Getötete 14-Jährige: Lebenslange Haft für Mörder von Ayleen

    Getötete 14-Jährige:Lebenslange Haft für Mörder von Ayleen

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    Wegen Mordes an der 14-jährigen Ayleen ist der Angeklagte zur Höchststrafe verurteilt worden. Das Landgericht Gießen verhängte gegen Jan Heiko P. eine lebenslange Freiheitsstrafe.

    Ayleens Mörder trägt ein rotes T-Shirt und hält sich einen blauen Ordner vors Gesicht.
    Der Mörder der 14-jährigen Ayleen ist heute zu lebenslanger Haft mit Sicherheitsverwahrung verurteilt worden. Vor der Tat hatte er sie online kontaktiert und unter Druck gesetzt. 28.09.2023 | 1:34 min
    Erschreckend, beängstigend, Gänsehaut verursachend - mit drastischen Worten machte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung deutlich, dass der Mord an der 14-jährigen Ayleen ein außergewöhnliches Verbrechen ist. Den 30-jährigen Jan Heiko P. verurteilte das Landgericht Gießen an diesem Donnerstag zu einer lebenslangen Haft. Wegen dieser Delikte wurde er verurteilt:
    • Mord
    • versuchte Vergewaltigung
    • Entziehung Minderjähriger
    • Nötigung
    • Beschaffen von Kinderpornografie
    • Fahren ohne Führerschein
    Außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die Sicherungsverwahrung an. Damit ist nahezu ausgeschlossen, dass der Mann vorzeitig nach 15 Jahren in Freiheit kommt.

    Richterin: Mädchen schützen

    Die Gesellschaft und "jedes einzelne Mädchen" müssten vor dem Mann geschützt werden, sagte die Vorsitzende Regine Enders-Kunze. Für sie besteht kein Zweifel, dass der Angeklagte das Mädchen aus sexuellen Motiven tötete. Als Mordmerkmale kämen entweder die Verdeckung einer Sexualstraftat oder die Befriedigung des Geschlechtstriebs in Betracht.
    Der 30-Jährige selbst verfolgte die Urteilsbegründung wie schon den vorangegangenen rund dreieinhalbmonatigen Prozess nach außen ohne erkennbare Regung. Seine Verteidiger kündigten an, Revision einzulegen. Sie waren zwar ebenfalls von Mord ausgegangen, hatten aber eine besondere Schwere der Schuld zurückgewiesen und lediglich das Mordmerkmal der Verdeckung einer Straftat gesehen. Auch eine Sicherungsverwahrung hatten sie nicht in Zweifel gezogen.

    Ayleens Leiche im See versenkt

    Das Mädchen wurde im Juli vergangenen Jahres aus ihrem Heimatort Gottenheim nahe Freiburg verschleppt und in ein Waldstück nahe Langgöns im Landkreis Gießen gebracht worden. Gut eine Woche später wurde sie rund 300 Kilometer entfernt tot in einem See im hessischen Wetteraukreis gefunden. Dort hatte der 30-Jährige versucht, sie zu vergewaltigen. Schließlich soll er das Mädchen erwürgt und in dem See versenkt haben.
    Noch am selben Tag wurde P. festgenommen. Die Ermittler konnten ein Bewegungsprofil des Täters erstellen und sich ein Bild vom mutmaßlichen Tatablauf verschaffen. Außerdem wurden persönliche Gegenstände Ayleens in seiner Wohnung gefunden.

    Jan Heiko P. wollte "Sugardaddy" sein

    Bei einer Auswertung von Handydaten des 30-Jährigen fanden die Ermittler heraus, dass Ayleen und der Mann einander offenbar im April über eine Messengerapp kennengelernt und Tausende Nachrichten ausgetauscht hatten. Schon in Nachricht Nummer Sieben habe er Ayleen gefragt, ob sie Interesse an einem "Sugardaddy" habe, wenige Nachrichten später, ob sie mit ihrem Sugardaddy auch Sex haben wolle, sagte die Vorsitzende.
    "37°: Auf der Spur der Täter - Delikt Kinderpornografie": Eine junge blonde Frau und ein weißhaariger Mann in Polizeiweste stehen im Fahrstuhl vor der Tür.
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    Ähnlich kommunizierte der Mann mit anderen Mädchen, auch eine 13-Jährige brachte er dazu, ihm intime Fotos zu schicken, deshalb war er auch wegen Beschaffung von Kinderpornografie angeklagt. Seine Chatpartnerinnen seien dabei "austauschbar" gewesen, es sei dem Angeklagten nie darum gegangen, diese persönlich kennenzulernen, so die Vorsitzende.

    Erst Mord, dann Chat mit dem nächsten Mädchen

    Das "völlige Ausmaß des Grauens" werde aber erst deutlich, wenn man das Verhalten des 30-Jährigen nach der Tötung Ayleens betrachte. Schon auf der Rückfahrt von dem See, in dem er die Leiche ablegte, habe er über sein Navi die Route zu einem anderen Mädchen herausgesucht - und kurz darauf ein Selbstbefriedigungsvideo erstellt und dem Mädchen geschrieben. Er sei also unmittelbar nach der Tat wieder im Chatmodus, mit der "Mädchen-Akquise" und seiner persönlichen Bedürfnisbefriedigung beschäftigt gewesen. Ein Erschrecken über die eigene Handlung habe es nicht gegeben.
    Der Fall hatte auch ein Schlaglicht auf das sogenannte Cybergrooming geworfen, also die Anbahnung sexualisierter Kontakte mit Minderjährigen über das Internet. Die Vorsitzende sprach von einem "teuflischen Vorgehen" des Angeklagten. Er habe ohne jegliche Hemmung gehandelt, perfide und penetrant seine Chats geführt, seine Chatpartnerinnen manipuliert.

    Täter bereits als Jugendlicher auffällig

    Bereits als Jugendlicher im Alter von 14 Jahren war der Mann wegen versuchter Vergewaltigung, versuchten Kindesmissbrauchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt und für rund zehn Jahre in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Schon nach jener Tat sei der Mann "völlig emotionslos" gewesen, ohne Scham und Reue, sagte Enders-Kunze. Er sei danach ins Freibad gegangen und habe sich den restlichen Nachmittag über dort vergnügt.
    Chatroom
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    Ein psychiatrischer Gutachter hatte während des Mordprozesses eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Zügen bei ihm festgestellt. Zugleich hielt er ihn für voll schuldfähig und sah ein hohes Risiko, dass der 30-Jährige wieder töten könnte. Dieser Maßregelvollzug habe nichts gebracht, sagte auch Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger und fügte hinzu:

    Wenn ein Straftäter von uns nicht erreicht wird, ist er zu verwahren, weil unsere Gesellschaft vor solchen Tätern geschützt werden muss.

    Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger

    Mit dem Urteil folgte die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft. Auch die Verteidigung hatte auf Mord und Sicherungsverwahrung plädiert, eine besondere Schwere der Schuld aber verneint.
    Der 30-Jährige selbst hatte zuvor in einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung angegeben, die Schülerin habe ihn provoziert und beleidigt, deshalb sei er wütend geworden und habe sie getötet. Am Tag 14 des Prozesses hatte erstmals selbst das Wort ergriffen und knapp sein Bedauern ausgedrückt: Er schließe sich der Verteidigung an, "und es tut mir leid", sagte er.
    Quelle: dpa, AFP

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