Studie zeigt: Missbrauch im Bistum Mainz jahrelang vertuscht

    Neue Studie:Bistum Mainz: Missbrauch jahrelang vertuscht

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    Verharmlost, verschwiegen, vertuscht: Das Bistum Mainz hat im Umgang mit Missbrauch in der Kirche versagt. Das zeigt eine neue Studie. Selbst Opfer-Eltern halfen beim Vertuschen.

    Fälle von sexueller Gewalt im Bistum Mainz sind jahrzehntelang verharmlost, verschwiegen und nicht angemessen verfolgt worden.
    Zu dem Ergebnis kommt eine von dem unabhängigen Rechtsanwalt Ulrich Weber in Mainz vorgestellte Studie. Die erfassten Fälle reichen von sexuellen Grenzverletzungen bis hin zu schweren Straftaten. Der Autor stellt fest:

    Das Bistum als verantwortliche Institution hat durch unangemessenen Umgang und mangelnde Kontrolle in vielen Fällen sexuellen Missbrauch begünstigt,

    Ulrich Weber, Autor der Studie

    Das Kreuz eines Grabsteins ragt vor der katholische Kirche St. Nikolaus in Garching An Der Alz in den Himmel.
    31.01.2023 | 2:28 min
    Die Erzdiözese München und Freising besteht nicht mehr auf einer Verjährung von Missbrauchstaten:

    Auch Eltern von Missbrauchsopfern vertuschten Taten

    Missbrauchsfälle seien aber nicht nur von der Bistumsleitung vertuscht worden. Auch Pfarrgemeinden, Behörden und vielfach sogar die Eltern der Betroffenen hätten eine Aufklärung und Aufarbeitung ausgebremst.
    Die "Überhöhung des Priesteramtes", die katholische Sexualmoral und der Umgang mit Geheimnissen und Macht müssten auch auf theologischer Ebene überdacht werden, fordert Weber. All diese Faktoren hätten "ein Umfeld geschaffen, in dem sexueller Missbrauch Raum finden konnte."
    Collage: Im Hintergrund der Schatten eines Kreuzes, das getragen wird, im Vordergrund ist Papst Benedikt XVI. zu sehen
    31.12.2022 | 2:28 min
    Papst Benedikts Umgang mit dem Geschwür des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ist vielschichtig:

    Bistum Mainz: Bei 48 Tätern versagt

    Im Rahmen der vom Bistum in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel "Erfahren - Verstehen - Vorsorgen" (EVV) waren rund 25 000 Seiten an Akten- und Archivmaterial untersucht und 246 persönliche, schriftliche oder telefonische Gespräche geführt worden. Nach einer statistischen Analyse waren für den Zeitraum von 1945 bis 2019 zunächst 657 Betroffene und 392 Beschuldigte ausgemacht worden.
    Dann wurde genauer geprüft, wie sich der jeweilige Tatbestand genau darstellt und wie plausibel der Fall erscheint. Letztlich blieben für die weitere Untersuchung 401 Betroffene und 181 Beschuldigte übrig.
    Bei den Beschuldigten handele es sich zu zwei Dritteln um Kleriker, bei einem Drittel um Laien. Beim Umgang mit mindestens 48 mutmaßlichen Tätern habe die jeweilige Bistumsleitung versagt.
    Stadtansicht Köln mit Dom am Abend
    01.11.2022 | 9:27 min
    Zahlt die Kirche Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer?

    Zeit unter Kardinal Volk Schwerpunkt für Missbrauch

    Hart ins Gericht gingen die Verfasser unter anderem mit den früheren Mainzer Bischöfen Hermann Kardinal Volk (1962-1982) und Karl Kardinal Lehmann (1983-2017). Die Zeit unter Volk sei ein Schwerpunkt für Missbrauchstaten gewesen. Es sei vorrangig darum gegangen, kein öffentliches Ärgernis hervorzurufen. Ein Blick auf das Leid der Betroffenen sei nicht vorhanden gewesen.
    Lehmann habe den Umgang mit Fällen sexueller Gewalt nie als Chefsache angesehen. Es sei in den Lehmann-Jahren 2010 bis 2017 ein erheblicher Gegensatz zwischen seinem öffentlich-medialen Auftreten und der persönlichen Einstellung und dem persönlichen Handeln erkennbar gewesen.

    Seinen mit eigenen Worten formulierten Anspruch für den Umgang mit sexueller Gewalt in der katholischen Kirche im Bistum Mainz hat er selbst zu keiner Zeit erfüllt.

    Ulrich Weber, Rechtsanwalt über Kardinal Lehmann

    Dem heutigen Bischof Peter Kohlgraf sprechen die Studienautoren die Bereitschaft zu, lernen und aufarbeiten zu wollen. Kohlgraf nehme Vorwürfe sehr ernst und verhalte sich im Umgang mit Beschuldigten sehr konsequent.
    Der Bericht ist nach Angaben der Autoren nicht mit anderen Untersuchungen wie etwa der 2018 veröffentlichten bundesweiten MHG-Studie vergleichbar. So ging es in Mainz nicht nur um Taten von Klerikern, sondern von allen kirchlichen Mitarbeitenden. Zudem wurden Beziehungen unter Erwachsenen einbezogen. Die Kosten für die Studie bezifferten ihre Autoren mit einer "hohen sechsstelligen Summe".
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    Nachrichten | Thema
    :Missbrauch in der katholischen Kirche

    Die römisch-katholische Kirche wird in ihren Reihen vom jahrzehntelangen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen erschüttert. Die Aufarbeitung ist umstritten.
    Nebelschwaden ziehen über die Kuppel des Petersdoms in Rom (Italien) aufgenommen am 19.02.2020
    Quelle: KNA, EPD, dpa

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