Nicht mehr nur Natur-Paradies, sondern auch Energiespender? Üppige Fördermittel für Solarpanels sorgen gerade in den Schweizer Alpen für einen Boom. Die Anwohner wehren sich.
Landschaftsschützer in der Schweiz sorgen sich um die Natur der Alpen und machen mobil. Grund: Es gibt Subventionen für Solarpanels, wenn die Anlage noch in diesem Jahr gebaut wird. Dutzende Projekte sind am Start, seit das Parlament Fördergelder in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt hat. Es herrscht Goldgräberstimmung in der Schweiz.
Solaranlage in der Größe von 700 Fußballfeldern
Beim Bergdorf Grengiols im Kanton Wallis etwa ist eine gigantische Solaranlage geplant, so groß wie 700 Fußballfelder. Rund 600 Mitglieder der Interessengemeinschaft Saflischtal machen gegen diese Pläne mobil, darunter Ulrike Steingräber-Heinen (42), Käserin und Hirtin. Solarstrom zur Reduzierung der Treibhausgase sei wichtig, sagt sie.
Das neue Energiegesetz erleichtert Bewilligungen für alpine Projekte und verspricht Geld. "Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2025 mindestens teilweise Elektrizität ins Stromnetz einspeisen, erhalten vom Bund eine Einmalvergütung in der Höhe von maximal 60 Prozent der Investitionskosten", so das Gesetz.
Photovoltaik wird eine entscheidende Rolle bei der Energieversorgung der Zukunft spielen. Eine Hürde ist bislang der Artenschutz. Doch es gibt eine Lösung: Biodiv Solarparks.
Plötzlich gelten die Alpen nicht mehr nur als ein Freizeitparadies mit Weiden zur Produktion von gutem Bergkäse. Sie könnten der Schweiz auch aus dem Energiedilemma helfen. "Wir haben sehr viele Gebiete, die von der Sonneneinstrahlung her geeignet wären", sagt Jürg Rohrer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Der Dozent für erneuerbaren Energien ist ein Pionier alpiner Solaranlagen.
Stromlieferung auch im Winter möglich
Was diese so attraktiv macht: Sie liefern auch im Winter gut Strom, weil sie meist über der Nebeldecke liegen, bei Kälte sehr effizient sind und von Reflexionen durch den Schnee profitieren. Rohrer hat seit 2017 eine Versuchsanlage mit Solarmodulen bei Davos.
Rohrer meint damit die Jahresproduktion, und das entspräche etwa zwei Drittel des jährlichen Strombedarfs der Schweiz. Allerdings müssten die Gebiete zugänglich sein. Für realistisch hält er in den nächsten Jahren alpine Solaranlagen mit einem Potenzial von etwa fünf Terawattstunden pro Jahr. Dafür wäre insgesamt 30 Quadratkilometer Fläche nötig. Das sei verglichen mit 4.635 Quadratkilometern vegetationslosen Flächen wenig, sagt er.
Für viele Anwohner von Grengiols und Umgebung ist das von der Gemeinde und der lokalen Elektrizitätsgesellschaft geplante Projekt aber eine Horrorvorstellung. Sie werben mit einer Fotomontage für Widerstand: auf ein Foto der unberührten Natur haben sie zur Illustration künstlich tausende Solarpanels gesetzt. Zudem machen sie sich Sorgen, dass Flora und Fauna nachhaltig gestört werden könnten.
Sorge um fehlende Qualitätskriterien
Weitere Alpenschutzorganisationen wie Mountain Wilderness Schweiz machen gegen weitere Pojekte mobil. Erstmal sollten alle verfügbaren Flächen in bebauten Gegenden ausgenutzt werden. Dass wegen der Fristen für die Subventionen nun überall auf die Schnelle Solarparks geplant werden, macht auch Rohrer Sorge. "Man hat es versäumt, Qualitätskriterien einzubinden", sagt er.
Die bislang größte alpine Solaranlage hat der Stromkonzern Axpo gebaut. Seit August produzieren Solarmodule auf der Muttsee-Staumauer im Kanton Glarus auf rund 2.500 Metern Höhe Strom. Und der Konzern hat noch jede Menge weitere Projekte in der Pipeline.