieber und wurde nie wieder komplett gesund.

Chinin aus dem Keller der Apotheke

Dass die Malaria durch einzellige Plasmodium-Parasiten ausgelöst und von Anopheles-Stechmücken übertragen wird, war zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kamen der französische Bakteriologe Alphonse Laveran und der britische Mediziner Ronald Ross der Ursache der Seuche auf den Grund.

Was der Pfarrerssohn Friedrich Koch (1786-1865) vor 200 Jahren im Keller seiner Oppenheimer Löwen-Apotheke austüftelte, löste dennoch nicht weniger als eine kleine Revolution des Gesundheitswesens aus: Er fand einen Weg, das bittere Chinin aus der Baumrinde herauszulösen und in einfach zu dosierende wasserlösliche Salzkristalle umzuwandeln. Das Gebäude in der historischen Oppenheimer Altstadt steht bis heute.

Anti-Malaria-Medikament seit 1823

An der Fassade ist eine Gedenktafel angebracht, die an den Beginn der industriellen Produktion des Anti-Malaria-Medikamentes erinnert. Dort steht die Jahreszahl 1824, doch schon 1823 hatte Koch damit begonnen, sein Fiebermittel in Zeitungen zu bewerben.

Kochs anfangs geringe Chininvorräte seien ihm förmlich aus den Händen gerissen worden, schrieb der Chemiker und Buchautor Ernst Schwenk in einem Aufsatz über den Oppenheimer Apotheker, "es kamen Kranke und Ärzte aus der weiteren Umgebung, es kamen Bestellungen von Apothekern aus Mainz, aus Stuttgart, aus Basel, sogar aus Amsterdam".

Unser Klima wird heißer und teilweise feuchter. Das könnte auch den Lebensraum der Anopheles-Mücke vergrößern, die unter anderem Malaria übertragen kann.

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Fabrik am Rande von Oppenheim

Schnell wurde die Löwen-Apotheke viel zu klein, um die georderten Mengen herzustellen. Am Rand der Stadt übernahm Koch einen alten Adelshof, den er zu einer richtigen Fabrik ausbaute. Dort wurde noch bis in die 1880er Jahre hinein Chinin produziert, dann entschloss sich der Sohn des Apothekers vor dem Hintergrund wachsender Konkurrenz und eines starken Preisverfalls, das Werk zu schließen und auf Weinbau umzusatteln.

"Aber noch 50 Jahre später kamen Briefe mit Anfragen und Bestellungen von Interessenten aus aller Welt", berichtet Liselotte Stieh-Koch, Seniorchefin des bis heute bestehenden Weinguts: "Es reichte aus, wenn auf dem Umschlag stand: Friedrich Koch, Deutschland, Chinin. "Zu diesem Zeitpunkt war es bereits gelungen, die Malaria in Mitteleuropa zurückzudrängen.

Veränderte Bedingungen am Rhein

In der Rhein-Region hatte dabei im 19. Jahrhundert der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla die Schlüsselrolle gespielt. Er plante die Begradigung des Rheins. Der zuvor stark mäandernde Strom wurde in einem vergleichsweise schmalen Flussbett eingehegt, was die Landschaft am Oberrhein völlig veränderte und viele Sümpfe trockenfallen ließ. Auch andere Veränderungen hätten geholfen, die Malaria am Rhein zu besiegen, berichtet der Mücken-Fachmann Norbert Becker.

Seit der Klimawandel auch in Deutschland stärker spürbar wird, wächst die Angst vor einer Rückkehr der Malaria. Doch diesbezüglich gibt der Biologe Entwarnung. In der Bundesrepublik würden infizierte Menschen, etwa Reiserückkehrer aus den Tropen, schnell behandelt. Für eine "stabile Weiterverbreitung" müsse aber eine "ausreichend große Zahl an chronisch infizierten Personen vorhanden sein". Andere von Mücken übertragene Krankheiten wie das West-Nil-Fieber oder das Denguefieber könnten künftig aber durchaus noch zu einem größeren Problem werden, warnt Becker.

Die Asiatische Tigermücke ist seit Jahren in Deutschland heimisch. Sie kann Dengue-Fieber übertragen - die Infektionswege sind schwer nachvollziehbar.

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