In Tunesien sind Tausende gegen Präsident Saied auf die Straße gegangen. Vorausgegangen war eine Verhaftungswelle im Land. Auch die Bundesregierung zeigte sich zuvor besorgt.
In Tunesien haben am Samstag Tausende Anhänger der einflussreichen Gewerkschaft UGTT gegen Präsident Kais Saied demonstriert. Bei Kundgebungen in acht Städten warfen sie ihm vor, demokratische Grundrechte und damit auch die Rechte von Gewerkschaften auszuhöhlen.
In der Stadt Sfax trugen die Demonstranten Flaggen und Plakate. Zu lesen waren Losungen wie "Stoppt den Angriff auf die Freiheit der Gewerkschaften" oder "Feiger Saied, die Gewerkschaft hat keine Angst". In Sfax überbrachte die Funktionärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Esther Lynch, die Botschaft, 45 Millionen europäische Gewerkschafter würden ihre tunesischen Kollegen unterstützen.
Polizei hatte Politiker und Journalisten verhaftet
Die UGTT hatte ihre über eine Million Mitglieder nach einer Verhaftungswelle von Regierungskritikern dazu aufgerufen, die Rechte der Tunesier zu verteidigen. In den kommenden Tagen sind Proteste in weiteren Städten geplant. Die Hauptkundgebung ist in der Hauptstadt Tunis Anfang März vorgesehen.
Seit vergangenem Wochenende hat die Polizei eine Reihe von Politikern, Journalisten und Geschäftsleuten unter dem Vorwurf verhaftet, eine Verschwörung gegen die Sicherheit des Landes zu planen. Saied sprach von "Verrätern", die verantwortlich für Preissteigerungen und Lebensmittelknappheit seien. Das UN-Büro für Menschenrechte rief die tunesische Regierung dazu auf, die Inhaftierten freizulassen.
Wie ernst die Lage bei der Lebensmittelversorgung ist, sieht man mit Blick auf den Weizen – in Tunesien kann der Staat die Importe "des neuen Goldes" kaum noch bezahlen.
Saied baute Macht mit neuer Verfassung aus
Saied hatte vor fast einem Jahr das tunesische Parlament aufgelöst und kürzlich eine neue, deutlich geschwächte Volksvertretung wählen lassen. Außerdem baute er seine Macht mit einer umstrittenen neuen Verfassung aus. Der Unmut über den einst beliebten Politiker wächst.
Beobachter fürchten, Saied wolle den letzten demokratischen Staat in Nordafrika in eine Autokratie verwandeln. Tunesien galt seit dem Ausbruch des "Arabischen Frühlings" 2011 als Hoffnungsträger für eine Demokratisierung der Region. Damals wurde der autokratisch regierende Präsident Zine Al-Abidine Ben Ali abgesetzt.
Der tunesische Präsident Kais Saied möchte seine Macht mithilfe einer Verfassungsänderung ausbauen. Tunesien, die einzige Demokratie nach dem "arabischen Frühling", ist in einer wirtschaftlichen Krise. Kritiker sehen die Demokratie in Gefahr.
Bundesregierung besorgt über Verhaftungen in Tunesien
Schon am Freitag hatte sich die Bundesregierung besorgt über das Vorgehen der tunesischen Behörden gegen Regierungskritiker geäußert:
"Demokratische Grundsätze der freien Meinungsäußerung und politischen Vielfalt sowie des Rechtsstaats müssen in einem demokratisch verfassten Land wie Tunesien gelten."