Verkehrspolitik: kommt jetzt der Schub für Bus und Bahn?

    Verkehrspolitik :Kommt jetzt der Schub für Bus und Bahn?

    Marcel Burkhardt
    von Marcel Burkhardt
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    Verkehrsunternehmen, Umweltverbände und Kommunalpolitik fordern einen zügigen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Sie nehmen Länder und Bundesregierung in die Pflicht.

    Berlin: Ein BVG-Bus fährt am Zoologischen Garten vorbei.
    Von einem Takt wie in Berlin können Menschen in vielen ländlichen Regionen bislang nur träumen.
    Quelle: dpa

    Im oberbayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es sie schon, die schöne, heile Welt des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Im bundesweiten Ranking der Erreichbarkeit von Bus- und Bahn-Haltestellen in den Landkreisen kam Fürstenfeldbruck auf Rang eins.

    Starkes ÖPNV-Angebot vielerorts noch ein Wunsch

    Der Grund: Eine Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung stellte für die Städte und Gemeinden des Landkreises Fürstenfeldbruck eine Erreichbarkeit von 99,16 Prozent fest. Das heißt: Fast alle Einwohner leben in unmittelbarer Umgebung von einer Bus- oder Bahnhaltestelle.
    Ein Ticketautomat der deutschen Bahn ist zu erkennen. Dort kann man nun das Deutschlandticket kaufen.
    Mobilitätsforscher Dr. Weert Canzler über den Start des Deutschlandtickets, und ob damit eine "echte" Verkehrswende möglich ist.02.05.2023 | 4:32 min
    Davon können Menschen in vielen anderen ländlichen Regionen bislang nur träumen. Doch Verkehrs- und Umweltverbände sowie die Kommunalpolitik pochen darauf, den Schwung des neuen Deutschland-Tickets zu nutzen, um die ÖPNV-Angebote bundesweit zügig auszubauen.

    Verkehr stärker verlegen auf Bus, Bahn und Fahrrad

    Einerseits, um Bestands- und Neukunden künftig mehr Leistung zu bieten und sie somit auf Dauer an Bord zu halten. Andererseits, um künftig überhaupt die Chance zu haben, im Verkehrssektor die vereinbarten Klimaziele einzuhalten, die in Deutschland bislang stets verfehlt wurden.

    Die Klimakrise und das Artensterben sind Realität, die zur gründlichen Neuausrichtung unserer Verkehrspolitik zwingen.

    Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND)

    Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert in diesem Zusammenhang, dass man den Klimawandel als die "größte Herausforderung unserer Zeit begreifen und entsprechend politisch priorisieren" müsse. Dazu benötigen die Verkehrsunternehmen mehr Fahrzeuge, mehr Personal und eine bessere Infrastruktur, so Wortmann.
    Reisende auf dem Berliner Hauptbahnhof.
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    Knackpunkt: Finanzierung des ÖPNV-Ausbaus

    Wenn der öffentliche Verkehr einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wolle, sei der ÖPNV-Ausbau "absolut notwendig", so Wortmann. Er appelliert an Bund und Länder, die nötigen Finanzmittel in zweistelliger Milliardenhöhe zügig bereitzustellen, sonst werde man "die Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030 nicht erreichen". Viele Kommunalpolitiker unterstützen den VDV-Präsidenten.

    Das größte Hindernis für den Ausbau des ÖPNV-Angebots im ländlichen Raum ist die fehlende Finanzierbarkeit allein durch die Kommunen.

    Bert Wendsche, Oberbürgermeister von Radebeul und Präsident des sächsischen Städte- und Gemeindetags

    Wendsche fordert deshalb eine "dauerhafte und auskömmliche Mitfinanzierung des ÖPNV durch das Land". Bislang reiche das Geld in vielen ländlichen Gebieten Sachsens oft nur für das Angebot des Schülerverkehrs. "Fahrten außerhalb der üblichen Schulzeiten oder an den Wochenenden finden dort keine statt", so Wendsche.

    Gesellschaftliche Bedeutung des ÖPNV

    Dabei bestehe eine "große Nachfrage" nach besseren Bus- und Bahnangeboten. Wendsche sagt: "Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen und hat viel mit Freiheit und Teilhabe zu tun". Er mahnt gleichzeitig:

    Wenn wir den ÖPNV im ländlichen Raum vernachlässigen, verfehlen wir das Verfassungsziel gleichwertiger Lebensverhältnisse und schaffen auch in dieser Hinsicht abgehängte Regionen.

    Bert Wendsche

    Mit Blick auf die klimapolitischen Aspekte des ÖPNV-Ausbaus erhöht der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt den Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

    BUND fordert Bundesverkehrsminister zum Umdenken auf

    Statt weiter die "Automobilität bevorzugt zu behandeln", wie Bandt kritisiert, müssten umweltfreundliche Lösungen favorisiert und der Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan "stark überarbeitet" werden.
    In einem aktuellen Aufsatz schreibt Bandt:

    Wenn Volker Wissing diese Ziele als ‚Klima-Blabla‘ abtut und sich weigert, einem umweltverträglicheren Verkehrssystem oberste Priorität einzuräumen, ist er als Verkehrsminister fehl am Platz.

    Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender

    Fakt ist: Die Ampel-Parteien haben sich im Koalitionsvertrag ambitionierte ÖPNV-Ziele gesetzt. Daran werden sie gemessen.

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