Zwei von drei Acts bei Top-Festivals sind rein männlich

    Daten-Analyse zu Open Airs:Männer dominieren Festival-Bühnen

    von Magdalena Stefely
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    Eine Auswertung bei zehn der größten Festivals in Deutschland zeigt: Vor allem bestimmte Musikgenres sind extrem männlich dominiert. Ist das die Schuld der Festivalbetreiber?

    Machine Gun Kelly beim Festival Rock am Ring am Nürburgring
    Machine Gun Kelly ist einer der Headliner bei "Rock am Ring". Auf der Bühne am Nürburgring standen überwiegend Männer - wie auch bei anderen Festivals.
    Quelle: 23-2574761

    Große Musikfestivals sind in den vergangenen Jahren vermehrt in die Kritik gekommen. Der Vorwurf: Auf den Bühnen treten fast nur Männer auf. Eine Recherche von "funk" zeigt, wie männlich die Line-Ups wirklich sind: Bei den zehn untersuchten großen deutschen Festivals sind zwei von drei Acts rein männlich. Zwar sind einige relativ ausgeglichen - andere reißen jedoch besonders negativ aus.
    Das Lollapalooza Berlin hatte bis Redaktionsschluss 70 Acts angekündigt und schneidet mit "nur" rund 47 Prozent rein männlichen Acts am diversesten ab. Relativ ausgeglichen sind mit 51 und 53 Prozent die Fusion (95 Acts) und das MS Dockville (102 Acts).

    Divers bei Genres - aber nicht bei den Geschlechtern

    Alle drei Festivals präsentieren auch in Bezug auf die Musikgenres ein sehr diverses Line-Up über verschiedene Musikrichtungen wie Indie, Elektro und Alternative. Auch die 127 Acts des Deichbrand-Festivals in Hamburg spielen die Musik verschiedener Genres, unter anderem Rock, Pop, HipHop und elektronische Beats. Sie sind aber mit rund 65 Prozent um einiges männlicher.
    Mehrheit der Festival-Acts ist rein männlich
    ZDFheute Infografik
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    69 Prozent der 85 Acts Hurricane-Festivals sind männlich. Ähnlich ist es beim Southside, das dieses Wochenende stattfindet, mit 71 Prozent der 92 Acts.
    Der gemeinsame Betreiber des Southside und des Hurricane äußert sich auf Anfrage selbst unzufrieden mit der Situation der eigenen Line-Ups: "Um ehrlich zu sein: Unser ganz überwiegend weibliches Booking-Team besteht aus Menschen, denen Diversität sehr wichtig ist. Wir haben entsprechend viel Mühe und Herzblut in die Suche nach passenden Acts gesteckt."

    Dass trotzdem kein weiblicher Act insbesondere in der Headliner-Riege steht, frustriert uns selbst auch.

    Betreiber der Festivals Southside und Hurricane

    Romana Aufinger, Frontsängerin der Pop- und Punk-Band Attic Stories, die auch auf dem Southside spielt, sagt zur allgemeinen Situation: "Nach meiner Wahrnehmung werden Frauen häufig immer noch nicht ernst genommen und vorverurteilt, sowohl von männlichen Musikern als auch von männlichen Veranstaltern, der Presse und der Öffentlichkeit."
    Rock am Ring
    Sonne statt Schlamm: Bei dem Rock-Festival gab es am Wochenende das beste Wetter seit 30 Jahren. Drei Tage Ausnahmezustand mit Sonnenschein und Musik. Doch nicht alles lief glatt.05.06.2023 | 3:31 min
    Hitze bei Rock am Ring - so lief das Festival:

    Musikindustrie: Musik von Männern - für Männer?

    Rock im Park und Rock am Ring haben identische Line-Ups mit 72 Acts, von denen 71 Prozent nur aus Männern bestehen. Auch die Zwillingsfestivals haben verschiedene Musikrichtungen zu bieten, wobei sie mit ihren ausgewählten Acts vorwiegend Rock- und Metal-Fans anziehen.
    Laut der Presseabteilung sind es dieses Jahr mehr als dreimal so viele nicht rein männliche Acts wie im Vorjahr. Grund für die männerdominierte Szene sei die Musikindustrie:

    Wo kommt die Musik her? Aus dem Studio. Wer komponiert die Musik - zu 85 Prozent Männer und meist auch für Männer.

    Presseabteilung von Rock im Park und Rock am Ring

    Archiv: Publikum beim Rock am Ring
    Das Publikum beim Rock am Ring-Festival feiert. Die Acts auf dem Festival sind in diesem Jahr überweigend männlich. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Veranstalter: Mehr Musikerinnen in der "Männerdomäne" Metal

    Das Wacken Open Air (162 Acts) ist ebenfalls bekannt für (Hard)-Rock und Metal. Drei von vier, also 75 Prozent der Acts des Festivals, sind rein männlich besetzt. Veranstalter Thomas Jensen sagt zum Thema Gender Equality in der Metal-Szene: "Wir buchen Acts danach, ob sie uns und unseren Fans gefallen und ob sie Metal sind.
    Metal werde "gerne als Männerdomäne betrachtet", dennoch sehe man immer mehr "großartige Bands mit Musikerinnen", so Veranstalter Thomas Jensen:

    Ein Trend, den wir sehr begrüßen und nach unseren Möglichkeiten unterstützen.

    Thomas Jensen, Wacken-Veranstalter

    Gleiche Leistung, weniger Geld - darauf macht der Equal-Pay-Day aufmerksam:

    Parookaville bei Geschlechterdiversität Schlusslicht

    Das Schlusslicht macht das Parookaville an der Grenze zu den Niederlanden, das ausschließlich elektronische Musik bietet. 93 Prozent der Acts, welche oft nur aus einer Person, - also einem DJ - bestehen, sind männlich.
    Auf Anfrage schreibt die Presseagentur des Parookaville: "Der Beruf als DJ und Producer ist im Wesentlichen ein technischer Beruf. Insofern hat diese Musikrichtung, genau wie andere technische Berufe, überwiegend männlichen Zulauf. [Wir] müssen (…) damit umgehen." Über 90 Prozent der Anfragen von Artists seien laut ihnen männlich.
    Zwei Frauen auf dem Festival
    Der Einlass am Nürburgring hat begonnen und die Campingplätze füllen sich - Startschuss für Festival-Fans.02.06.2023 | 2:33 min
    Die Festival-Saison startet mit "Rock am Ring" und "Rock im Park":
    Larissa Rieß, auch bekannt als Lari Luke, ist DJ und legt auf dem Parookaville auf. Sie nennt die gleichen Gründe wie das Festival und sagt: "Ich wurde wie jeder andere auch schon mal in meinem Job unfair behandelt, allerdings nie aufgrund meines Geschlechts."
    Einige der Line-Ups sind noch nicht vollständig veröffentlicht. Je nach Musikbranche ist die Situation sehr unterschiedlich, aber bei allen zeigt sich ein Trend - mal schneller, mal langsamer - in Richtung mehr Diversität und Repräsentation.
    Hinweis: In der ursprünglichen Version des Artikels stand, dass es dieses Jahr bei Rock im Park und Rock am Ring mehr als doppelt so viele nicht rein männliche Acts wie im Vorjahr gibt.
    Eine Recherche von Magdalena Stefely und Ida-Lee Dickenson-Kroth, funk.

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