Frauen in MINT-Berufen - noch immer haben sie mit Klischees zu kämpfen. Das zeigt sich schon im Studium. Universitäten gehen neue Wege, um mehr Frauen für MINT-Fächer zu gewinnen.
Wer als Frau ein Technik-Fach studiert, hat mit Klischees zu kämpfen.
Die Überzahl ist eindeutig im Hörsaal 2 des Aulazentrums der RWTH Aachen: 200 Menschen sitzen da in einer Erstsemestervorlesung Elektrotechnik, weniger als 20 Prozent sind Frauen.
Und das ist in anderen technischen Studiengängen auch so oder sogar noch deutlicher: Im Maschinenbau etwa sind in Aachen nur 14 Prozent der Studierenden weiblich, in Informatik nur 18 Prozent. Die RWTH ist eine der deutschen Kaderschmieden bei den sogenannten MINT-Fächern: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Engpässe in MINT-Berufen: Mehr als 300.000 Fachkräfte fehlen
Gerade bei Berufen wie Ingenieuren, Informatikern und Technikern beklagt die Industrie einen gravierenden Fachkräftemangel. Zehn Prozent der Stellen für technische Fachkräfte seien unbesetzt, sagt der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Und das mindestens einem halben Jahr. Da wird also händeringend gesucht.
Mehr Frauen könnten Fachkräftemangel lösen
Würde man doppelt so viele Frauen wie momentan im MINT-Bereich ausbilden, könnte der Fachkräftemangel laut VDMA zumindest aktuell gelöst werden. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass eine Ausbildung Jahre dauere und der Bedarf wegen der Geburtenlücken noch weiter zunehmen werde.
- Zu wenig Frauen in Tech-Jobs
Technik, Informatik, Mathe: Freie Stellen in sogenannten Tech-Jobs werden laut aktueller Studie deutlich weniger von Frauen als von Männern besetzt. Das schadet der Wirtschaft.
Die Frage ist: Warum studieren so wenige Frauen MINT-Fächer? Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagt, es liege an tradierten Rollenbildern: In der Gesellschaft gebe es immer noch verwurzelte Einstellungen, was man "eher als Männerfächer oder eher als Frauenfächer versteht". Das wiederum färbe auf die betroffenen Frauen ab, die sich dann einen MINT-Beruf nicht unbedingt zutrauten.
Studentinnen in MINT-Fächern werden mit Klischees konfrontiert
Wenn man die Studentinnen direkt fragt, erfährt man, dass sie oft mit genau solchen Klischees konfrontiert werden - im privaten Bereich, aber auch an den Universitäten selbst.
Helena Janning etwa studiert Elektrotechnik in Aachen: "Ich hatte immer Spaß an Naturwissenschaften, hatte Mathe- und Physik-Leistungskurse und wollte nicht was komplett Theoretisches studieren."
Teresa Bücker kämpft seit Jahren für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit. Jetzt hat sie ihr erstes Buch herausgebracht:
Deshalb habe sie Elektrotechnik gewählt, "weil man da mathematische und physikalische Grundlagen nutzt, um sie auf aktuelle Probleme anzuwenden und Lösungen zu finden". "Das macht mir Spaß - wie den Jungs auch." Problem: Manche Kommilitonen finden das zuweilen nicht so normal.
Man müsse, so Helena, sich erst einen Ruf erarbeiten und zeigen: Ja, ich kann das auch - als Mädchen.
Auch andere Frauen erzählen solche Geschichten. Mara Schmitz ist im ersten Semester, ebenfalls Elektrotechnik. Sie habe mit ihrem Vater schon diskutieren müssen wegen des Studienwunsches, und in ihrem Fachbereich während der Praktika würden manche Männer teilweise auch "komisch" reagieren: "Die gucken auf einen runter und denken: Was will die hier? Da merkt man schon so ein bisschen Sexismus. Da muss man sich stur stellen, und kommt dann auch durch."
Aachen: Schnupper-Uni und Labortage für Schülerinnen
Die RWTH hat das Problem schon länger erkannt, bietet Schnupper-Uni und Labortage schon für Mädchen in der Schule an. Und will das vielleicht negative Image von technischen Berufen in der Frauenwelt verändern: "Das Potenzial sehe ich insbesonders bei der Generation Fridays for Future", sagt Aloys Krieg, Prorektor der RWTH.
Mit Elektromobilität oder Wasserstofftechnik etwa wolle Deutschland die Mobilitätswende hinbekommen, sagt der Forscher.
Im Maschinen- und Anlagebau waren die Auftragsbücher im letzten Jahr gut gefüllt.
Mülheim: Maschinenbaustudium nur für Frauen
Ortswechsel nach Mülheim an der Ruhr: Die Hochschule dort verfolgt einen anderen Weg. Sie hat neben dem "normalen" Maschinenbaustudium einen eigenen Studienzweig nur für Frauen geschaffen, sozusagen einen Schutzraum in den ersten vier Semestern - danach wird zusammen mit den Männern studiert. Bis zu 15 junge Frauen entscheiden sich jedes Jahr für diesen Studiengang.
Theresa Naendorf macht bald ihren Bachelor und hat den sanften Einstieg sehr genossen: "Das Schöne ist: Am Anfang, wenn man einsteigt in die Materie, muss man sich nicht dafür verteidigen, dass man überhaupt Maschinenbau macht."
Ob Aachen, Mülheim oder anderswo - es scheint aufgrund eines überholten Rollenverständnisses nicht so einfach für Frauen zu sein, in einer vermeintlichen Männerdomäne Fuß zu fassen.
Peter Böhmer ist Reporter im ZDF-Landesstudio Düsseldorf.